Diskussion um Upcoding

Kassen-Aufsicht schwingt Keule gegen Tricks bei Kodierungen

Das Bundesversicherungsamt kündigt schärfere Prüfungen an und nimmt Betreuungsstrukturverträge unter die Lupe. Kassenchefs sollten am besten die Sünden der Vergangenheit selber melden – dann fallen die Strafen geringer aus.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BONN/BERLIN. Das Bundesversicherungsamt (BVA) verschärft sein Vorgehen gegen Kassen, um die unzulässige Beeinflussung von Diagnosedaten zu verhindern. Der Bundestag hat an das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HVVG) eine Regelung angedockt, mit der Manipulationen des Risikostrukturausgleichs verhindert werden sollen.

Nach Inkrafttreten des HHVG Mitte April appellierte BVA-Präsident Frank Plate zunächst noch freundlich an die Krankenkassen: "Jede Kasse ist mitverantwortlich für das Erscheinungsbild der Gesetzlichen Krankenversicherung und für das Vertrauen der Versicherten in das Versorgungssystem." Doch jetzt holt die Kassenaufsicht die Peitsche raus.

Keine zusätzliche Ärzte-Vergütung

Am vergangenen Donnerstag wurde Plate in einem Schreiben an die Kassenvorstände deutlicher: Krankenkassen sei es nur in den gesetzlich geregelten Fällen erlaubt, Vertragsärzte zu beraten –  etwa in Fragen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Paragraf 305a Satz 1 SGB V. Aber auch in diesem Fall gelte: "Diese Beratung darf sich nicht auf den Einzelfall der Vergabe von Diagnosen beziehen", stellte Plate in dem Schreiben klar, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Zudem warnt der BVA-Chef: "Zusätzliche Vergütungen für Diagnosen sind ausgeschlossen und laufen dem Willen des Gesetzgebers zuwider."

Doch die Kassen-Aufsicht belässt es nicht bei Worten. Das BVA prüft auf Basis von Paragraf 273 SGB V Diagnosekodierungen und kann Korrekturbeträge gegen Kassen verhängen. Diese Strafaufschläge fließen dann in den Gesundheitsfonds. "Das BVA wird diese Prüfungen ausweiten", sagte Vizepräsidentin Sylvia Bohlen-Schöning der "Ärzte Zeitung". Ihre Behörde erwarte, dass die Kassen ihren gesetzlichen Pflichten zur Mitwirkung bei der Aufklärung nachkommen. Anderenfalls werde das BVA "von der ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Erhebung eines Zwangsgeldes Gebrauch machen", so die BVA-Vizechefin. Kassen können zu Strafen von bis zu zehn Millionen Euro verdonnert werden, wenn sie Auskünfte nicht vollständig oder nicht fristgerecht an das BVA liefern.

Ausdrücklich aufgefordert werden die Kassenvorstände, auch in der Vergangenheit an das BVA gelieferte Datenbestände zu durchforsten. "Sollte dies nicht der Fall sein, lege ich Ihnen nahe, uns über die fehlerhaften Datenmeldungen zu informieren", warnt Plate. Ein solches Whistleblowing in eigener Sache kann das BVA mit verringerten Strafzahlungen oder dem völligen Verzicht darauf honorieren.

Betreuungsstrukturverträge im Fokus

Ein Dorn im Auge sind der Kassen-Aufsicht insbesondere die Betreuungsstrukturverträge. Über dieses Vehikel ist in der Vergangenheit versucht worden, Einfluss auf das Kodierverhalten der Vertragsärzte zu nehmen. Alle diese Verträge hat die Bonner Behörde mittlerweile angefordert und prüft sie Zug um Zug auf ihre Rechtskonformität. Gibt es daran Zweifel und zeigen sich die Kassen zögerlich bei der Anpassung, "dann wird das BVA formelle Aufsichtsmittel ergreifen", erläutert BVA-Sprecher Tobias Schmidt.

Sich angesprochen fühlen von der neuen Linie sollen sich auch Kassen, die unter Länderaufsicht stehen. Behörden-Chef Plate kündigt in dem Schreiben an, am 13. Juni solle bei einem Treffen mit Länderaufsichtsbehörden ein bundesweit einheitliches Vorgehen vereinbart werden.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte im Oktober 2016 Jens Baas, Chef der Techniker Kasse. In einem viel beachteten Interview hatte Baas flächendeckendes Upcoding beklagt, dem sich keine Kassen entziehen könne.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Krankenkassen: Così fan tutte gilt nicht mehr

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