RKI-Präsident Wieler warnt
„Jede Antibiotikatherapie führt zu Resistenzen“
Am Thema Antibiotikaresistenzen kommt auch der World Health Summit in Berlin nicht vorbei. Vor Ort appellierte der RKI-Präsident Professor Lothar H. Wieler: Ärzten wie Patienten müsse stärker bewusst werden, dass jede Antibiotikatherapie zu Resistenzen führt.
Veröffentlicht:Berlin. Der globale Aktionsplan gegen Antibiotikaresistenzen ist noch zu sehr auf die Entwicklung neuer Antibiotika fokussiert, hieß es beim World Health Summit in Berlin.
Mit neuen Substanzen wird im weltweiten Kampf gegen die Resistenzbildung aber nur Zeit erkauft, weil Mikroben auch gegen die neuen Medikamente schnell wieder Abwehrmechanismen entwickeln und resistent werden.
Dem lasse sich nur mit einer peniblen Regulierung des Einsatzes („governance“) der Antiinfektiva begegnen. Und da ist noch viel zu tun: „In vielen Ländern der Welt kann sich jedermann immer noch jedes verfügbare Antibiotikum in einer Apotheke beschaffen“, hieß es bei dem Kongress zur globalen Gesundheit in Berlin.
Wieler: Schlüsselrolle für niedergelassene Ärzte
Das Problem macht auch vor Deutschland nicht halt, denn zum Beispiel von Reisen bringen Menschen gefährliche resistente Keime auch zu uns. Es ist daher von großem Interesse, die Wirksamkeit der verfügbaren Substanzen bei uns zu erhalten.
Niedergelassenen Ärzten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Sie verordnen 85 Prozent der bei uns in der Medizin eingesetzten Antibiotika, wie Professor Lothar H. Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), zur „Ärzte Zeitung“ gesagt hat.
„Den Medizinern und auch den Patienten muss stärker bewusst werden, dass jede Antibiotikatherapie zu Resistenzen führt“, betonte Wieler.
Und: Antibiotika sind Medikamente, die nicht nur die Gesundheit eines Einzelnen, sondern immer auch die Gesundheit von Mitmenschen beeinflussen können. Denn die bei der Therapie entstandenen resistenten Keime können danach auch auf Menschen in der Umgebung übergehen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) widme sich auf vielen Ebenen einer verbesserten Verwendung von Antibiotika, berichtete der RKI-Präsident. Da sind zunächst die Antibiotika-Resistenz- und -Verbrauchs-Surveillance (ARS und AVS).
Die dabei in Praxen, Kliniken und Labors gesammelten Daten geben ein Bild darüber, wie viele Tagesdosen bei welchen Indikationen oder Eingriffen verwendet werden. Ausgehend von einer „Benchmark“ können dann Schwachstellen adressiert werden.
RKI arbeitet an Möglichkeiten der Prävention
In den Gremien KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) und STIKO werden evidenzbasiert Möglichkeiten der Prävention erarbeitet. Das Gremium ART (Antibiotika Resistenz und Therapie) soll zudem Defizite bei Antibiotika-Empfehlungen in Leitlinien aufdecken und zum Beispiel klare Aussagen dazu einfordern.
Wichtig sind zudem die regionalen MRE-Netzwerke („multiresistente Erreger“) in denen sich Kassen, Gesundheitsämter, Kliniken und Niedergelassene zu Resistenzproblemen austauschen.
All diese Aktivitäten sind Teil der „DART 2020“ – der 2015 von der Regierung verabschiedeten Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie. Dabei steht die sektorübergreifende Kooperation bei den Maßnahmen im Vordergrund.
DART
- DART steht für Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie
- Die DART 2020 bündelt Maßnahmen, die zur Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen erforderlich sind. Dabei steht die sektorübergreifende Zusammenarbeit (One-Health-Ansatz) im Vordergrund.
Das Bundesministerium für Gesundheit informiert über die Ziele von DART 2020 im Einzelnen.
Moderne Medizin ohne wirksame Antibiotika nicht möglich
Ohne wirksame Antibiotika sei eine moderne Medizin nicht möglich, betont Wieler. Auch Deutschland müsse zum Erhalt der Wirksamkeit der Antiinfektiva beitragen. Dass dabei noch Luft nach oben ist, zeige die Tatsache, „dass in Deutschland die Zahl der nosokomialen Infektionen pro Einwohner über dem europäischen Durchschnitt liegt“, betonte Wieler abschließend.
Der Anteil der Patienten, die während eines Krankenhaus-Aufenthaltes eine Infektion bekommen, ist in Deutschland allerdings niedriger als im EU-Durchschnitt.