Terminservice

KVen sollen viel Spielraum erhalten

Die Koalition will keine Terminservicestellen nach einheitlichem Muster. Damit verlagern Union und SPD das Problem zurück auf die regionale KV-Ebene. Doch die Vier-Wochen-Frist soll allen Protesten zum Trotz im geplanten Gesetz stehen.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Wartezeiten: Das Ausmaß des Problems ist umstritten.

Wartezeiten: Das Ausmaß des Problems ist umstritten.

© Yantra /fotolia.com

BERLIN. Bei der Etablierung von Terminservicestellen sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen weitgehend freie Hand bekommen. Patienten sollen binnen vier Wochen einen Termin beim Facharzt erhalten - diese Forderung der Koalition steht weiter im Raum. Terminservicestellen nach einem fixen, bundeseinheitlichen Zuschnitt soll es aber nicht geben.

"Wir als Politik setzen nur den klaren zeitlichen Rahmen", sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, der Nachrichtenagentur dpa.

Er bezeichnete es als "klug", wenn die konkrete Regelung in den Regionen entwickelt werde. Im Koalitionsvertrag ist die Einrichtung von zentralen Terminservicestellen noch als Pflichtveranstaltung für die KVen definiert worden.

Jüngste Äußerungen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) haben erkennen lassen, dass allein der Prügel einer möglichen gesetzlichen Lösung die Suche nach Regelungsmodellen motiviert hat.

So wurde betont, die KVen könnten bei den Servicestellen mit den Kassen zusammenarbeiten, sagte Gröhe jüngst der "Rheinischen Post". Wenn Ärzte selbst die Regelung in die Hand nähmen, würden die Terminvermittlungsstellen wenig zu tun haben, war sein Tenor.

Damit bewegt sich die Koalition in diesem umstrittenen Projekt auf die Ärzteschaft zu. Allerdings steht weiter die Vier-Wochen-Frist im Raum. Noch im Juni war die KV Thüringen beim Bundesgesundheitsministerium vergeblich mit dem Vorschlag aufgelaufen, die zeitliche Vorgabe für einen Termin beim Facharzt solle nur "in der Regel" gelten.

Teil des Problems ist auch die geteilte Wahrnehmung zwischen KV-Vertretern einerseits und Politikern und Kassenvertretern andererseits, wie ausgeprägt Wartezeiten überhaupt sind. Gesundheitsminister Hermann Gröhe ist in Interviews einer klaren Antwort ausgewichen und hat die Datenlage als "uneinheitlich" bezeichnet.

Der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen sagte der dpa, dass zwei Drittel der Patienten bisher binnen zwei bis drei Tagen einen Termin bei ihrem Wunscharzt erhalten würden. Erfolge hingegen eine Verteilung der Arzttermine künftig "rigide" über eine Servicestelle, "dann ist die freie Arztwahl plötzlich weg".

Die langsame Rückzugsbewegung der Koalition dürfte auch dadurch motiviert sein, dass seitens der Ärzteschaft heterogene Signale kommen. Ärzte-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery hatte bereits Ende des Jahres das Instrument der Expressüberweisung in die Diskussion gebracht.

Der Deutsche Ärztetag lehnte Ende Mai exakt diesen Vorschlag als "untaugliches Instrument" ab. Expressüberweisungen schafften neue Bürokratie und könnten Konflikte zwischen Ärzten und Patienten auslösen.

In Mecklenburg-Vorpommern haben Ärzte seit 2008 Erfahrungen mit A- und B-Überweisungen gesammelt. Patienten mit hochakuten Erkrankungen erhalten eine A-Überweisung und werden innerhalb eines Werktages vom Facharzt übernommen.

Bei B-Terminen erhalten Patienten binnen einer Woche eine Konsultation. Nach Aussage der KV Mecklenburg-Vorpommern könne durch dieses Modell zwischen "der gefühlten Dringlichkeit einer Behandlung und der tatsächlichen medizinischen Dringlichkeit unterschieden" werden.

Am Mittwoch will die KBV neue Ergebnisse der Versichertenbefragung vorstellen - ein Thema dabei werden die Wartezeiten sein. Die Forschungsgruppe Wahlen hat im Auftrag der KBV dazu 6000 Bürger befragt.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 28.07.201414:47 Uhr

Was ich wirklich bis zu den Haarspitzen satt habe, ...

dass die Bundesregierung, die CDU/CSU- und die SPD-Fraktionen bzw. der Spitzenverband (SpiBu) der GKV-Kassen bei den Hausärztinnen und Hausärzten, die innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung als Vertragsärzte permanent präsent sind, "demagogisches Weglassen" praktizieren.

Es wird mit k e i n e m einzigen Wort erwähnt, dass in Deutschland, gleich ob Privat- oder GKV-Kassen-Versicherte, im h a u s ä r z t l i c h e n Primär-Versorgungsbereich j e d e r Akut-Patient taggleich oder binnen 24 Stunden einen Termin bekommt. Gleiches gilt für die Notfall-, Wochenend- und Nachtdienst-Versorgung in Kliniken, Krankenhaus-Ambulanzen und Bereitschaftsdienst-Praxen bzw. Fahrdiensten in Stadt und Land.

Dafür stehen private, familiäre, kulturelle, freundschaft- und gesellschaftliche Termine zurück, gehen Arzt-Ehen auseinander, leiden die Kinder und Enkelkinder, dürfen Ärztinnen und Ärzte auf Grund gesetzlicher Vorgaben n i c h t zu Gerichts-Schöffen gewählt werden: Weil es immer wieder Patienten gibt, die auf den letzten Drücker, oft mit wochen- bis monatelang aufgeschobenen Beschwerden am hausärztlichen Praxiseingang oder Privathaus klingeln, und selbst dann nicht mehr abgewiesen werden können, wenn die Sprechzeiten schon längst vorbei sind. Auch auf Partys oder Festen scheuen sich manche Zeitgenossen nicht, blitzartig Schuhe und Strümpfe auszuziehen, um dermatologische Altbefunde mit Sekundäreffloreszenzen vorzuzeigen, oder Hosenbeine hochzuziehen, um angeblich von drei Fachärzten verpfuschte Krampfaderoperationen zu präsentieren. Weiterführende Untersuchungen bis zum Ganzkörperstatus werden in den weniger frequentierten Nebenräumen erwartet.

Fragen nach gesundheitsfördernden und krankheitsvermeidenden Ess-, Trink- und Lebensgewohnheiten werden mit lauter Selbstverständlichkeit gestellt, bzw. verstummen nur bei der Aufforderung, endlich mit Rauchen, Saufen und unkontrollierbarer Völlerei bei Adipositas permagna aufzuhören.

Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands Dr. med. Ulrich Weigeldt hat völlig Recht, "eine Umkehr im Denken und Handeln" zu verlangen. In einer immer älter werdenden Gesellschaft werden vor allem Hausärzte gebraucht. "Wir brauchen viel mehr Nachwuchs", betont Kollege Weigelt. Heute arbeiteten viele Hausärzte 58 Stunden und mehr pro Woche. Das sieht der hausärztliche Nachwuchs im krassen Missverhältnis zur eigentlich intendierten, positiven "work-life-balance" und unvereinbar mit Familie, Beziehungen, Freundschaften und Hobbies.

Als niedergelassene Vertrags-Ärzte arbeiten nach BÄK-Statistik (Stand 31.12.2013) nur noch 123.600 Kolleginnen und Kollegen für knapp 81 Millionen Einwohner in Deutschland. Früher waren es mehr. Zu meinem Staatsexamen 1975 an der Freien Universität Berlin und mit Beginn meiner Kliniktätigkeit in Bochum waren knapp 70 Prozent der "Kassenärzte" rein hausärztlich tätig und gut 30 Prozent Fachärzte. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Haus- und "Vertragsarzt" 1992 arbeiteten etwa 60 Prozent primär- und 40 Prozent fachärztlich. Jetzt, im Jahr 2014, beträgt der Anteil an Fach- und Spezialärzten innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schon deutlich über 60 Prozent. Der Anteil der Hausärzte von unter 40 Prozent schwindet auf dem Land, aber auch in den Ballungszentren mit sozialen Brennpunkten und Randlagen überproportional bzw. lässt sich oft anteilig an der Gesamt-Versorgung gar nicht mehr beziffern, weil sich dort Fachärzte überhaupt nicht erst niederlassen wollen.

Die Politik, gleich welcher Couleur, hat in Sonntagsreden bisher immer Loblieder auf die guten alten Hausärztinnen und Hausärzte gesungen, die ihr "Licht n i c h t zu sehr unter den Scheffel stellen" sollten. Die GKV-Kassen waren froh, dass Primär-Ärzte die medizinische und psychosoziale Grundversorgung für geringste Quartalspauschalen auf eigenes Risiko als Selbstständige sicherstellen, mit 24-Stunden- und Wochenend-Präsenz. Doch in der Realität,

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