Studien gefälscht

Bericht belastet Anästhesisten

In der Affäre um den ehemaligen Chefarzt aus Ludwigshafen, Dr. Joachim Boldt, scheinen sich die Vorwürfe zu erhärten. Eine unabhängige Prüfkommission hat jetzt ihren Bericht vorgelegt - und mindestens zehn manipulierte Studien gefunden.

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Klinikum Ludwigshafen: Boldt-Bericht vorgelegt.

Klinikum Ludwigshafen: Boldt-Bericht vorgelegt.

© Ronald Wittek / dpa

LUDWIGSHAFEN (ine). Der Mediziner Dr. Joachim Boldt hat in seinen Studien wissenschaftliche Daten manipuliert und gefälscht.

Zu diesem Ergebnis kommt eine unabhängige Kommission im Auftrag des Klinikum Ludwigshafen. Der 168 Seiten starke Bericht liegt nun der Staatsanwaltschaft vor, die prüft, ob der Wissenschaftsbetrug strafrechtliche Folgen für den Anästhesisten hat.

Dem ehemaligen Chefarzt wird vorgeworfen, bei seinen Studien über Plasmaexpander gegen berufs- und arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoßen und Ergebnisse gefälscht zu haben. Das Klinikum hatte sich 2010 von ihm getrennt, als erste Vorwürfe laut wurden.

In mindestens zehn von 91 von der Kommission untersuchten Publikationen des Anästhesisten sind falsche Angaben veröffentlicht worden - etwa zu Patientenzahlen, Untersuchungsgruppen und Messzeitpunkten.

"Ein Großteil der Originaldaten war nicht aufzufinden", sagte Professor Eike Martin, Vorsitzender der Kommission und Direktor der Klinik für Anästhesiologie des Uniklinikums Heidelberg bei der Vorstellung des Berichts in Ludwigshafen.

Boldt, so Martin, habe zwar keine Studiendaten erfunden, er habe aber Daten manipuliert und Patientengruppen "je nach Lust und Laune gemischt". Boldt habe zudem die Patienten nicht über seine Studien aufgeklärt.

Unterschriften von Kollegen gefälscht

Nach Angaben der Kommission sind keine Patienten dabei zu Schaden gekommen. 455 Patienten und 48 Probanden, deren Datenmaterial in die Forschungsarbeiten des ehemaligen Chefarztes eingeflossen waren, konnten nach Angaben der Kommission nachträglich identifiziert werden.

Die Kommission überprüfte die Behandlungsunterlagen nach der Klassifizierung der "Good clinical practise" und ließ die Akten auch von Experten begutachten.

"Es ist eine große Erleichterung für uns, dass bis auf zwei Fälle keine studienbedingten Nachteile nachweisbar waren", so Dr. Joachim Stumpp, Geschäftsführer des Klinikums. Die Komplikationen hätten glücklicherweise bei beiden Betroffenen keine bleibenden Schäden hinterlassen.

Eine Stellungnahme von Boldt liegt dem Klinikum nicht vor. Bislang, so Martin, habe der Mediziner nur zugegeben, dass er Unterschriften seiner Co-Autoren gefälscht habe.

Zwei Oberärzte, die an seinen Studien beteiligt waren, hatten im Frühjahr 2011 das Klinikum verlassen, die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Auch an der Justus-Liebig-Uni in Gießen, wo Boldt zuvor beschäftigt war, laufen noch Verfahren.

Martin rechnet damit, dass 2013 erste Ergebnisse der Staatsanwaltschaft vorliegen. Boldt könnte nach dem Professorentitel sogar seine Approbation entzogen werden. Außerdem droht ihm eine Schadensersatzklage des Klinikums.

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