Hintergrund
Ideale Lage für Versorgungsforschung: Oldenburger rühren die Werbetrommel
Der Hürdenlauf der Uni Oldenburg geht weiter: Nachdem der erste deutsche Bachelor-Master-Studiengang für Medizin genehmigt wurde, geht es jetzt ums Geld. Rund 25 Millionen Euro sind aufzutreiben. Die Initiatoren sehen gute Bedingungen für die Versorgungsforschung.
Veröffentlicht:Den offiziellen Worten müssen jetzt Taten folgen: Nachdem der Wissenschaftsrat im vergangenen Jahr der "European-Medical-School Oldenburg Groningen" (EMS) zugestimmt - trotz harscher Kritik von Ärztekammern und dem medizinischen Fakultätentag - geht es nun um die Finanzierung.
Inoffiziell ist die Rede von 20 Millionen Euro, die das Land zahlen müsste und von rund fünf weiteren Millionen, die Banken, Wirtschaft und Versicherungen im Nordwesten als Sponsoring zuschießen könnten.
Auch eine eigene Stiftung des Fördervereins könnte für Zuschüsse sorgen. "Die Stiftung könnte Professuren finanzieren und einen Teil der Investitionen anfinanzieren", sagte Rudolf Mintrop, Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg, das einen Teil der neuen Uni-Klinik stellen soll.
Während in Hannover und Oldenburg noch diskutiert wird, wie und wann und von wem das Projekt genau finanziert wird, sehen die Initiatoren mit der EMS einen gesundheitswirtschaftlichen Frühling für die Region heraufziehen und rührten in Oldenburg kräftig die Werbetrommel. Denn ein bisheriger Nachteil könnte sich als größter Pluspunkt herausstellen: die Lage der Region.
Das meint jedenfalls Dr. Gerd Pommer, Vorsitzender des Vereins der "Freunde und Förderer der Universitätsmedizin Nordwest", der die EMS unterstützt. Ostfriesland, Ammerland, Butjadingen oder Wesermarsch, in der Mitte die kleine Großstadt Oldenburg - viel Gegend und viel Wiese.
Der Nordwesten der Republik hat seit jeher zu kämpfen, Wirtschaftskraft zu binden. Die Region galt und gilt vielen Investoren als wenig reizvoll. "Aber zum Beispiel für die medizinische Versorgungsforschung ist die Lage ideal!", erklärte Pommer. Die Versorgungsforschung soll neben der Neuro-Sensorik ein Schwerpunkt der EMS werden.
Begrenzt durch die See im Norden, die Weser im Osten und Holland im Westen leben in der Region 2,8 Millionen Menschen. "Das ist ein ungewöhnlich geschlossener Bereich", so Pommer, "in dieser Insel-Situation vielleicht nur vergleichbar mit Schleswig Holstein."
Die Bevölkerung werde im Nordwesten mit minus 2,8 Prozent zudem voraussichtlich deutlich weniger schrumpfen als im Rest der Republik (minus 5,7 Prozent), erklärte Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Zugleich werde die Zahl der erwarteten stationären Fälle zwischen 2009 und 2030 steigen, und zwar um 12,8 Prozent, während dieser Wert in ganz Deutschland nur um 7,1 Prozent steigen werde. Schon jetzt arbeiten in Niedersachsen 13 Prozent aller Beschäftigten im Gesundheitswesen, das ist deutschlandweit der größte Anteil, hieß es.
Die Universitätsmedizin würde Oldenburg und der Region eine große Chance bieten, folgert der Wirtschaftsfachmann. Das Beispiel des Klinikums Saarbrücken demonstriere den positiven wirtschaftlichen Effekt eines Krankenhauses.
Dort löste ein Euro Wertschöpfung des Klinikums nochmals 40 Cent Wertschöpfung in der Stadt beziehungsweise 60 Cent im Saarland aus, so Augurzky. Gewiss seien die Zahlen nicht eins zu eins übertragbar, aber sie veranschaulichten die Größenordnung, hieß es.
Zur Finanzierung des neuen Studienganges erklärte die Ärztekammer Niedersachsen - eine erklärte Gegnerin der EMS-Idee - wirtschaftliche Benefits durch die EMS seien zwar zu begrüßen.
Allerdings: Die Landesförderung für die European Medical School dürfe nach Ansicht der ÄKN-Präsidentin Dr. Martina Wenker "nicht zu Lasten der anderen beiden medizinischen Fakultäten Niedersachsens in Hannover und Göttingen gehen", so der Kammer-Sprecher, Jörg Blume, zur "Ärzte Zeitung".
Aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) war wenig Konkretes zur Finanzierung zu hören. "Wir warten noch auf das Finanzierungskonzept der Universitäten", erklärte der Sprecher des MWK, Rüdiger Fischer.
Weder mochte er die Summe von 20 Millionen Euro bestätigen noch den Start des Projektes Ende 2012. Allerdings: "Das Geld für die neue Fakultät kann nicht allein aus Umschichtungen kommen." Im Übrigen verweist Fischer darauf, "dass auch die Universität nicht bei null anfängt." Soll offenbar heißen: Auch die Uni soll umschichten.
Im vergangenen Herbst hatte der Wissenschaftsrat der EMS nur unter einer Bedingung zugestimmt: Zwar wird es in Oldenburg und Groningen, den Bachelor- und Master-Studiengang Medizin geben. Aber die Examina an der deutsch-holländischen Grenze werden unterschiedlich sein: In Oldenburg müssen die Studierenden das Staatsexamen alter Prägung ablegen, den Master-Abschluss dagegen gibt es nur in Groningen.