Noten statt TÜV
Wie die neuen Pflegenoten funktionieren
Der neue Pflege-TÜV rückt die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen in den Mittelpunkt. Dabei macht er Schluss mit den Gesamtnoten.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Mit dem Start der neuen Qualitätsbeurteilung von stationären Pflegeeinrichtungen im November sollte das bisherige System der Pflegenoten ausgesetzt werden, fordert der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). „Die Köpfe müssen frei werden für das Neue“, sagte er bei der ersten von fünf Regionalveranstaltungen, auf denen das neue Konzept vorgestellt wird.
Der ehemalige Pflegebeauftragte der Bundesregierung begrüßte, dass die Qualitätsprüfungen auf eine neue Basis gestellt werden. „Ich habe die Pflegenoten immer für eine Farce gehalten.“ Ein wichtiger Vorteil sei, dass die Situation der Pflegebedürftigen künftig die entscheidende Rolle spielen soll. „Die Beurteilung orientiert sich daran, wie es dem Pflegebedürftigen geht, und nicht an der Frage, was man gut überprüfen kann“, lobte er.
Die Umstellung sollte nach Meinung des Ministers vom Aufbau einer Fehlerkultur in der Pflege flankiert werden. „Das Schlimmste ist, wenn Fehler vertuscht werden, weil man dann nicht aus ihnen lernen kann.“ Schuldzuweisungen dürften bei Fehlern nicht im Vordergrund stehen, die betroffenen Einrichtungen dürften nicht an den Pranger gestellt werden.
„Ich glaube, das ganze System kann nur gut funktionieren, wenn wir in der Öffentlichkeit und der Fachwelt lernen, mit Fehlern vernünftig umzugehen“, betonte Laumann.
Neue Qualitätsbeurteilung in der stationären Pflege
Ein zentrales Ziel des neuen Modelles sei es, in den Pflegeeinrichtungen ein effizientes System der Qualitätssicherung zu implementieren, erläuterte Dr. Klaus Wingenfeld, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW). Das IPW hat gemeinsam mit dem Aqua-Institut das Konzept für die neue Qualitätsbeurteilung in der stationären Pflege entwickelt.
Die Qualitätsdarstellungen über die einzelnen Einrichtungen werden künftig auf zwei Säulen basieren: Indikatoren zur Ergebnisqualität, die von den Einrichtungen erfasst und von einer neutralen Stelle ausgewertet werden, sowie externe Prüfungen.
Beide Säulen haben einen starken Bezug zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. „Wir hoffen, dadurch verlässlichere, realistischere Informationen über die Qualität zu erhalten und Ansatzpunkte zu identifizieren, um Qualitätsverbesserungen einzuleiten“, so Wingenfeld.
Keine Gesamtnote mehr
Es wird künftig für die Heime keine Gesamtnoten mehr geben. „Das kann man nicht rechtfertigen“, findet er. Stattdessen werden anhand zehn verschiedener Indikatoren die Versorgungsergebnisse in verschiedenen Bereichen bewertet. Dabei steht die Situation des Pflegebedürftigen im Mittelpunkt.
Zu den Indikatoren gehören der Erhalt der Mobilität oder Selbstständigkeit, die Häufigkeit von Ereignissen wie Sturzverletzungen oder der Dekubitusentstehung, Maßnahmen wie Gurtfixierungen bei kognitiv beeinträchtigten Bewohnern oder das Schmerzmanagement.
Die entscheidende Größe für die Bewertung der einzelnen Bereiche ist das Verhältnis der einzelnen Einrichtung zum Durchschnitt aller Heime. Er wird zunächst anhand der Ergebnisse aus über 400 Einrichtungen festgelegt, in denen das neue Modell erprobt wurde. Wingenfeld: „In zwei Jahren wird man die Werte aus dem Regelverfahren ableiten können.“ Das Modellprojekt habe gezeigt, dass es eine große Spreizung zwischen den Heimen gibt.
So sind die Einstufungen
Für jeden der zehn Indikatoren gibt es die Einstufung: weit über dem Durchschnitt, leicht über dem Durchschnitt, nahe beim Durchschnitt, leicht unter dem Durchschnitt oder weit unter dem Durchschnitt. „Eine Ergebnisqualität weit unter dem Durchschnitt ist für die interne Qualitätssicherung ein Alarmzeichen“, betonte er. Zu den künftigen Aufgaben der Prüfdienste wird es gehören, die Heime zu beraten, wie sie Defizite beheben können.
Bei den externen Prüfungen wird es um Qualitätsaspekte gehen statt um die Erfüllung festgelegter Kriterien, erläuterte er. Ein Aspekt ist etwa die Unterstützung bei der Ernährung oder der Flüssigkeitsversorgung. „Die Prüfer müssen künftig die Frage beantworten, ob für Pflegebedürftige negative Folgen entstanden sind, die in der Verantwortung der Einrichtung liegen, oder ob die Gefahr besteht, dass negative Folgen eintreten können.“
In die öffentlich zugänglichen Qualitätsdarstellungen werden auch allgemeine Informationen zu den einzelnen Einrichtungen einfließen. Dazu gehören besondere Angebote für einzelne Patientengruppen und religiöse oder soziale Angebote sowie Informationen über die Zusammenarbeit der Heime mit niedergelassenen Ärzten.
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