Nach Gutachten

Neue Debatte um Landarztquote

Wer zusagt, nach seiner Mediziner-Ausbildung für fünf Jahre als Arzt in einer unterversorgten Region zu arbeiten, soll bevorzugt einen Studienplatz erhalten. Das ist die Idee hinter der Landarztquote, die jetzt wieder heiß diskutiert wird. Ein neues Gutachten befeuert die Debatte.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Landarzt gesucht: Nach Ansicht von Staatsrechtlern ist eine Landarztquote an Universitäten mit der Verfassung vereinbar.

Landarzt gesucht: Nach Ansicht von Staatsrechtlern ist eine Landarztquote an Universitäten mit der Verfassung vereinbar.

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BERLIN. Die Landarztquote geistert seit geraumer Zeit durch die politische Debatte. Schon in den Eckpunkten des Versorgungsstrukturgesetzes aus dem Jahr 2011 findet sich dazu ein Ansatz.

Ein Jahr zuvor hatten die Gesundheitspolitiker der Union während einer Klausurtagung in Gronau eine Vorabquote für Medizinstudenten gefordert.

Wer sich bereit erkläre, nach dem Studium und der Weiterbildung für fünf Jahre in einer unterversorgten Region als Arzt zu arbeiten, solle bevorzugt einen Studienplatz erhalten und Stipendien von Bund und Land beziehen.

Auch die FDP war auf diesem Gleis. In ein Versorgungsgesetz hat sie es aber nicht geschafft.

Nun kommt die Landarztquote gestärkt auf die politische Bühne zurück. Sie beißt sich nicht zwingend mit dem Grundgesetz.

Das geht aus einem Gutachten hervor, das die Staatsrechtler Professor Mario Martini und Professor Jan Ziekow von der Universität Speyer im Auftrag von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erstellt haben (wir berichteten kurz).

Bildungspolitiker der Union haben das Ergebnis des Gutachtens herzlich begrüßt. "Das Gutachten sollte Anlass sein, die Einführung einer Landarztquote im Rahmen des Masterplans Medizinstudium 2020 zu prüfen und konkrete Vorschläge zur Einführung einer Quote zu entwickeln", sagte die in der Fraktion zuständige Berichterstatterin Katrin Albsteiger (CSU).

Mangelberuf Hausarzt

Die Perspektive der ambulanten hausärztlichen Versorgung ist düster. Noch gibt es einen mittleren hausärztlichen Versorgungsgrad in Deutschland von 108,6 Prozent. Missverhältnisse werden beim Blick auf die regionale Verteilung deutlich.

Schon heute fehlten vor allem außerhalb der Ballungsräume bis zu 2600 Hausärzte, stellen die Gutachter fest. Nur jeder zweite Arzt, der seine Praxis aufgebe, finde einen Nachfolger.

Schon in zehn Jahren könnten 20.000 Hausärzte in der Versorgung fehlen, hat der Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen ausgerechnet.

Es ist daher ein folgerichtiger Politikansatz, bereits im Studium die Weichen zu stellen. Das Gutachten aus Speyer hält es für gerechtfertigt, angehende Landärzte mit einer Verpflichtungserklärung bei der Zulassung zum Medizinstudium zu privilegieren.

Ein "Hausarzt light" soll so aber nicht geschaffen werden. "Die Verpflichtungserklärung darf kein Tauschgeschäft für unzureichende fachliche Eignung sein", schreiben Martini und Ziekow.

Für acht bis zehn Jahre sollen sich die Quoten-Studenten im Anschluss an Studium und Weiterbildung in als unterversorgt erklärten Regionen niederlassen. Dabei sollen sie ein Wahlrecht erhalten.

Die Zuweisung von Praxen wäre mit dem "geltenden ärztlichen Zulassungsrecht" nicht vereinbar. Eine Vertragsstrafe von bis zu 150.000 Euro halten die Staatsrechtler für angemessen, sollte ein privilegierter Student die Verpflichtungserklärung brechen. Eine Quote soll zudem anderen Interessenten den Zugang zum Medizinstudium nicht verstellen.

Ärzte schon seit 2010 gegen Landarztquote

Auf helle Begeisterung in der Ärzteschaft stößt die Landarztquote nicht. Bereits der 113. Ärztetag 2010 in Dresden hatte sich klar gegen eine Quote ausgesprochen. Die Ablehnung besteht bis heute.

"Ein solches Instrument würde Medizinstudierende in ihrer Lebensplanung und später bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes enorm einschränken", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery, am Dienstag der "Ärzte Zeitung".

Wichtig sei es, die Arbeitsbedingungen auf dem Land zu verbessern. Es nütze nichts, wenn sich Ärzte nach wenigen Jahren frustriert von dort zurückzögen.

Erst im vergangenen Jahr hatten sich die Medizinstudierenden des Hartmannbundes in einer Umfrage mehrheitlich gegen die Landarztquote ausgesprochen. Ein Grund ist das für Studenten der Allgemeinmedizin auch heute schon spürbare Reputationsverlustrisiko.

"Eine Landarztquote halte ich insofern für bedenklich, als dass sie - zumindest in der Wahrnehmung Dritter - die Gefahr eines Arztes zweiter Klasse birgt", sagte Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt der "Ärzte Zeitung".

Ärztevertreter wollen mehr Lehrstühle und Studienplätze

Ganz praktische Probleme skizziert der Vorsitzende des Hausärzteverbands. "Junge Menschen sollen sich mit 18 Jahren zu einer Tätigkeit verpflichten, die sie voraussichtlich erst in 15 Jahren aufnehmen", sagte Ulrich Weigeldt am Dienstag der "Ärzte Zeitung.

Das halte er für problematisch. Es sei zudem nicht klar, wie die Bedarfsplanung und die Unterversorgung im Jahr 2035 aussähen. "Was ist dann ein Landarzt?", fragte Weigeldt.

Alle Ärztevertreter sprechen sich für mehr Lehrstühle und mehr Studienplätze für Allgemeinmedizin aus. Zudem müsse die Allgemeinmedizin stärker in das Gesamtstudium integriert werden.

Auf dem Weg zu einer Landarztquote haben die Regierungen der jüngeren Vergangenheit bereits einige Schritte zurückgelegt.

Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz im Jahr 2015 hat die schwarz-rote Koalition eine Regelung eingeführt, die jungen Ärzten, die für fünf Jahre in der ambulanten Versorgung auf dem Land arbeiten, danach völlige Niederlassungsfreiheit auch in eigentlich gesperrten Bezirken in Ballungsräumen einräumt.Auch die Selbstverwaltung der Ärzte ist bereits in diese Richtung aktiv.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt zum Beispiel vergibt ab diesem Jahr Stipendien an der Privatuniversität Witten-Herdecke. Die Stipendiaten müssen sich verpflichten, nach der Ausbildung zum Arzt zehn Jahre in Sachsen-Anhalt zu praktizieren.

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