Corona-Pandemie

Bundesverfassungsgericht billigt die Bundesnotbremse

Die wegen der Coronavirus-Pandemie verhängten Einschränkungen durch die Bundesnotbremse sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht verweist auf den Schutz für Leben und Gesundheit.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Verhältnismäßig und erforderlich, so stufen die Karlsruher Richter die Corona-Maßnahmen durch die Bundesnotbremse ein.

Verhältnismäßig und erforderlich, so stufen die Karlsruher Richter die Corona-Maßnahmen durch die Bundesnotbremse ein.

© [M] Udo Herrmann / CHROMORANGE / picture alliance

Berlin/Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat die wegen der Corona-Pandemie verhängten Einschränkungen durch die Bundesnotbremse gebilligt. In seiner Begründung rückte es den Schutz für Leben und Gesundheit auf der Rangliste der Verfassungsziele ganz nach oben.

Mit Blick darauf waren die Kontaktbeschränkungen, Ausgangssperren und auch Schulschließungen verhältnismäßig und erforderlich, heißt es in zwei am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschlüssen. Das gelte auch für das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Ärzteorganisationen hielten sich mit Stellungnahmen vorerst zurück. Die insgesamt 209 Beschluss-Seiten würden aber eingehend geprüft. Politiker mehrerer Parteien verwiesen auf die nun verbesserte Rechtsklarheit für weitere Entscheidungen – vor allem Die Linke, aber auch auf sich aus den Entscheidungen ergebende Aufträge, insbesondere zur besseren Absicherung des Schulbetriebs.

Grundrechtseingriffe verhätnismäßig

Das am 22. April 2021 verabschiedete, gemeinhin als Bundesnotbremse bezeichnete Vierte Bevölkerungsschutzgesetz sah regionale Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 vor, Schulschließungen ab einer Inzidenz von 165.

Hierzu betonte nun das Bundesverfassungsgericht die Pflicht und Verantwortung des Gesetzgebers, „Konflikte zwischen hoch- und höchstrangigen Interessen trotz ungewisser Lage zu entscheiden“. Bei dem Gesetz sei es um „Gemeinwohlziele von überragender Bedeutung“ gegangen. Das Robert Koch-Institut (RKI) habe die Risiken und das Infektionsgeschehen „insgesamt als sehr hoch“ eingeschätzt.

Gleichzeitig habe der Gesetzgeber nach übereinstimmenden Expertenaussagen davon ausgehen können, dass Kontaktbeschränkungen die Verbreitung des Coronavirus eindämmen. Die damit verbundenen ganz erheblichen Grundrechtseingriffe seien daher verhältnismäßig und auch nach verfassungsrechtlichen Maßstäben erforderlich gewesen.

Dazu hätten auch Ausnahmen beigetragen, mit denen der Gesetzgeber die verschiedenen Belange in einen Ausgleich gebracht habe. Konkret nannten die Karlsruher Richter etwa Kontakterleichterungen für die enge Familie und für Beerdigungen oder bei den Ausgangssperren für Wege zur Arbeit und zum Arzt.

Richter schlagen deutliche Pflöcke gegen Schulschließungen ein

Zudem seien die Beschränkungen nur regional bei Inzidenzen über hundert in Kraft getreten. „Umfassende Ausgangsbeschränkungen kommen nur in einer äußersten Gefahrenlage in Betracht“, heißt es in einem der Karlsruher Beschlüsse.

Nach dem zweiten Beschluss waren auch „Schulschließungen nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und Sachlage zulässig“.

Gleichzeitig schlug das Gericht aber deutliche Pflöcke ein, um weitere Schulschließungen wenn irgend möglich zu vermeiden sowie Bund und Länder andernfalls zu Ausgleichsmaßnahmen zu verpflichten. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht erstmals „ein Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung anerkannt“.

Auch hier sei aber klar gewesen, dass Schulschließungen die Kontakte und damit die Verbreitung des Coronavirus eindämmen können. Das treffe auch zu, obwohl Kinder seltener und dann meist weniger schwer erkranken. Und auch hier habe sich der Gesetzgeber bemüht, die Belastungen abzufangen und komplette Schulschließungen erst ab 165 vorgesehen – einer Schwelle deutlich über der für Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen. (mwo)

Bundesverfassungsgericht: Az.: 1 BvR 781/21 und weitere ( Kontaktbeschränkungen) sowie 1 BvR 971/21 und weitere (Schulschließungen)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 30.11.202119:51 Uhr

Aktuell wird der politische, multimediale Diskurs von Empirie-freier Omikron-Varianten-Panik bestimmt, bei der man auch einfach infektiologische Experten der Republik Südafrika RSA/Nachbarländer hätte befragen können. 

Offen gestanden befürchtete ich, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hätte heute wie früher so oft ein ambivalent-juristisch-wohlabgewogenes Sowoh-Als-Auch als Votum abgegeben.

Derzeit haben wir eine noch dramatisch schlechtere und andere Situation bzw. Ausgangslage in der Bundesrepublik Deutschland, als im Zeitbereich des Lockdowns vom 23.04.2021 bis 30.07.2021. 

Aus dem Beschluss des BVerfG vom 30.11.2021: "Danach waren die hier zu beurteilenden Kontakt- und selbst die Ausgangsbeschränkungen in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig"; eine bewunderswerte Klarstellung! 

"Laissez faire" ist out, Impfpflicht, 2G+ und Lockdown sind in.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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