Überörtliche BAG
Der Trick mit der trampelnden Nachtigall
Eine junge Berufsausübungsgemeinschaft genießt nicht den gleichen Schutz wie eine langjährige Kooperation. Dennoch lässt sich auch mit einer Neugründung Einfluss auf die Neubesetzung eines Vertragsarztsitzes nehmen.
Veröffentlicht:OSNABRÜCK. Eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) mit einem Kollegen, der schon seinen Ruhestand angekündigt hat? Da hört man die sprichwörtliche Nachtigall nicht nur trapsen, sondern schon lautstark trampeln: Da steht ein junger Kollege in den Startlöchern, dem die aktiven Nachbarn den Sitz sichern wollen.
Aber auch ein offenkundiger Trick kann funktionieren, wie ein vor dem Bundessozialgericht (BSG) in Kassel verhandelter Fall zeigt. Denn auch in solchen Fällen bleibt den ÜBAG-Kollegen ein zumindest minimaler Einfluss im Nachbesetzungsverfahren.
Im Streitfall ging es um einen urologischen Vertragsarztsitz in Osnabrück. Als der Arzt seinen Ruhestand ankündigte, griff eine BAG mit Praxen südöstlich der Stadt, konkret in Dissen und Melle, beherzt zu und nahm den scheidenden Kollegen auf.
Gleichzeitig einigte sich dieser bereits mit einem von den Partnern der ÜBAG vorgeschlagenen Kollegen auf eine Übernahme der Praxis. Der bewarb sich denn auch, als bald darauf der Sitz als Sitz einer BAG neu ausgeschrieben wurde.
Er blieb aber nicht der einzige Bewerber. Denn einer urologischen Gemeinschaftspraxis in Bramsche nördlich von Osnabrück hatte das Vorgehen der Süd-Konkurrenz gar nicht gefallen. Sie hätte den Praxissitz in der Stadt gerne selbst gehabt, wohl um dann ebenfalls eine ÜBAG zu gründen.
Also bewarb sich auch ein Kollege aus Bramsche. Der Zuschlag ging aber an den Wettbewerber. Also reichte der Nord-Urologe zwei Klagen ein: Mit einer wandte er sich gegen die Genehmigung der Süd-BAG (Az.: B 6 KA 43/13 R). Mit einer Konkurrentenklage beanspruchte er zudem den städtischen Sitz für sich (Az.: B 6 KA 44/13 R).
Doppelstrategie des Klägers
Ziel der Doppelstrategie war es, dass das BSG zumindest in einem der Verfahren die Nachbesetzung und seine Vorgeschichte prüft. "Es kann nicht sein, dass mein Mandant zwischendurch rutscht", sagte Rechtsanwältin Claudia Baumann aus Hamburg bei der mündlichen Verhandlung in Kassel.
Inhaltlich argumentierte Baumann, die BAG-Gründung sei missbräuchlich und daher unwirksam gewesen. Tatsächlich und auch nach den geschlossenen Verträgen habe kein wirklicher Kooperationswille bestanden.
Letztlich habe die BAG nur den Zweck gehabt, das reguläre Nachbesetzungsverfahren und die damit verbundene Bestenauslese zu unterlaufen. Das Interesse zur Zusammenarbeit sei nur auf den Nachfolger ausgerichtet gewesen. Der habe, um den scheidenden Kollegen zu locken, weit mehr als den tatsächlichen Praxiswert gezahlt.
Für die beigeladene Süd-BAG sah Rechtsanwalt Martin Voß aus Münster dies naturgemäß alles anders. Doch auch der Vorsitzende Richter Ulrich Wenner formulierte schon während der Verhandlung vorsichtig, dass "der plötzliche Wille zur Zusammenarbeit mit jemandem, der schon signalisiert hat, nicht mehr arbeiten zu wollen, nicht dem Leitbild einer BAG-Gründung entspricht".
Der Gedanke, der Nord-Kollege sei "ausgebootet" worden, liege jedenfalls nicht fern. Doch bei allem Verständnis und allen Sympathien auf der Richterbank des BSG-Vertragsarztsenats: Rechtlich blieben die Klagen ohne Erfolg.
Die Klage gegen die BAG-Gründung wies das BSG schon als unzulässig ab. Allein die Gründung einer BAG berühre noch keine geschützten Positionen der Kollegen. Das gelte auch, wenn eine Nachbesetzung ansteht.
In diesem Fall sei es zudem kaum möglich, den Kreis der potenziell betroffenen und deshalb gegebenenfalls klageberechtigten Bewerber abzugrenzen. "Kein Arzt hat einen Anspruch darauf, dass die bestehenden Strukturen bleiben", sagte Richter Wenner bei der Urteilsverkündung.
Gewicht ist Gewicht, auch wenn es gering ist
Bei der Nachbesetzung stiegen die Kasseler Richter in eine inhaltliche Prüfung ein. Und sie betonten auch, dass die Belange der BAG-Partner hier umso weniger Gewicht haben, "je kürzer und lockerer die Kooperation in der BAG war". Doch geringes Gewicht heißt eben noch nicht kein Gewicht.
Mit Erfolg wiesen der beklagte Berufungsausschuss, die beigeladene Süd-BAG und die ebenfalls beigeladene KV Niedersachsen darauf hin, dass der klagende Nord-Kollege überhaupt nicht an der BAG interessiert gewesen sei.
Er habe die Stadt-Praxis als Einzelpraxis übernehmen und dann in eine BAG mit seiner bisherigen Praxis in Bramsche einbringen wollen.
Dem ist das BSG gefolgt. Die Zulassungsgremien dürften bei einem BAG-Sitz Bewerber ausschließen, die nicht in der BAG arbeiten wollen. Dies sei hier so gewesen. Eine später nachgeschobene Bereitschaft sei rechtlich ohne Belang.
Hier habe der Bramscher Urologe sogar in einer klaren Konkurrenzsituation zu den Kollegen der Süd-BAG gestanden. Auch bei geringer Gewichtung ihrer Interessen sei dies der BAG nicht zumutbar.