Schwarz-Rot
Klinikreform schwächelt offenbar schon jetzt
Die Krankenhausreform sollte das große gesundheitspolitische Thema der großen Koalition werden. Doch die Schwierigkeiten sind größer als gedacht. Zwischen Bund und Ländern hakt es, aber auch zwischen Kassen und Kliniken.
Veröffentlicht:BERLIN. Sie gilt neben der Pflegereform als eines der Megathemen der Gesundheitspolitik - die Krankenhausreform. Einige Monate nach dem Start von Schwarz-Rot zeigt sich, dass diese Reform ein mühsames und langwieriges Geschäft wird.
Das wird mittelfristig auch die niedergelassenen Ärzte betreffen. Und zwar spätestens dann, wenn die Parameter Vor- und Nachbehandlung zur Bewertung der Klinikqualität regelhaft herangezogen werden können. Das deutet auch ein Gutachten zur Mengenentwicklung in den Krankenhäusern an.
Die Reform hat bereits begonnen. Bund und Länder treffen sich seit einigen Wochen zu Gesprächen, um bis Dezember Eckpunkte für ein Krankenhausreformgesetz festzuklopfen. Die Regierung hat zudem den Aufbau eines Qualitätsinstituts beschlossen, das Routinedaten sektorenübergreifend aufbereiten und in die politischen Entscheidungsprozesse einspeisen soll.
Knackpunkte in den von Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hinter verschlossenen Türen moderierten Gesprächen sind das Geld und die damit verbundenen Planungskompetenzen.
Allerdings scheinen die Positionen von Bund und Ländern noch weit auseinander zu liegen. Er glaube nicht mehr, dass sich das Grundverhältnis der Finanzierung verändern lasse, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), im Interview mit der "Ärzte Zeitung".
Die Länder in ihrer Gesamtheit lassen die Investitionsfinanzierung schleifen. Mindestens 2,7 Milliarden Euro im Jahr fehlen den Krankenhäusern für neue Gebäude oder die Anschaffung von Großgeräten. Dafür sind die Länder zuständig, während der Bund über die gesetzlichen Krankenkassen die Betriebskosten übernimmt.
Kassen wollen mehr mitbestimmen
Die Kassen würden gerne in die Bresche springen und den letzten Schritt zu einer monistischen Krankenhausfinanzierung gehen. "Aber dann wollen wir auch die Planungskompetenz", betont Barmer GEK-Vize Dr. Rolf Ulrich Schlenker. Ein Ansinnen, das die Länder als vergiftet zurückweisen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft dagegen hätte zumindest nichts gegen eine Beteiligung des Bundes an den Investitionskosten.
"In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Krankenhausreform muss der Konsens über die gemeinsame Verantwortung für die Zukunftssicherung der Krankenhäuser hergestellt werden. Dazu gehört insbesondere auch eine Beteiligung des Bundes am investiven Mehrbedarf in Höhe von circa drei Milliarden Euro", sagt dazu DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.
Auf mehr Einfluss auf die Krankenhausplanung pochen die Kassen unter anderem wegen des von ihnen lange gehegten Verdachts, die Kliniken würden die Ausfälle in der Investitionsfinanzierung durch ein Mehr an Operationen, eventuell medizinisch sogar unnötige Eingriffe wettmachen.
Ein Vorwurf, den die Krankenhäuser stets mit Verve zurückgewiesen haben: Grund für die nicht bestrittenen Mengenzuwächse sei die Alterung der Gesellschaft und die damit einhergehende Zunahme an Gebrechen sowie die Zunahme von Notfällen.
Viel Spielraum für Interpretationen
Beide Positionen sind inzwischen relativiert. Die Ergebnisse des "Forschungsauftrages zur Mengenentwicklung", den noch die schwarz-gelbe Koalition erteilt hatte, lassen viel Interpretationsspielraum.
So hat das Forschungsteam um Professor Jonas Schreyögg vom Hamburg Center for Health Economics und Professor Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin herausgefunden, dass es einen Zusammenhang zwischen Preis und Menge gebe. Verändern sich DRG-Gewichte, steige die Fallzahl.
Die Gutachter registrierten im Untersuchungszeitraum von 2007 bis 2012 bei eher planbaren Eingriffen wie der Spondylose große Fallzahlsteigerungen, während es bei akuten Diagnosen wie Herzinfarkt zu eher geringen Zuwächsen kam.
Die Antwort auf eine Veränderung der kostenunabhängigen Erlöse könne aus drei Komponenten bestehen, heißt es in dem Forschungsbericht. Bei gleichem medizinischen Befund können die Kliniken mehr (oder weniger) Patienten aufnehmen, sie in höher vergütete DRG kodieren oder mehr, weniger oder andere medizinische Prozeduren ausführen.
Die Forscher stellten gleichzeitig klar, dass die Analysen keine Aussage darüber erlaubten, ob das Verhalten der Kliniken und die Mengenentwicklung medizinisch indiziert waren oder nicht.
Blinde Flecken bleiben
Die Datenlage ist nach wie vor nur teilweise befriedigend. Die Wissenschaftler mussten der Selbstverwaltung im Vorfeld der Arbeiten sogar signalisieren, dass sie ihr Angebot zurückziehen würden, würden nicht genügend aussagefähige Daten zur Verfügung gestellt.
Erst daraufhin hätten sie Individualdaten von der Selbstverwaltung zur Verfügung gestellt bekommen, hat Professor Busse der "Ärzte Zeitung" mitgeteilt. Letztendlich hätten sie Zugriff auf alle 103 Millionen Abrechnungsdaten zwischen 2007 und 2012 zur Verfügung gehabt, sagt Busse.
Das sei eine hervorragende Forschungsumgebung gewesen und das System habe überhaupt erstmals so intensiv wie nie zuvor unter de Lupe genommen werden können.
Gleichwohl bleiben blinde Flecken, zum Beispiel die Indikationsqualität. Die Diagnosen der einweisenden Ärzte konnten nicht berücksichtigt werden, genauso wenig die Nachbehandlung im ambulanten Sektor, die für die Analyse möglicher Drehtüreffekte von Bedeutung ist.
Diese Daten werden künftig im neuen Qualitätsinstitut gebündelt und ausgewertet. Schreyögg und Busse empfehlen, die Daten ohne Einschränkungen für wissenschaftliche Zwecke freizugeben.
Nicht ohne Grund: Träger des Qualitätsinstituts sind die niedergelassenen Ärzte, die Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Krankenkassen.
Das Ausmaß an Transparenz bestimmen also diejenigen, die davon betroffen sein könnten. Das Qualitätsinstitut soll nach bisherigem Zeitplan 2016 seine Arbeit aufnehmen.