Rettungswesen

Sanitäter-Kompetenzen lösen Disput unter Ärzten aus

Notfallsanitäter ausdrücklich mit der Erlaubnis zur Heilkunde ausstatten, oder nicht? Der Vorstoß des Bundesrates führt zu einer innerärztlichen Debatte.

Anno FrickeVon Anno Fricke und Thomas HommelThomas Hommel Veröffentlicht:
Rettungseinsatz: Wie weit soll das Aufgabenfeld von Notfallsanitätern reichen? Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Rettungseinsatz: Wie weit soll das Aufgabenfeld von Notfallsanitätern reichen? Die Meinungen darüber gehen auseinander.

© Maria.P. / Fotolia

Berlin. Der Vorstoß des Bundesrates, Notfallsanitätern zu erlauben, im Ernstfall Spritzen zu setzen, zu punktieren und weitere auch invasive Maßnahmen zu ergreifen, hat in der Ärzteschaft ein gespaltenes Echo ausgelöst. Der Bundesrat hatte dazu in seiner Sitzung am Freitag einen Änderungsvorschlag des Notfallsanitätergesetzes in den Bundestag eingebracht. Notfallsanitäter sollen demnach „zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten berechtigt“ sein, solange keine ärztliche Hilfe vor Ort ist und ein Patient in lebensgefährdetem Zustand ist. Hintergrund des Bundesratsvorstoßes sind Rechts- und Handlungsunsicherheiten aufseiten der Sanitäter sowie die Frage, wer im Falle eines Schadens haften müsse.

Die Deutsche Interdiszplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) steht mehrheitlich hinter der Bundesratsinitiative. „Die DIVI teilt ausdrücklich nicht die Sorge anderer Berufsverbände, die sich gegen die eigenständige Durchführung von invasiven Maßnahmen durch Notfallsanitäter in akuten Notfallsituationen im Sinne einer Übertragung heilkundlicher Aufgaben aussprechen“, hat die DIVI mitgeteilt. Bereits am Freitag hatten die Verbände der Unfallchirurgen, der Chirurgen und der Orthopäden klare Bedenken gegen Bundesratsvorschlag geäußert.

DIVI: Keine Aushöhlung des Notarztsystems

„Es besteht keine Gefahr, dass das Notarztsystem ausgehöhlt werden könnte“, sagte DIVI-Präsident Professor Uwe Janssens dazu der „Ärzte Zeitung“. Die DIVI unterstreiche die Notwendigkeit eines notarztgestützten Rettungssystems. Im internationalen Vergleich seien notarztgestützte Systeme führend, was das Überleben der Patienten angehe.

Es sei aber nicht vermittelbar, dass entsprechend ausgebildete und fortlaufend geschulte Notfallsanitäter beim Eintreffen an der Unfallstelle keinerlei lebensrettende Maßnahmen ergreifen sollen, solange der Notarzt noch nicht eingetroffen sei, heißt es in der Stellungnahme der DIVI.

Keinen zwingenden Handlungsbedarf sieht dagegen der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), Professor Rolf Rossaint.

Problem: Rechtsunsicherheiten

Es sei fraglich, heißt es in einer von der DGAI und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten verbreiteten Stellungnahme, ob die angestrebte Rechtssicherheit nicht schon durch das geltende Recht hergestellt sei. Auch das erlaube ausgebildeten Notfallsanitätern das „eigenverantwortliche Durchführen medizinischer Maßnahmen im Notfall bis zum Eintreffen des Notarztes“.

Aktuelle Zahlen aus Baden-Württemberg zeigten zudem, dass Notfallsanitäter nur extrem selten unter Arztvorbehalt stehende Tätigkeiten überhaupt ausführen müssten. Zudem seien die Notärzte bei gleichzeitiger Alarmierung im Median eher vor den Rettungsteams an der Unfallstelle.

Die anästhesistischen Verbände warnen daher vor einem „Risiko der mangelnden Erfahrung“ bei den Notfallsanitätern und einer möglichen Patientengefährdung. Sollte die Gesetzesänderung gleichwohl kommen, müsste in einem Indikationskatalog eine klare Definition von „Notlagen“ getroffen werden.

In diese Kerbe schlägt auch Ulrich Schreiner, Geschäftsführer der privaten Björn Steiger Stiftung. Erfahrung sei das A und O im Rettungsdienst – das gelte für Notärzte wie Sanitäter gleichermaßen, betonte Schreiner. Sauber geklärt sein müsse die Frage, „wann darf der Notfallsanitäter was machen?“. Hier weise das geltende Gesetz Lücken auf und müsse „nachgebessert“ werden.

Der Telenotarzt ist eine Riesenchance. Das Modell sollte bundesweit zum Einsatz kommen.

Ulrich Schreiner, Geschäftsführer Rettungsdienst der Björn Steiger Stiftung

Björn Steiger Stiftung für mehr Kompetenzen der Sanitäter

Grundsätzlich sprach sich Schreiner im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ dafür aus, Sanitätern mehr Kompetenzen angedeihen zu lassen. „Entscheidend ist, dass sie echte Notfälle sehen und Routine haben“.Ein Grundproblem des Rettungswesens in Deutschland sei dessen Zersplitterung, betonte Schreiner. „Der Föderalismus schadet dem Rettungsdienst, jeder macht seins.“ In einigen Regionen sei die Notfallversorgung alarmierend schlecht.

Eine „Riesenchance“ für eine bessere Versorgung bei Notfällen stelle der an der Uniklinik Aachen entwickelte „Telenotarzt“ dar, sagt Schreiner. Dabei erhalten Notärzte über die Helmkamera des Sanitäters Videobilder live von vor Ort vom Zustand des Verletzten. Der Sanitäter kann dann nach Anweisung des Arztes handeln. Der Telenotarzt wird bereits getestet, zum Beispiel im Landkreis Vorpommern-Greifswald.

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