Fristenbericht
Pandemie kann den GBA nicht stoppen
Obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss durch die Corona-Pandemie viele zusätzliche Aufgaben bewältigen musste, hat das eigentliche Programm nicht gelitten.
Veröffentlicht:Berlin. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat bislang 79 Beschlüsse zu Sonderregelungen in Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie getroffen. Die Tatsache, dass der Ausschuss die zusätzliche Herausforderung bewältigen konnte, ohne dass dies zu Lasten der anderen Aufgaben gegangen wäre, ist für GBA-Chef Professor Josef Hecken ein Beleg für die Leistungsfähigkeit des Gremiums.
Die dort repräsentierte gemeinsame Selbstverwaltung bleibe auch in schwierigen Zeiten handlungsfähig, schreibt er in einem Bericht an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages, der der „Ärzte Zeitung“ vorliegt.
Seit dem Mitte 2015 verabschiedeten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz muss der GBA jährlich zum 31. März darlegen, ob er in den zurückliegenden zwölf Monaten die gesetzlichen Fristen bei seinen Beratungsverfahren eingehalten hat. Der jüngste Bericht bezieht sich auf den Zeitraum 1. April 2020 bis 31. März 2021.
„Auch in Krisen handlungsfähig“
„Im aktuellen Bericht zeigt sich, dass der GBA nicht nur den beständig zunehmenden Arbeitsaufwand seiner ‚Routineaufgaben‘ zügig und fachlich-hochkompetent bewältigt, sondern auch, dass er in Ausnahme- und Krisensituationen schnell handlungsfähig ist“, so Hecken. Dem Gremium sei es gelungen, innerhalb von nur einer Woche eine zeitlich befristete Sonderregelung für telemedizinische Kooperationen zur vernetzten Versorgung von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 zu beschließen. Zudem seien die Verwaltungs- und Dokumentationsvorgaben zur Qualitätssicherung reduziert worden, die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln sei vereinfacht worden.
Die Beschlüsse zur telefonischen Krankschreibung und die Möglichkeit, Krankengymnastik oder Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie per Videotherapie durchzuführen seien auf großes mediales Interesse gestoßen, berichtet der unparteiische Vorsitzende.
„Dabei ging leider etwas unter, dass der GBA die Krankschreibung per Videosprechstunde als Regelleistung eingeführt und ein Beratungsverfahren zur dauerhaften Aufnahme von Maßnahmen der Heilmitteltherapie als telemedizinische Leistung eingeleitet hat.“
Beratungsbedarf braucht Zeit
Die Methodenbewertung ist neben Arzneimitteln und Qualitätssicherung einer der Arbeitsschwerpunkte des GBA. Sie hat sich nach Heckens Einschätzung auch unter den durch die Pandemie erschwerten Umständen als „funktionsfähiges, rechtssicheres und evidenzbasiertes Verfahren“ erwiesen. Von den 183 bearbeiteten Verfahren sei nur bei sechs die Frist überschritten worden.
Verfahren zur ambulanten Versorgung könnten inzwischen innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden, zu Hochrisiko-Medizinprodukten sogar innerhalb von sechs Monaten. „Damit widerlegt der GBA die Behauptung, seine Beratungen zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden würden grundsätzlich zu lange dauern und Innovationen ausbremsen.“
Damit bezieht sich Hecken auch auf die kürzlich veröffentlichte Studie von Duisburger Gesundheitsökonomen rund um Professor Jürgen Wasem, die im Auftrag der privaten Krankenversicherer entstanden war. Danach erhalten Privatpatienten neue Leistungen in der Regel deutlich schneller als gesetzlich Versicherte. Die Studie bezog sich allerdings auf GBA-Beschlüsse aus dem Zeitraum Anfang 2010 bis Ende 2019, als die heutigen Fristen noch nicht griffen.
96,8 Prozent der Verfahren binnen Frist erledigt
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wirft dem Gremium manchmal vor, zu langsam zu arbeiten. Der GBA hat von April 2020 bis März 2021 mit 96,8 Prozent nahezu alle 985 Verfahren in den gesetzlich vorgesehenen Fristen erledigt. Kommt es zu Überschreitungen, wird zusätzlicher Beratungsbedarf verantwortlich gemacht.
So sollte der Ausschuss eigentlich bis Ende 2020 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung von schwer psychisch kranken Versicherten mit komplexem Behandlungsbedarf beschließen. Zu Verzögerungen hat laut dem Bericht nicht zuletzt das umfangreiche Stellungnahme-Verfahren geführt. Der GBA rechnet mit einer Beschlussfassung im Juli oder August 2021.
Die vom GBA im September 2019 beschlossenen Anwendungsmöglichkeiten nicht-invasiver molekulargenetischer Tests zur Bestimmung des Risikos autosomaler Trisomien 13, 18 und 21 zu Lasten der GKV können erst dann in Kraft treten, wenn die Versicherteninformation vorliegt. Bei der Erstellung durch das IQWiG kam es auch durch die Pandemie zu Verzögerungen. Jetzt geht Hecken von einem Abschluss des Verfahrens im dritten Quartal 2021 aus.