Pflegevorsorgefonds

Sparbüchse für die Babyboomer

Die Koalition plant eine Millionen-Reserve für die künftige Pflege. Dieser Vorsorgefonds ist der umstrittenste Teil der schwarz-roten Pflegereform. Die SPD versuchte, ihn zu verhindern. Doch nun hat die Regierung erste Details vorgelegt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Maximal zehn Prozent des Sondervermögens darf in Aktien angelegt werden, heißt es im Entwurf zur Pflegereform.

Maximal zehn Prozent des Sondervermögens darf in Aktien angelegt werden, heißt es im Entwurf zur Pflegereform.

© Karwisch / panthermedia.net

BERLIN. Zum 1. Januar 2015 will die Regierung für die Generation der Babyboomer ein Sparkonto bei der Bundesbank eröffnen. In den kommenden rund 20 Jahren sollen sich dort Milliarden Euro ansammeln.

Ab 2035 soll das Geld die Beitragssätze zur Pflegeversicherung stabil halten. Das geht aus dem Referentenentwurf der Bundesregierung zur ersten Stufe der Pflegereform hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Ab 2015 sollen alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und ihre Arbeitgeber gemeinsam 0,1 Prozentpunkte des Pflegeversicherungsbeitrags an den Fonds abführen.

1,21 Milliarden Euro sollen so im nächsten Jahr zusammenkommen, rechnet die Regierung. Als Ende des Ansparzeitraums nennt der Gesetzentwurf das Jahr 2033.

Der Ansparzeitraum bis 2033 ergibt sich laut der Gesetzesbegründung daraus, dass die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1967 mit 1,24 bis 1,36 Millionen Menschen deutlich stärker besetzt sind als die davor und danach liegenden Jahrgänge. Im Jahr 2034 erreiche der erste dieser Jahrgänge das 75. Lebensjahr. Dann steige für diese Menschen das Risiko, pflegebedürftig zu werden.

"Etwa 20 Jahre später ist ein größerer Teil dieses Personenkreises bereits verstorben und die erheblich schwächer besetzten Jahrgänge nach 1967 rücken in das Pflegealter vor", heißt es im Entwurf.

Beitragsgeld fließt auf den Kapitalmarkt

Schon ab 2016 könnten die Bundesbanker mit mehr als 100 Millionen Euro aus dem Fondsvermögen auf dem Kapitalmarkt aktiv werden. Der Gesetzentwurf erlaubt, dass der Pflegevorsorgefonds analog zum Versorgungsfonds des Bundes handeln kann.

Wörtlich heißt es dazu: "Die dem Sondervermögen zufließenden Mittel einschließlich der Erträge sind unter sinngemäßer Anwendung der Anlagerichtlinien des Versorgungsfonds des Bundes zu marktüblichen Bedingungen anzulegen (...)"

Für den Versorgungsfonds des Bundes, ein Sondervermögen zur Absicherung der Versorgungsansprüche von Beamten, gilt heute, dass eine "Anlage in Euro-denominierten Aktien im Rahmen eines passiven, indexorientierten Managements zulässig ist". Dabei handelt es sich um Indexfonds, sogenannte Exchange Traded Funds (ETF).

Die Anlageentscheidungen sollen jeweils so getroffen werden, dass der Anteil an Aktien maximal zehn Prozent des Sondervermögens "Versorgungsfonds des Bundes" ausmacht.

Zur Kontrolle soll das Gesundheitsministerium einen Sitz im Anlageausschuss des Versorgungsfonds erhalten.

Fonds verdankt seine Existenz einem Deal

Der Pflegevorsorgefonds ist eine Novität in der Sozialversicherung. Erstmals könnte es in einem sozialen Sicherungssystem eine Art Kapitaldeckung für in der Zukunft entstehende Risiken geben.

Der Fonds, so er denn am Ende des Verfahrens tatsächlich im Gesetzblatt steht, verdankt seine Existenz einem Deal zwischen Union und SPD. Die Sozialdemokraten hatten den Fonds gegen Ende der Koalitionsverhandlungen im vergangenen November als "nicht sinnvoll" bezeichnet, erhielten aber im Gegenzug für ihre Zustimmung das Ende der Kopfpauschalen in der gesetzlichen Krabnkenversicherung erreicht.

Dass es der Fonds nun in ein Gesetzgebungsverfahren geschafft hat, war für den gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), ein Grund zum Jubeln.

"Der geplante Vorsorgefonds schützt garantiert die Jungen vor zu hohen Beitragssteigerungen und künftige Pflegebedürftige vor Leistungskürzungen. Wir übernehmen damit heute Verantwortung für die Zukunft und schlagen ein neues Kapitel des Generationenvertrages auf", kommentierte Spahn das geplante neue Kapitel im elften Sozialgesetzbuch.

Sorge um einen Zugriff des Finanzministers

Kritik an der Einrichtung eines solchen Fonds bleibt nicht aus. Vor allem wird bezweifelt, ob das Geld vor einem Zugriff des Finanzministers sicher sei, wenn der Haushaltslücken stopfen wolle.

Eine Garantie darauf wollte im Interview mit der "Ärzte Zeitung" nicht einmal der Pflegebevollmächtigte der Regierung, Karl-Josef Laumann (CDU), abgeben.

"Bei einer Rücklage ist immer das Problem, dass man sie nie sicher machen kann vor Politik", sagte Laumann. Die Hürden, um an das Geld heranzukommen, müssten hoch gelegt werden.

Sozialverbände wie der vdk und die deutsche Alzheimergesellschaft hatten gefordert, auf den Fonds zu verzichten und die Beiträge komplett in die sofortige Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu stecken. Die ist nun aber auf 2017 verschoben.

Der Gesetzentwurf sieht außer der Einrichtung des Fonds eine Anhebung der Pflegeleistungen um bis zu vier Prozent vor, mehr Betreuungsleistungen, das leichtere Kombinieren unterschiedlicher Leistungen wie Kurzzeit- und Verhinderungspflege.

Insgesamt sollen die Beiträge für diesen Reformschritt um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 09.04.201418:44 Uhr

"Pflegevorsorgefonds" ein alter Hut?

Der Pflegevorsorgefonds ist keinesfalls eine Novität in der Sozialversicherung, sondern eher ein alter Hut: In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es seit Jahren einen Gesundheitsfonds, der auf eine Idee des Dortmunder Gesundheitsökonomen Prof. Wolfram Richter von der Technischen Universität (TUDO) zurückgeht. Dieser ist gemeinsam mit den Rücklagen den GKV-Kassen mittlerweile über 30 Milliarden Euro schwer und wird nicht für sinnvolle Beitragssatzsenkungen in der GKV verwendet.

Er weckt dagegen jährlich falsche Begehrlichkeiten seitens des Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble. Dieser hatte erst kürzlich sich selbst und seinen "ausgeglichenen" Bundeshaushalt feiern lassen, den er nur mit einem beherzten Griff in Höhe von 3,5 Milliarden Euro in den "Gesetzlichen Bundeszuschuss zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben in der GKV" bewerkstelligen konnte. Von daher stimmt die Vermutung von ÄZ-Autor Anno Fricke und anderen, das die Bundesregierung sich im Zweifelsfall jeder Art von Fonds bemächtigen würde, um ihre desolate Kassenlage zu kaschieren.

Auf das Naheliegende, auf den Fonds zu verzichten und die Beiträge komplett in die sofortige Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu stecken, ist die Bundesregierung in selten einmütiger, intellektueller Einfältigkeit natürlich n i c h t gekommen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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