Weiterentwicklung des AMNOG

Was tun mit Hochkosten-Therapien?

Die Implementation des elektronischen Arzt-Informationssystems, die Debatte über innovative Hochpreis-Medikamente, die europäische Harmonisierung von HTA-Prozessen und nicht zuletzt Attacken aus den USA auf angebliches deutsches Preisdumping werden die Weiterentwicklung des AMNOG-Instrumentariums bestimmen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Wie umgehen mit sehr teuren, innovativen Therapien? Überlegt wird, Aspekte der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der GKV-Versichertengemeinschaft in den Nutzenbewertungsprozess einzubeziehen.

Wie umgehen mit sehr teuren, innovativen Therapien? Überlegt wird, Aspekte der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der GKV-Versichertengemeinschaft in den Nutzenbewertungsprozess einzubeziehen.

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Die Beteiligten am AMNOG-Verfahren werden weiter den steinigen Pfad einer Lernkurve beschreiten, die Herausforderungen sind anspruchsvoll.

Wie mühsam dies ist, zeigt der Weg des elektronischen Arzt-Informationssystems (AIS) in die ärztliche Praxis. Geschaffen wurde das System, um die Bekanntheit der frühen Nutzenbewertungen Ärzten besser zugänglich zu machen, damit sie ihre Verordnungspraxis besser an den HTA-Erkenntnissen orientieren können.

Mühsamer Weg zum AIS

Beschlossen wurde dies Mitte der letzten Legislaturperiode, die Konkretisierung erfolgte nach einer langen Grundsatzdebatte über die Zielstellung des AIS – reine Information für Ärzte oder Steuerung ärztlicher Verordnungen – erst 2018 in einer Rechtsverordnung. Derzeit, wiederum zwei Jahre später, steht die Implementierung in die Praxis bevor.

Trotz langer Vorbereitung gibt es keinen Grund zu abschließender Zufriedenheit. Kritiker bemängeln, dass das AIS nicht evaluiert wird und dass die Gelegenheit versäumt wurde, um es zu einem Datengenerierungssystem auszubauen und damit für die Versorgungsforschung nutzbar zu machen.

Dies ist wiederum vom Gesetzgeber längst erkannt und im GSAV (Paragraf 35b Absatz 5) mit der Erhebung anwendungsbegleitender Daten geregelt worden, die der Bundesausschuss als Auflage bei seinem Nutzenbewertungsbeschluss verlangen kann.

Sie ist möglich bei Arzneimitteln mit beschleunigter, bedingter oder wegen außergewöhnlicher Umstände erteilten Zulassung sowie bei Orphan Drugs. Das Problem ist relevant: Arzneimittel dieser Kategorien machen zwischen 19 und 38 Prozent der Zulassungen aus, sie sind meist hochpreisig, aber die Evidenzgrundlage der Zulassung ist meist so schwach, dass der GBA den Zusatznutzen oft nicht quantifizieren kann und deshalb die Geltung seines Beschlusses befristet.

Innerhalb dieser Frist sollen in Beobachtungs- und Registerstudien neue Erkenntnisse generiert werden – und nur solche Ärzte und Kliniken, die sich an diesen Studien beteiligen, dürfen die betroffenen Arzneimittel verordnen.

Nicht alle Akteure haben Zugang zu Forschungsdaten

Ein neuer Streitpunkt ist im Zusammenhang mit dem Patientendatenschutzgesetz entstanden. Danach können Bürger ihre in der elektronischen Patientenakte gespeicherten Daten pseudonymisiert für Forschungszwecke spenden.

Zugangsberechtigung haben aber im Wesentlichen nur öffentliche Forschungseinrichtungen – Unis und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen –, nicht jedoch eHealth- oder Pharma-Unternehmen. Letztere, so kritisiert der vfa, initiieren und realisieren aber 87 Prozent der klinischen Studien. Der Zugang der industriellen Forschung scheiterte unter anderem am Widerstand der SPD.

Eine weitere Herausforderung sind die steigenden Preise für Arzneimittelinnovationen: Mit Jahrestherapiekosten von durchschnittlich 150 000 Euro wurde im vergangenen Jahr ein neuer Rekord erreicht. „Wir müssen offen darüber diskutieren, wie wir künftig nicht nur den Nutzen einer Therapie systematisch bewerten, sondern bei hochpreisigen Arzneimitteln auch die Kosten“, fordert DAK-Vorstandschef Andreas Storm.

Eine fünfte Hürde nach dem Kriterium der Bezahlbarkeit? International ist die Debatte um „Affordability Challenge“ längst im Gang. Nach Einschätzung der Autoren wäre es denkbar, Aspekte der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der GKV-Versichertengemeinschaft in den Nutzenbewertungsprozess einzubeziehen, ohne dass das grundlegende politische Paradigma des freien Zugangs zu Innovationen prinzipiell in Frage gestellt werden müsste, schreiben die Autoren des DAK-AMNOG-Reports.

Mondpreise oder Dumping?

Lösungsoptionen sehen sie in Preis-Volumen-Vereinbarungen, Risk-Sharing-Modellen oder Erfolgsvergütungen. Diese Modelle würden es auch ermöglichen, die durch den Einsatz extrem teurer Arzneimittel erzielten Einsparungen etwa durch vermiedene Hospitalisierung – ein wichtiger Effekt beispielsweise der innovativen Hepatitis-C-Präparate – bei der Preisbildung zu berücksichtigen. In der frühen Nutzenbewertung ist das nicht vorgesehen.

Weiteres Ungemach droht aus den USA, einem Hochpreisland für Arzneimittel. Parteiübergreifend wird dort geklagt, Europa und insbesondere Deutschland mache sich – ähnlich wie bei den Verteidigungsausgaben – einen schlanken Fuß.

Ein im Februar 2020 veröffentlichter Report des White House Council of Economic Advisors weist darauf hin, dass Deutschland nur 43 Prozent des Preises der umsatzstärksten Patent-Medikamente auf dem US-Markt zahlt und sich damit unzureichend an den Forschungsinvestitionen beteiligt.

AMNOG-Report-Autor Professor Wolfgang Greiner antwortet darauf mit einer Gegenfrage: „Sind vielleicht die Preise in den USA zu hoch?“

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