Qualitätsorientierte Krankenhausplanung

Ökonomischer Schachzug oder echte Qualitätsoffensive?

Ärztevertreter warnen vor den Folgen einer vermeintlich qualitätsorientierten Krankenhausplanung. Statt Sanktionen, sollten der Versorgungsbedarf und die Förderung der Qualität im Vordergrund stehen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Hauptsache nicht schachmatt: Probleme hin oder her. Die qualitätsorientierte Krankenhausplanung kann auch ein Schutz sein gegen eine rein preisorientierte Einkaufspolitik der Krankenkassen, meint Rudolf Henke.

Hauptsache nicht schachmatt: Probleme hin oder her. Die qualitätsorientierte Krankenhausplanung kann auch ein Schutz sein gegen eine rein preisorientierte Einkaufspolitik der Krankenkassen, meint Rudolf Henke.

© Tino Neitz / Fotolia

DÜSSELDORF. Bei allen Problemen, die mit einer qualitätsorientierten Krankenhausplanung verbunden sind: Sie kann auch ein Schutz sein gegen eine rein preisorientierte Einkaufpolitik der Krankenkassen. Darauf hat der Präsident der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) Rudolf Henke beim Symposium des Berufsverbands Deutscher Internisten (BDI) auf dem 40. Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf aufmerksam gemacht.

"Nach meiner Wahrnehmung geht es im Zuge der qualitätsorientierten Krankenhausplanung ein Stück weit auch darum, die selektivvertragliche Gestaltung über Rabattverträge zu vermeiden", sagte Henke. Im Rehabilitationsbereich gebe es keine Planung, dort entschieden allein die Krankenkassen, mit welchem Haus sie einen Vertrag schließen und mit welchem nicht.

Möglichst bürokratiearm

Er sei kein fundamentaler Gegner der qualitätsbasierten Krankenhausplanung, erläuterte der ÄKNo-Präsident. "Wenn man sie richtig macht, kann sie uns noch eine ganze Reihe von Jahren die Selektivverträge vom Hals halten."

Wichtig ist für ihn, dass die genutzten Qualitätskriterien fachlich begründet, eindeutig nachvollziehbar, praktikabel und bürokratiearm sind. Es müsse klar sein, ob die Kriterien nur zur Orientierung dienen oder eine Mindestanforderung sind.

"Ich glaube, dass Mindeststandards sinnvoll sind, aber wenn man sie als einzige Qualitätsvorgabe behandelt, dann sind sie es nicht." Gute Versorgungsqualität lasse sich nicht durch zentrale Vorgaben herbeiplanen. "Versorgungsplanung muss alle beteiligten Akteure und angemessene Ressourcen einschließen", forderte Henke. Die Kompetenzen der Ärzte bezeichnete er als Kernelemente einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung.

Ein stumpfes Schwert?

Qualitätsrelevante Indikatoren müssen bürokratiearm, datenarm, ressourcenschonend und manipulationssicher sein, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Gassen. "Sonst kann man nichts damit anfangen." Einige Bundesländer hätten bereits angekündigt, die Indikatoren nicht für Planungsentscheidungen zu nutzen. "Sie sind ein vergleichsweise stumpfes Schwert."

Das sehe im ambulanten Bereich anders aus. In 50 Bereichen sei hier die Genehmigung an Qualitätsvorgaben geknüpft. Ein weiterer wichtiger Unterschied: "Im ambulanten Bereich steht nicht die Sanktion im Vordergrund, sondern die Förderung der Qualität." Gassen warnte davor, dass die Planung über Qualitätsindikatoren Kliniken zur Risikoselektion verleiten könnte. "Diese Rosinenpickerei ist genau das, was wir nicht wollen."

Leistungsverbot nur als Ultima Ratio

Ein Leistungsverbot darf nach Einschätzung von Dr. Thilo Grüning, nur die Ultima Ratio sein. Grüning ist Geschäftsführer des Dezernats Qualitätssicherung, Transplantationsmedizin und Psychiatrie bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Bei der qualitätsorientierten Planung sieht er einen möglichen Konflikt zwischen Qualität und Bedarf. Die neuen Qualitätsinstrumente sollten zur Verdrängung von Kliniken vom Markt oder zum Leistungsverbot führen, wenn bestimmte Qualitätsanforderungen nicht erfüllt werden. Gleichzeitig sehe das Sozialgesetzbuch die bedarfsgerechte Versorgung durch Planung vor. "Notwendig ist die Berücksichtigung von Bedarf und Qualität – auch in diese Reihenfolge", sagte Grüning.

BDI-Vizepräsident: Indikatoren wurden zu anderem Zweck designt

Qualitätsindikatoren seien eigentlich dafür gedacht, die Behandlung der Patienten zu verbessern, betonte der 1. Vizepräsident des BDI, Professor Hans Martin Hoffmeister. "Sie werden im Moment missbraucht." Die Indikatoren seien für die Zwecke, für die sie jetzt eingesetzt werden, weder designt noch evaluiert worden. "Wenn Qualitätssicherungsmaßnahmen dazu führen sollen, dass die Qualität besser wird, dann muss man sie zur Förderung einsetzen und nicht zum Kaputtmachen", stellte Hoffmeister klar.

Er sieht das Grundproblem in der zunehmenden Ökonomisierung des Gesundheitswesens – für deren Folgen die Verursacher allerdings nicht die Verantwortung übernehmen wollen, sondern sie den Ärzten zuschieben.

Die Qualitätsdiskussion habe eigentlich ökonomische Motive, betonte auch BDI-Chef Dr. Hans-Friedrich Spies. "Man möchte die Krankenhauslandschaft verändern und sie auf diesem Weg verkleinern." Der Bund versuche, über den Gemeinsamen Bundesausschuss Einfluss auf die Zuständigkeiten der Länder zu nehmen. Spies hält eine juristische Klärung für notwendig. "Kann die Selbstverwaltung so weit gehen, dass sie Qualitätsvorgaben macht?"

Konflikt mit Berufsordnung droht

Angesichts der zunehmenden Ökonomisierung gerieten die Ärzte zunehmend unter Druck, ihnen drohen Konflikte mit der Berufsordnung. "Alle Beteiligten – Kammern, KVen, Krankenhausgesellschaften und Berufsverbände – sollten darauf achten, dass solche Zustände kein Misstrauen in das Arzt-Patienten-Verhältnis bringen", schlug Spies vor. Die Qualität hänge entscheidend von diesem Verhältnis und vom Vertrauen zwischen Arzt und Patient ab. "Wir sind gerade dabei, dieses Vertrauen durch die Qualitätsvorgaben zu zerstören", warnte er.

Lesen Sie dazu auch: Strukurwandel: Klinikversorgung vor großen Veränderungen

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