Strukturwandel im Saarland
Klinik schließt, Senioren-Quartier kommt
Im Streit um Klinikschließung im Saarland liegen die Nerven blank. Kann ein zentraler Gesundheitspark Ersatz bieten?
Veröffentlicht:SAARBRÜCKEN. Die angekündigte Schließung eines kleinen Krankenhauses sorgt im Saarland seit Wochen für heftige Diskussionen und schlägt auch politische Wellen. Die Gegner sehen mit dem Aus für das St.-Elisabeth Krankenhaus in der nordsaarländischen Stadt Wadern mit ihren knapp 16.000 Einwohnern die medizinische Versorgung im Hochwald in Gefahr und fordern den Erhalt des 69-Betten-Hauses. Gleichzeitig wird aber bereits intensiv über Ersatzlösungen beraten.
Was auf den ersten Blick wie eine typisch lokale oder bestenfalls regionale Auseinandersetzung aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Gemengelage unterschiedlicher Konfliktebenen und tiefer gehender Entwicklungen.
Zur Vorgeschichte: Die Marienhaus GmbH als Träger hatte 1983 in Wadern einen Neubau geschaffen und den alten Trakt zu einem Seniorenheim umfunktioniert. Seit 1997 wird das Haus gemeinsam mit der Nachbarklinik in Losheim geführt. 2016 entstand schließlich der träger- und länderübergreifende Klinikverbund Hochwald-Saar, dem zusätzlich das ebenfalls zu Marienhaus gehörende St. Josef-Krankenhaus im rheinland-pfälzischen Hermeskeil und das Caritas-Krankenhaus Lebach angehören. Pläne zum Bau einer größeren zentralen Klinik im Nordsaarland, für die sich bereits mehrere Kommunen als möglicher Standort empfohlen hatten, wurden ad acta gelegt.
Deutlich schlechtere Bedingungen
Keine sieben Monate nach Vorstellung des Klinikverbundes vor einem größeren Kreis im saarländischen Gesundheitsministerium kam dann der Paukenschlag: Wie Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) versichert, sei sie Anfang Juni ohne Vorwarnung von der Entscheidung der Marienhaus-Unternehmensgruppe informiert worden, die Klinik in Wadern schrittweise zum Jahresende zu schließen. Grund sei ein jährliches Defizit von etwa 2,5 Millionen Euro.
Der Fehlbetrag resultiere "nicht zuletzt aus den deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen, mit denen insbesondere kleine Krankenhäuser zu kämpfen haben" – so die Erklärung des Trägers. Zugleich versicherte Marienhaus, man werde, "wenn eben möglich", bei den rund 190 Arbeitnehmern auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Auf dem Gelände wolle man ein Senioren-Quartier mit Tagespflege, Sozialstation, Arztpraxen und altersgerechten Wohnungen errichten.
Die Reaktionen aus Gemeinde und Politik ließen nicht lange auf sich warten: Die Ministerin bedauerte pflichtschuldig die Schließung, empörte sich über die kurzfristige Entscheidung und das Vorgehen. Sie wies aber auch auf die Probleme der zersplitterten Krankenhauslandschaft mit 22 Kliniken im Saarland hin und setzte eine Task Force ein, um auch künftig eine gute medizinische Versorgung in der Gegend um Wadern zu sichern. Außerdem wurde ein Sondergutachten in Auftrag gegeben, das das Hauptgutachten für den zum Jahreswechsel fälligen neuen Krankenhausplan ergänzen soll.
Die Oppositionsparteien reagierten wie zu erwarten: Die Linke forderte die Erhaltung der Klinik, die Grünen sogar einen Ausbau, die AfD sieht die Akutversorgung der Menschen nicht mehr gewährleistet und stellte die staatlichen Hilfen für die Kirchen in Frage.
In einer unbequemen Lage ist die SPD. Die Landesvorsitzende und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger sitzt mit CDU-Kollegin Bachmann gemeinsam am Kabinettstisch und müsste eigentlich eine weitere Konzentration mit Wohlwollen betrachten. Nun ist aber ausgerechnet Wadern ihr Heimatort, sie ist auch Chefin des SPD-Kreisverbandes und ihr Mann, stellvertretender Vorsitzender des Saarländischen Hausarztverbandes, betreibt in einem Ortsteil eine große Hausarztpraxis. Ihre Hoffnung, dass sich ein anderer Träger für die ihr am Herzen liegende Klinik findet, erwies sich schnell als vergebens.
Bereitschaftsdienstpraxis gefordert
Tatsächlich befand sich das Haus schon lange in einer Abwärtsspirale. Die Zahl der Planbettenzahl – im Jahr 2000 immerhin noch 144 – wurde immer mehr reduziert, und die Belegung war zuletzt wenig berauschend. Die Transporte durch den Rettungsdienst, bei denen Patienten und Angehörige mitreden, steuerten meist andere Ziele an. Die Fahrtzeit zu den drei anderen Standorten des Verbundes beträgt selbst bei Einhaltung aller Verkehrs- und Geschwindigkeitsregeln normalerweise unter 25 Minuten. Zudem wird die Rettungsleitstelle noch dieses Jahr in Wadern einen Notarzt stationieren.
Forderungen aus der Politik, die Situation durch Einrichtung einer Bereitschaftsdienstpraxis zu entschärfen, schob die KV Saarland mit Hinweis auf die kurzen Wege zu weiteren Grundversorgern umgehend einen Riegel vor. Eine Ausweitung der bestehenden 13 Bereitschaftsdienstpraxen, für die man im Schnitt jährlich 120.000 Euro ausgebe, sei medizinisch derzeit nicht geboten, erklärte die KV.
Geht es um die künftige Nutzung des Klinikgeländes, werden vor allem den Plänen des umtriebigen Bürgermeisters Jochen Kuttler von der freien Partei ProHochwald Chancen eingeräumt. Kuttler will einen Gesundheitspark entwickeln und hat sich dazu auch in der Eifel-Stadt Neuerburg umgehört. Dort hatte Marienhaus ebenfalls eine kleine Klinik aufgegeben und danach auch mit einem Gesundheitszentrum Schiffbruch erlitten.
Ein Pionier wird gerufen
Wie Neuerburg setzt nun auch Wadern Hoffnungen auf den Sauerländer Ingo Jakschies als einem erfolgreichen Pionier vernetzter Versorgungsketten. Der gelernte Betriebswirt mit Erfahrung in Krankenhausverwaltungen hat in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Balve rund um ein geschlossenes Krankenhaus einen "Gesundheitscampus" mit aus der Taufe gehoben, an dem eine Bürgerstiftung ebenso beteiligt ist wie private Kommanditisten. Unter den Ärzten gibt es sowohl Inhaber von regulären Kassensitzen wie auch ein MVZ und eine Filialpraxis. Ein zentrales Element für den Erfolg war laut Jakschies der Dialog mit den niedergelassenen Hausärzten vor Ort, die inzwischen auch Gesellschafter seien. Ob es auch in Wadern gelingt, Niedergelassenen genügend Anreize zum Umzug in einen Gesundheitspark oder zumindest zur Eröffnung einer Filialpraxis zu bieten, ist nicht abzusehen. Unschwer zu bemerken ist aber die heimliche Erleichterung über die Schließung des Krankenhauses bei vielen Politikern, bei den Krankenkassen und auch bei einigen Konkurrenzhäusern, die auffallend still geblieben sind.
Dennoch geht bei ihnen weiter die Angst um, selbst früher oder später finanziell unter die Räder zu kommen. Dies gilt vor allem für Marienhaus-Kliniken. Der katholische Konzern hatte viele kleine Häuser im ländlichen Raum übernommen, die teils schon lange auf der Kippe standen. Offenbar vollzieht sich nun bei dem großen Krankenhausträger mit 32 Standorten in vier Bundesländern nach einem Wechsel an der Spitze eine Neuausrichtung von einer rein karitativen Sichtweise hin zu einem stärker betriebswirtschaftlichem Handeln.
Doch auch bei anderen Trägern verschärfen sich die Sorgen nicht nur wegen der GBA-Reglementierungen, sondern auch seit der Ankündigung der Landesregierung, bei der bevorstehenden Neufassung des Krankenhausgesetzes als erstes Bundesland stationsbezogene Mindestzahlen für das Pflegepersonal vorzugeben. Öffentlich hört man nur Lob für dieses Vorhaben. Tatsächlich eröffnet sich damit aber auch ein neues, großes Konfliktfeld. Ob die sicher wünschenswerte bessere Pflegeausstattung tatsächlich über Rechtsverordnungen zulasten Dritter, nämlich der refinanzierenden Krankenkassen durchsetzbar ist, scheint Insidern nämlich zumindest fraglich.
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