Psychiatrie-Reform

Hickhack um Home Treatment absehbar

PEPP heißt jetzt PsychVVG: Die Reform der psychiatrischen Versorgung ist mit dem Kabinettsbeschluss ein Stück näher gerückt. Doch die Kostenfolgen sind genauso unklar wie die Konsequenzen des Home Treatment durch Kliniken.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Das Bundeskabinett hat die Reform der psychiatrischen Versorgung in Krankenhäusern am Mittwoch auf den Weg gebracht. Die Regierungsvorlage zum PsychVVG (Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen) ist umstritten – auch die Kostenwirkungen für die Krankenkassen sind noch unklar.

Die Regierungsvorlage geht für 2017 von Mehrausgaben für die GKV von 36 Millionen Euro aus. Im Vorentwurf war noch von 65 Millionen Euro die Rede. Erst ab 2018 erwartet die Regierung Mehrbelastungen von jährlich 60 Millionen Euro.

Ob das reicht, ist strittig. Denn bis einschließlich 2019 soll der Personalschlüssel der Psychiatrie-Personalverordnung "100-prozentig" umgesetzt werden, heißt es im Regierungsentwurf. Ab 2020 sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu entwickelnde Mindestvorgaben für die Personalausstattung vorgesehen.

Keine landeseinheitlichen Preise

Kern des Gesetzes ist aber ein neues Entgeltsystem. Statt des umstrittenen PEPP-Konzepts, das ein landeseinheitliches Festpreissystem vorsah, ist nunmehr ein krankenhausindividuelles Budgetsystem geplant, das Kliniken einzeln mit den Kassen verhandeln.

So sollen regionale oder strukturelle Besonderheiten der bundesweit rund 500 betroffenen Kliniken besser berücksichtigt werden. Ab 2018 muss das neue Entgeltsystem zunächst budgetneutral von allen Einrichtungen verbindlich angewendet werden.

Die Kassen sind mit der Abkehr von PEPP unglücklich. Es dürfe keine Rückkehr zur Selbstkostendeckung geben, warnte der Ersatzkassenverband vdek anlässlich des Referentenentwurfs. Statt über ein Kosten- sollten die Vertragspartner vor Ort über ein Erlösbudget verhandeln, so die Erwartung des vdek.

Das mit PEPP geplante Element der Leistungstransparenz über alle Kliniken hinweg findet sich im PsychVVG nur abgemildert wieder: Es soll ein leistungsbezogener Vergleich zwischen Kliniken entwickelt werden. Mit am Verhandlungstisch dabei: die Deutsche Krankenhausgesellschaft.

Konflikte mit der KBV sind bei einem zentralen versorgungspolitischen Ziel des Entwurfs programmiert: Stationären Einrichtungen soll erlaubt werden, psychisch schwer kranke Patienten im häuslichen Umfeld durch mobile multiprofessionelle Behandlungsteams zu versorgen.

Bei diesem Home Treatment soll es sich um eine "stationsäquivalente psychiatrische Behandlung" handeln. Wie im Referentenentwurf enthält dieser neue Paragraf 115d SGB V die Option, dass niedergelassene Fachärzte durch Beauftragung in die Behandlung eingebunden werden können.

Nur im "Benehmen" mit der KBV – der mildesten Form von Absprache – sollen Einzelheiten dieser neuen Leistungsform geklärt werden. Aus Sicht der KBV werden so neue Schnittstellenprobleme geschaffen.

Lotsenfunktion für ambulante Ärzte

Die KBV hat bei der Verbändeanhörung im Juni gefordert, niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten müssten die Lotsenfunktion bei der Behandlung psychisch Kranker zu Hause innehaben.

Wenn im neuen Entgeltsystem pauschalierte Vergütungen entwickelt werden, seien im Home Treatment der Kliniken "vor allem Patienten mit minderschweren Krankheitsverläufen zu erwarten", warnte die KBV.

Als Alternative zum Entwurf hat sie ein integriertes Versorgungskonzept für die ambulante Akutbehandlung psychisch Kranker vorgeschlagen.

Der Entwurf wird am 22. oder 23. September erstmals im Bundestag beraten, er ist nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat. Inkrafttreten soll das Gesetz überwiegend Anfang 2017.

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen erklärte gegenüber der "Ärzte Zeitung": „Wir müssen leider bei der Feststellung bleiben: Der Gesetzgeber berücksichtigt nicht die hervorragenden Strukturen, die die Vertragsärzte und Psychotherapeuten im ambulanten Sektor aufgebaut haben, um psychisch erkrankte Patienten engmaschig und multiprofessionell zu betreuen. Stattdessen soll die intensivierte Behandlung im häuslichen Umfeld (Hometreatment) ausschließlich durch die Krankenhäuser organisiert werden. Damit werden neue Schnittstellenprobleme geschaffen. Der Gesetzgeber bleibt auch halbherzig bei der Herstellung von Transparenz in den psychiatrischen Institutsambulanzen. Nach wie vor sollen Krankenhäuser hier nur anonyme Daten liefern - beispielsweise 1,5 ärztliche Vollzeitstellen. Immerhin positiv zu benennen ist die Einführung eines Standortverzeichnisses für Krankenhäuser und deren Ambulanzen sowie die Berücksichtigung des Überweisungsvorbehalts bei psychosomatischen Institutsambulanzen.“

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