Internationaler Vergleich

Was Deutschland bei der Pflege von anderen Ländern lernen kann

Attraktiver Arbeitsplatz Pflege? Hier hinkt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinterher, wie eine Studie der Stiftung Münch nahelegt – auch, weil ein Masterplan fehlt.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Damit sich Pfleger geschätzt werden, muss auch die Politik ran, so eine Studie.

Damit sich Pfleger geschätzt werden, muss auch die Politik ran, so eine Studie.

© Photographee.eu / Fotolia

Mit der „Konzertierten Aktion Pflege“ und einem 111-Punkte-Plan zur Verbesserung der Pflegeausbildung und -qualifikation will Deutschlands Regierung dem Fachkräftemangel beikommen. Dass dies von Erfolg gekrönt sein wird, bezweifelt allerdings Professor Michael Ewers, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Berliner Charité.

Er leitete die Münch-Studie „Pflege in anderen Ländern – vom Ausland lernen“ und sieht Deutschland weiter auf dem Holzweg. Hierzulande bewege man sich im Vergleich zum Ausland auf Sonderwegen und isoliere sich dadurch. „Wir brauchen einen Masterplan Pflege, der weit in die Zukunft weist und deutlich über die Konzertierte Aktion Pflege hinausgeht“, sagte Ewers auf einer Pressekonferenz in Berlin. Der 111-Punkte-Plan sei zudem nicht konkret genug.

Was müsste in Deutschland anders werden? Das könne man bei einem Blick über die Grenzen hinweg sehen, so Ewers. In der Studie untersuchten er und seine Kollegen die Pflegesituation in Großbritannien, Kanada, Schweden und in den Niederlanden. Auch diese Länder kämpfen mit Fachkräftemangel und mit Problemen bei der Sicherung der pflegerischen Versorgung bei gleichzeitig wachsendem Bedarf.

Auch sie bemühen sich – wie jetzt die Politik hierzulande – um bessere Arbeitsbedingungen, um die Integration von Pflegekräften mit geringerer Qualifikation und Rekrutierung von Personal aus dem Ausland. Die vier Staaten bleiben dabei aber nicht stehen, sondern gehen noch weiter.

Prüfstein Akademisierung

Sie investieren sowohl in die Aus- als auch in die Weiterbildung des Pflegepersonals. In Großbritannien, Schweden und Kanada erfolgt die Ausbildung an Hochschulen. Der Anteil der graduierten Pflegekräfte liegt dort zwischen 61 (Kanada) und 100 Prozent (Großbritannien und Schweden). In Deutschland beträgt der Anteil gerade einmal ein bis zwei Prozent.

Unverständlich findet Ewers, dass in Deutschland die Akademisierung der Pflegeausbildung immer noch nicht auf der Politikagenda steht. „Bildung wird hier doch sehr hoch geschätzt, das gilt aber offenbar nicht für die Bildung junger Pflegekräfte.“

Wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeit in der Pflege ist in Großbritannien, Kanada und den Niederlanden zudem, dass sich die Pfleger in einem Berufsregister eintragen und sich regelmäßig weiterbilden. Auch die Selbstorganisation sei teilweise ausgeprägter als in Deutschland. Darüber hinaus genießt die Pflege in den vier untersuchten Ländern einen höheren Stellenwert, was sich an den wesentlich größeren Aufgaben- und Verantwortungsbereichen zeigt.

Leider bringe hier das Pflegeberufegesetz ab 2020 keine Verbesserung, so Ewers. Die Aufgaben für Pfleger blieben „sehr begrenzt“. Ausländische Pflegekräfte stellten fest, dass sie in Deutschland nicht einmal die Hälfte ihres ursprünglichen Aufgabenspektrums ausführen dürfen, berichtet Stephan Holzinger, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Münch und der Rhönklinikum AG. „Die werden demotiviert. Das müssen wir ändern.“

Ärzte müssen lernen abzugeben

Durch die Akademisierung und damit verbundene Möglichkeit der Spezialisierung, durch mehr Selbstverwaltung und -verantwortung, durch teamorientiertes Arbeiten und vor allem durch das Zutrauen, auch anspruchsvolle, vormals Ärzten vorbehaltene Aufgaben wahrnehmen zu können, gelinge es anderen Ländern, die Pflege als Beruf attraktiv zu machen, sagte Ewers. Und ihr hohes Ansehen zu geben. „In Kanada wird die Pflege als Rückgrat des Gesundheitswesens bezeichnet.“

Doch haben diese Länder tatsächlich mehr Erfolg bei der Rekrutierung von Nachwuchs als Deutschland? Das Durchschnittsalter der Pflegekräfte liegt laut Studie auch dort bei 50 Jahren. Das lasse sich schwer messen, so Ewers. Deutschland müsse trotzdem dafür sorgen, dass die Pflege attraktiver werde. „Wir haben nur eine begrenzte Zahl an jungen Menschen. Wir müssen weiter kreativ sein, um diese zu gewinnen“, so Ewers.

Was die Politik bisher an Regularien vorgelegt habe, werde nicht ausreichen, prophezeit Holzinger. Die Herausnahme der Pflegekosten aus den DRG werde zur Abwertung der Pflege führen. „Die Politik setzt einen Anreiz, dass Pfleger wieder Essen bringen und putzen“, sagt Holzinger.

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