Stärkungsgesetz
KBV und Kassen fürchten den "kleinen Staatskommissar"
Die Regierung zieht mit dem Selbstverwaltungsstärkungsgesetz die Zügel an: Kassen sehen sich zu Unrecht geprügelt, die KBV warnt vor der Aushöhlung der Selbstverwaltung.
Veröffentlicht:BERLIN. KBV und Kassen sind auf das geplante Selbstverwaltungsstärkungsgesetz nicht gut zu sprechen. Sie fürchten, mit dem Gesetz stehe der "kleine Staatskommissar" in der Tür. Am Montag hat der Gesundheitsausschuss zur Anhörung geladen – die Stimmung dürfte schlecht sein.
Die Bundesregierung reagiert mit dem Gesetzesvorhaben insbesondere auf die Missstände in der KBV. Entsprechend vergrätzt sind GKV-Spitzenverband und Kassenverbände. Die Arbeit des Spitzenverbands habe "keinen Anlass für einen Ausbau der Aufsichtsrechte" gegeben, heißt es. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände spricht sogar von "Sippenhaft" und moniert, es entstehe im Sozialwahljahr 2017 der "fatale Eindruck", überall in der Sozialverwaltung müssten Fehlentwicklungen korrigiert werden.
Aus Sicht von Franz Knieps, Chef des BKK-Dachverbands und ehemaliger Abteilungsleiter im BMG, ist das Gesetz eine "Überreaktion". Hier zeige sich die Gewohnheit der Politik, "Probleme erst anzupacken, wenn deren Lösung überfällig ist", sagt Knieps der "Ärzte Zeitung".
Unterdessen bemühen sich Kassen, argumentativ eine Brandmauer zur KBV zu ziehen: In ihren Verwaltungsräten agierten Versicherte und Arbeitgeber im Rahmen der Sozialpartnerschaft, "andere Spitzenorganisationen" hingegen verträten "die berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder". Der AOK-Bundesverband moniert, durch das Gesetz würden die einzelnen Sozialversicherungsträger unterschiedlich behandelt – Deutsche Rentenversicherung und Gesetzliche Unfallversicherung sind davon nicht erfasst.
Im Vergleich zum Referentenentwurf hat die Kabinettsfassung die Eingriffstiefe des Gesetzes deutlich zurückgenommen, gesteht auch der GKV-Spitzenverband ein. Dadurch habe sich "das Risiko, dass die Rechtsaufsicht zu einer Fachaufsicht weiterentwickelt (...), weitestgehend reduziert". Gesundheitspolitiker der Koalition hatten bereits bei der ersten Beratung des Gesetzes Mitte Dezember signalisiert, dass eine Fachaufsicht von ihnen nicht gewünscht werde.
BKK-Verbandschef Knieps hält das für Wortgeklingel. Insbesondere für kleinere Kassen seien Prüffrequenz, -dichte und -umfang durch die Aufsicht zu einer wirtschaftlichen Belastung geworden. Die Grenze zur Fachaufsicht werde überschritten, wenn "die Rechtsaufsicht auf eine Inhaltsbestimmung zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe hinausläuft", warnt er. Wenn die Politik inhaltlich in die Selbstverwaltung eingreifen wolle, solle sie "keine Nebenkerzen zünden, sondern die Fachaufsicht einführen und hierfür auch die juristischen Konsequenzen einschließlich der Haftung ziehen", fordert Knieps.
Besonders wurmt die Körperschaften in der Kabinettsfassung aber der "kleine Staatskommissar" in Gestalt der "entsandten Person für besondere Angelegenheit". Dieser staatliche Kontrolletti kann in Aktion treten, wenn eine "Gefährdung der ordnungsgemäßen Verwaltung" gegeben ist. Allerdings fehlt eine eindeutige Definition dieses Eingriffskriteriums. Mit dieser Vorschrift werde "die Rechtsaufsicht in unzulässiger Weise in eine Fachaufsicht umgewandelt", empört sich die KBV. Der AOK-Bundesverband warnt hier vor einem "massiven Eingriff in die Geschäftsführung", da angesichts der Gesetzesnorm der Gesandte "mit jeder beliebigen Aufgabe des GKV-Spitzenverbands betraut werden könne.
Interessant ist die Kommentierung der Vorschrift, die der KBV künftig ein drittes Vorstandsmitglied aufnötigen soll. Damit würde ein Konflikt befördert, "den es im realen Versorgungsgeschehen gar nicht gibt", erklärt die KBV. Im Vorstand der KBV "gibt und gab es keinen Hausarzt-Facharzt-Konflikt", heißt es. Das dritte Mitglied im Vorstand darf laut Gesetzentwurf weder dem fach- noch dem hausärztlichen Lager angehören.
Den Holzhammer sehen die Verbände auch in der Möglichkeit, Zwangsgelder festzusetzen – etwa, wenn Körperschaften nicht Verfügungen der Aufsicht nachkommen. Bisher drohte hier ein Zwangsgeld von maximal 25.000 Euro. Künftig könnten es bis zu zehn Millionen Euro sein. Diese Erhöhung um das Vierhundertfache stehe "außerhalb jeder Verhältnismäßigkeit", kommentiert die KBV.
Das Verhältnis der selbstverwalteten Körperschaften zu ihren Aufsichten wird "zunehmend schwieriger", resümiert Knieps. Das habe Folgen, wenn es um die Genehmigung "innovativer Wege zur wettbewerblichen Differenzierung der Krankenkassen" gehe, warnt der BKK-Verbandschef.
Der Bundestag will schon Ende Januar das Gesetz abschließend beraten. In Kraft treten soll es dann im März.