Defizitäre Häuser, zu wenig Personal
Kliniklobby schlägt Alarm
Bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft schrillen die Alarmglocken: Aktuell seien über 22.000 Pflegestellen in Kliniken unbesetzt – dreimal so viele wie noch 2016. Auch die Erlössituation der Häuser habe sich wegen Corona verschlechtert – trotz staatlicher Hilfen.
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Vier von fünf deutschen Kliniken haben Probleme, offene Pflegestellen auf ihren Allgemein- und Intensivstationen zu besetzen, berichtet die DKG.
© Fabian Strauch/ dpa
Berlin. Die Krankenhauslobby hat die neue Bundesregierung zu Maßnahmen im Kampf gegen den Pflegepersonalmangel aufgerufen. Der Mangel an Pflegefachkräften sei das „drängendste Problem“ der Gesundheitspolitik, es gehöre daher „ganz oben auf die politische Tagesordnung“, adressierte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, am Montag an die Ampel-Koalitionäre.
Gaß verwies auf Zahlen aus dem aktuellen Krankenhaus-Barometer 2021 des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI). Demnach haben vier von fünf Krankenhäuser Schwierigkeiten, offene Pflegestellen sowohl auf Allgemein- als auch auf Intensivstationen zu besetzen.
Fehlende Pflegekräfte
DIVI: Für Intensivstationen stehen die Zeichen seit Jahren auf Sturm
Vier von fünf Häusern mit Personalproblemen
Bundesweit sind der Befragung zufolge rund 22.300 Pflegestellen vakant. Damit habe sich diese Zahl seit 2016 verdreifacht, zeigte sich die DKG alarmiert. Auch die Zukunftsaussichten sind laut Umfrage alles andere als rosig. So geht jedes zweite Krankenhaus davon aus, dass sich die Personalsituation in der Pflege in den kommenden drei Jahren verschlechtert.
Die Ergebnisse des Krankenhaus-Barometers 2021 beruhen auf der Befragung stichprobenartig ausgewählter Allgemeinkrankenhäuser ab einer Größe von 100 Betten. Insgesamt beteiligten sich 291 Kliniken.
Gaß betonte, ein probates Mittel, um die Personalprobleme in der Klinikpflege nachhaltig zu lösen, sei das von der Gewerkschaft Verdi, dem Deutschem Pflegerat und der DKG erarbeitete Instrument zur Pflegepersonalbedarfsmessung, kurz PPR 2.0 genannt. Das Konzept finde sich auch im Koalitionsvertrag der Ampel wieder. Umso mehr erwarteten die Kliniken, dass der Vorschlag „kurzfristig“ umgesetzt werde, sagte der DKG-Chef.
Gaß: Ampel muss Finanzreform zügig angehen
Handlungsbedarf macht die Kliniklobby auch mit Blick auf die Finanzierung der Krankenhäuser aus. 60 Prozent der Häuser rechnen laut DKI-Umfrage damit, dass sie das laufende Jahr mit roten Zahlen abschließen werden – das seien doppelt so viele wie im Jahr 2020, hieß es.
Aktuell stufen laut Umfrage nur elf Prozent der Kliniken ihre wirtschaftliche Situation als gut ein. Für das nächste Jahr erwarten lediglich 22 Prozent der Häuser, dass sich ihre Lage verbessert.
Als Grund für die wirtschaftlichen Probleme nennen die Häuser Belegungsrückgänge infolge der Corona-Pandemie und damit einhergehende Einschränkungen im Regelbetrieb. Zum Befragungszeitpunkt Ende Mai bis Ende Juli 2021 beklagte jedes zweite Krankenhaus eine geringere Auslastung als im Vorjahr.
„Angesichts der dramatischen Auswirkungen der Corona-Pandemie war es richtig, dass die Bundesregierung noch vor Weihnachten gehandelt und die Ausgleichszahlungen bis in den März 2022 verlängert sowie einen Ganzjahresausgleich eingeführt hat“, sagte DKG-Chef Gaß.
Problematisch bleibe aber, dass bei den Ausgleichszahlungen psychiatrische Kliniken außen vor blieben und der Ganzjahresausgleich die Erlösverluste nicht umfassend abdecke. Die Umsetzung der von der Koalition angekündigten Finanzierungsreform dulde daher keinen Aufschub, so Gaß.
Neue Verordnung
Krankenhäuser bekommen Corona-Hilfen bis März
Regierungskommission soll Lösungsvorschläge bringen
SPD, Grüne und FDP wollen in einer Regierungskommission Empfehlungen für eine Krankenhausreform erarbeiten. Darin enthalten sein soll eine „Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung“.
Ziel ist es, die Klinik-Fallpauschalen (DRG) um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen zu ergänzen.
Auf diese Weise soll unter anderem eine auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe sichergestellt werden. Zuletzt hatten auch Deutschlands Klinikärzte auf Änderungen am DRG-System gedrungen. (hom)