Diabetes

Präventionswüste Deutschland

Der Bundesrat macht Druck für einen Nationalen Diabetes-Plan. Drei Monate später folgt der Entwurf für ein Präventionsgesetz, das die Verbesserung der Diabetes-Prävention ausdrücklich als Ziel nennt. Doch vor dem Hintergrund der Erfahrungen berechtigt die Hektik des Gesetzgebers nicht zu großen Hoffnungen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Bei der Bekämpfung von Diabetes mellitus ist Deutschland eine Präventionswüste. Doch erste Pflänzchen beginnen zu gedeien.

Bei der Bekämpfung von Diabetes mellitus ist Deutschland eine Präventionswüste. Doch erste Pflänzchen beginnen zu gedeien.

© Cinoby / iStock

Am 11. Juli 2014 hat der Bundesrat auf Initiative einiger Länder eine Entschließung zur Umsetzung eines Nationalen Diabetesplans gefasst. Begründung: Die Zahl der an Diabetes Erkrankten nehme ständig zu, jährlich gebe es 270.000 Neuerkrankungen, inzwischen sei die Acht-Millionen-Grenze überschritten.

Bundesrat fordert Gesetz

Nun stehe das Gesundheitssystem vor einer großen Herausforderung, da die Behandlung von Diabetes und der Folgeerkrankungen angesichts der demografischen Entwicklung ohne Qualitätseinbußen nur noch eingeschränkt finanzierbar sein werde. "Ein nachhaltiger Ansatz muss somit vor allem auch die Gesundheitsförderung und Prävention im Fokus haben", heißt es in der Entschließung.

Deutschland hinkt hinterher, beklagen die Länder: Ein von der WHO, der EU und den Vereinten Nationen geforderter Diabetesplan, sei in 17 EU-Staaten bereits umgesetzt - und Deutschland stehe dies noch aus.

Gefordert wird deshalb, noch in diesem Jahr den Entwurf eines Bundespräventionsgesetzes und ebenso einen Nationalen Diabetesplan vorzulegen mit einem Konzept für Präventionsstrategien, Früherkennungsmaßnahmen und Vorschlägen für neue Versorgungsmodelle einschließlich der Stärkung der Selbsthilfe.

Folgende Aspekte müssten berücksichtigt werden:

  • primäre Prävention des Diabetes stärken,
  • Strategien zur Reduzierung und Transparenz von Zuckergehalt in Lebensmitteln,
  • Früherkennung von Diabetes Typ 2 intensivieren,
  • epidemiologische Datenlage verbessern,
  • Versorgungsstrukturen und sozialmedizinische Nachsorge qualitativ sichern,
  • Patientenschulung und Patientenselbstbefähigung ausbauen, auch für Kinder und Jugendliche im Setting Kindertagesstätte und Schule.

Gröhe hat schon geliefert

Dabei müssten die Länder sowie die Akteure im Gesundheitswesen in den Planungsprozess weitreichend einbezogen werden. Die Erkenntnisse aus der Umsetzung des Nationalen Gesundheitszieles "Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln" sollten dabei berücksichtigt werden.

Nur drei Monate später, am 20. Oktober 2014, hat das Bundesgesundheitsministerium geliefert: den Referentenentwurf zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention.

Und ausdrücklich wird hier auch Diabetes mellitus Typ 2 als eine jener Krankheiten genannt, die Zielpunkt des Gesetzes sind.

So heißt es in Paragraf 20 Absatz 3 des Referentenentwurfs: "Bei der Aufgabenwahrnehmung nach Absatz 2 Satz 1 berücksichtigt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch die folgenden Gesundheitsziele im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention:

"Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln..."

In der Begründung dazu heißt es: "Bei den Gesundheitszielen nach Satz 1 handelt es sich um die vom Kooperationsverbund "gesundheitsziele.de" unter Beteiligung aller relevanten Gruppen vereinbarten Ziele.

Konzept schon 2003 entwickelt

Organisiert von der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung hatte "gesundheitsziele.de" bereits am 14. Februar 2003 seinen Bericht zu Diabetes mellitus Typ 2 vorgelegt und auf 30 Seiten ausführlich die Schwächen in der Versorgung, der Prävention und Früherkennung analysiert, operationale Ziele entwickelt und Instrumente vorgeschlagen.

Darin heißt es: "Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe sind sich einig, dass insbesondere auf der Zielebene der Primärprävention des Diabetes mellitus Typ 2 beziehungsweise des metabolischen Syndroms die gesundheitspolitisch größte Chance - aber aufgrund bislang kaum vorhandener Programme auch ein enormer und dringender Handlungsbedarf - besteht.

Die Auffassung stütze sich auf existierende Informationsdefizite über eine gesunde Lebensweise und die Möglichkeit einer Vermeidung risikobehafteter Lebensstile in der Bevölkerung. Ebenso gebe es strukturelle Bedingungen, die es nicht erlaubten eine gesunde Lebensweise umzusetzen.

Entwickelt wurde ein Konzeptpapier für eine bundesweite, zentrale gesteuerte nationale Präventionskampagne. Darin wurde eine bevölkerungsbezogene und eine hoch risikozentrierte Strategie verbunden.

Doch was ist tatsächlich passiert? - Nichts!

Auf der aktuellen Internet-Seite von "gesundheitsziele.de" findet sich unter "Status quo" folgende Bemerkung: "Das Gesundheitsziel "Diabetes mellitus Typ 2: Erkrankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und behandeln" wurde 2033 verabschiedet. Die Arbeitsgruppe ruht zur Zeit."

Seit elf Jahren.

Zwischenzeitlich hat es zwei Anläufe in zwei verschiedenen Koalitionen für ein Präventionsgesetz gegeben.

In beiden Fällen mussten die federführenden Bundesgesundheitsminister und -ministerinnen entnervt aufgeben, weil sie sich in den föderalen Strukturen heillos verheddert hatten. Die Länder sind zwar forsch, wenn es darum geht, Kompetenzen für sich zu fordern - doch sobald sie dafür Geld locker machen müssen, fallen hehre Zielsetzungen rasch unter den Tisch.

Jetzt versucht es Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe als Dritter, ein Präventionsgesetz über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Die Chancen sind etwas besser als die der Vorgängerprojekte, denn Gröhe verzichtet auf eine finanzielle Beteiligung der Länder. Deshalb können sie das Präventionsgesetz nicht im Bundesrat blockieren.

Sieben Euro pro Kopf und Jahr

Dennoch ist das Gesetz selbst so schwachbrüstig ausgelegt, dass man keine großen Hoffnungen daran knüpfen darf.

So wird der Richtwert der Ausgaben der Kassen für Leistungen der Primärprävention, zur betrieblichen Gesundheitsförderung und zur Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren auf sieben Euro pro Versichertem und Jahr erhöht. Das ist eine Summe von rund 500 Millionen Euro, weniger als zwei Prozent dessen, was für ambulante vertragsärztliche Versorgung ausgegeben wird.

Damit sollen insgesamt sieben gesetzlich definierte Gesundheitsziele realisiert werden: Neben Diabetes die Senkung der Brustkrebs-Mortalität und die Erhöhung der Lebensqualität Betroffener, Reduktion des Tabakkonsums, gesundes Aufwachsen, Erhöhung der Gesundheitskompetenz, Verhinderung und Früherkennung von Depressionen und schließlich gesundes Altern.

Es tröpfelt in der deutschen Präventionswüste.

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