Leopoldina

Wissenschaftler fordern Umdenken in der Krankenhauspolitik

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das Gesundheitssystem fester Bestandteil der Daseinsvorsorge ist. Die gleichen ökonomischen Maßstäbe wie in der wettbewerbsorientierten Wirtschaft anzulegen, verbietet sich, so eine Arbeitsgruppe renommierter Mediziner in einer Stellungnahme.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Wissenschaftler der Forschungsgemeinschaft Leopoldina haben sich in einer weiteren Stellungnahme kritisch zur bisherigen Krankenhauspolitik geäußert.

Wissenschaftler der Forschungsgemeinschaft Leopoldina haben sich in einer weiteren Stellungnahme kritisch zur bisherigen Krankenhauspolitik geäußert.

© picture alliance / Geisler-Fotop

Berlin. An ein Gesundheitssystem können nicht die gleichen wirtschaftlichen Maßstäbe angelegt werden, wie in der freien wettbewerbsorientierten Wirtschaft. Mit dieser Position hat sich eine Arbeitsgruppe der Leopoldina, die hauptsächlich aus renommierten klinischen Medizinern und Forschern besteht, zu Wort gemeldet.

Die Corona-Pandemie zeige deutlich, dass ein Gesundheitssystem „integraler Bestandteil der Daseinsvorsorge ist“. „Die Gestaltung eines adaptiven Gesundheitssystems, das auch Ausnahmesituationen meistern kann, ist eine staatliche Aufgabe“, heißt es in der vierten Ad-hoc-Stellungnahme der Akademie der Wissenschaften zur Corona-Pandemie.

Hochschulmedizin soll führende Rolle einnehmen

In jeder Situation müsse sichergestellt werden, dass die Bevölkerung bedarfsgerecht und qualitätsgesichert versorgt werden könne. Anreize für eine Über- oder Fehlversorgung dürfe es nicht geben. Für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems schlagen die Wissenschaftler unter anderem folgendes vor:

  • Aufbau von regionalen Versorgungs- und Forschungsnetzwerken mit jeweils festgelegten Versorgungsstufen für Krankenhäuser und eine entsprechende Patientensteuerung. Die Universitätsmedizin soll dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Die Unikliniken müssten zudem umfassende Laborkapazitäten sowie technische Einrichtungen für spezialisierte Behandlungen vorhalten. Über einen Ausbau der Telemedizin solle sie sich mit allen Leistungserbringern verbinden und so eine überregionale Beratungs- und Mitbehandlungstätigkeit ausüben.
  • Stationäre und ambulante Angebote in einer Region sollen eng vernetzt werden. Patienten mit komplexen oder seltenen Erkrankungen sollen ambulant hochschulmedizinisch versorgt werden können. Mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) und niedergelassenen Ärzten soll flexibel kooperiert werden.
  • Der ÖGD soll gestärkt und in regionale Netzwerke eingebunden werden. Die Themen Infektiologie sowie Krankenhaushygiene sollen eine größere Bedeutung bekommen.
  • Ausbau der Digitalisierung, so dass ein schneller Zugriff auf aktuelle Daten gewährleistet ist. Die unterschiedlichen IT-Systeme müssen kompatibel sein.
  • Die medizinische Grundlagenforschung muss national und international stärker vernetzt werden. Eine passgenaue Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie müsse sichergestellt sein.
  • Weiterentwicklung des Fallpauschalensystems. Der Leistungsbezug solle beibehalten werden. Allerdings müsse die Vorhaltefinanzierung so gestärkt werden, „dass grundsätzliche Fehlanreize des derzeitigen Systems korrigiert und vermieden werden“. Die Bildung von Reserven zum Beispiel für zusätzliche Intensiv- und Infektionsbereiche oder für die Notfallmedizin sollte möglich sein.

Mehr Wertschätzung für Mitarbeiter

Zudem plädieren die Wissenschaftler dafür, dem medizinischen und pflegerischen Mitarbeitern mehr gesellschaftliche Wertschätzung entgegenzubringen. Dazu gehörten eine angemessene Bezahlung, attraktive Ausbildungsstrukturen und gute Arbeitsbedingungen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Bundestagsfraktion, Jan Korte, begrüßte die Stellungnahme der Leopoldina. Wenn die Bundesregierung die Empfehlungen ernst nehme, müsse sie zügig eine große Gesundheitsreform auf den Weg bringen, so Korte. „Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern eine Abkehr vom System der Fallpauschalen und machen deutlich, dass Gesundheit und Markt grundsätzlich nicht miteinander vereinbar sind.“

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