Personalplanung
Mehr Assistenzkräfte für Pflegeheime
Fachkraftquoten in der Altenpflege machen Anbietern zu schaffen. Auch Wissenschaftler stufen die Vorgaben als zu starr ein. Jetzt liegt ein Instrument für einen flexiblen Personalmix auf dem Tisch.
Veröffentlicht:Berlin. Der Personaleinsatz in der Altenpflege soll flexibler gehandhabt werden können. Die derzeitige Fachkraftquote von teilweise 50 Prozent sei „zu starr“ und trage offenbar nicht mehr, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei der Vorstellung eines neuen bundeseinheitlichen Verfahrens zur Personalbemessung in der Langzeitpflege am Dienstag in Berlin.
„Wir brauchen mehr Fachpersonal, vor allem aber mehr Pflegeassistenzkräfte“, so Spahn. Viele bekämen bei Überschriften von sinkenden Fachkraftquoten womöglich ein schlechtes Gefühl. In Wahrheit gehe es aber um mehr Personal in den Einrichtungen, „aber in einem anderen Mix“.
Große regionale Unterschiede
Mithilfe der vor Jahren eingeführten Fachkraftquote soll eine möglichst hochwertige Betreuung in Pflegeheimen sichergestellt werden. „Stellenschlüssel“ legen dabei die Verhältniszahlen von Vollzeitpflegekraft und Bewohnerzahl fest. Aktuell fallen die Personalschlüssel aber regional sehr unterschiedlich aus.
Während etwa Bayern zur Versorgung von 100 Heimbewohnern über 40 (Vollzeit-)Pflegekräfte vorschreibt, sind es in Mecklenburg-Vorpommern, im Saarland oder in Sachsen-Anhalt weniger als 35. Da der Arbeitsmarkt für Pflegefachkräfte so gut wie leer gefegt ist, haben Anbieter überdies immer mehr Probleme, die Quote einzuhalten.
Die vorangegangene Bundesregierung hatte daher dem im Zuge des Pflegestärkungsgesetzes II von 2016 gegründeten Qualitätsausschuss Pflege die Aufgabe erteilt, ein neues Verfahren zur Personalbemessung zu entwickeln. In dem Gremium sitzen unter anderem Vertreter der Krankenkassen, der Anbieter und der Pflegeberufe. Beauftragt mit der Studie wurde der Bremer Pflegewissenschaftler Professor Heinz Rothgang.
Ziel des neuen Instruments sei es, „von einer vorgegebenen Bewohnerschaft auf eine angemessene Personalbemessung zu schließen“, betonte Rothgang. Anzahl und Qualifikationsstruktur des Personals hingen dabei von der Zusammensetzung der jeweiligen Bewohnerschaft ab. Diese lasse sich gut an den Pflegegraden ablesen.
Mehrbedarfe in der Versorgung ergäben sich vor allem bei Tätigkeiten, die Assistenzkräfte erbringen könnten. Das neue Verfahren biete die Chance, die einrichtungsübergreifenden Fachkraftquoten durch einrichtungsindividuelle Personalmixe zu ersetzen.
Ein veränderter Personalmix mache es jedoch nötig, die Rolle der Fachkräfte weiterzuentwickeln, betonte Rothgang. Diese müssten stärker als bisher in der Planung, Koordination und Anleitung eingesetzt werden, während risikoarme pflegerische Aufgaben vermehrt an Assistenzkräfte delegiert werden könnten.
Kassen wie Pflegeanbieter lobten das neue Verfahren. „Wir haben jetzt ein Instrument, das die Chance bietet, die Frage der Personalbemessung unmittelbarer an den Bedarfen pflegebedürftiger Menschen auszurichten“, sagte der stellvertretende Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, sagte, eine steigende Zahl von Pflegebedürftigen bei einem „bestenfalls stagnierenden“ Personalangebot mache einen „differenzierteren“ Personaleinsatz nötig. „Den Alarm, ein veränderter Personaleinsatz führe automatisch zu schlechterer Versorgungsqualität, sollten wir uns dieses Mal aber sparen“, mahnte Meurer.
Woher neues Personal nehmen?
Zustimmung signalisierte auch der Chef des Arbeitgeberverbands Pflege, Thomas Greiner. „Wer die angespannte Personalsituation in der Altenpflege verbessern will, hat nur eine Option: Wir müssen die Vergeudung von Fachkompetenz schnell stoppen.“
Jeden Tag erledigten Fachkräfte, die für medizinische Behandlungspflege ausgebildet worden seien, einfache Tätigkeiten wie alte Menschen waschen, Hilfe beim Toilettengang oder Unterstützung geben beim Essen.
Dagegen warnte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kordula Schulz-Asche, davor, anspruchsvolle Fachpflege an Hilfspersonal auszulagern. Zudem stelle sich die Frage: „Aus welchem Hut will Minister Spahn das zusätzliche Pflegehilfspersonal eigentlich zaubern?“