Kolumne „Hörsaalgeflüster“
Warum Austauschprogramme für das Gesundheitssystem ein Gewinn sind
An studentischen Austauschprogrammen sparen? Keine gute Idee – und eine verschenkte Chance, ausländische Fachkräfte für die Arbeit in Deutschland zu begeistern.
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Von studentischen Austauschprogrammen profitieren beide Seiten: Die Studierenden, die einen Blick in die Versorgungswelt eines anderen Landes werfen ebenso wie das Gastland.
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Die Globalisierung macht auch vor dem Gesundheitssystem keinen Halt. Mediziner*innen sind weltweit vernetzt, um sich über neue Technologien, Behandlungsmethoden und Krankheiten auszutauschen. Denn es ist wichtig, auch als Ärzt*in über den Tellerrand hinaus zu blicken. Als bvmd möchten wir Studierenden deshalb die Möglichkeit geben, sich global zu orientieren und kostengünstig Auslandserfahrungen sammeln zu können. Dabei sind Auslandsaufenthalte sehr bereichernd: für die persönliche Weiterentwicklung, im Bezug auf die eigene Karriere, aber auch für einen sensiblen, professionellen und emphatischen Kontakt mit künftigen Patient*innen.
Ein Vergleich zwischen verschiedenen Gesundheitssystemen hilft, deren Stärken und Schwächen besser zu verstehen. Studierende können Behandlungsmöglichkeiten kennenlernen und Ansätze mit nach Deutschland bringen, die hier noch weniger etabliert sind. Der Austausch mit internationalen Fachkräften erweitert die individuellen Fähigkeiten zur Zusammenarbeit und bringt Wissenszuwachs und interkulturelle Kompetenz.
Gute Werbung auch für die Weiterbildung
Zudem sensibilisieren Austauscherfahrungen für globale Gesundheitsprobleme und motivieren junge Menschen, sich auch langfristig in ihrer weiteren Laufbahn für internationalen Austausch und soziale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen einzusetzen. Der Austausch ermöglicht Deutschland auch, hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, die als internationale Studierende über unsere Programme nach Deutschland kommen und sich später dafür entscheiden, hier ihre Weiterbildung zu absolvieren und langfristig als Ärzt*innen zu arbeiten.
Kolumne
Hörsaalgeflüster
Um unsere Vorstellung von internationalem Austausch für möglichst viele Studierende umzusetzen, braucht es vor allem eines: viel Engagement. Für alle Studierenden, die für einen Austausch ins Ausland gehen, kommt auch ein*e internationale*r Student*in zu uns nach Deutschland. Vor der COVID-Pandemie waren es über 400. Dabei können die Teilnehmenden unserer verschiedenen Austauschprogramme in drei Bereichen Erfahrungen im Rahmen eines einmonatigen Praktikums sammeln: Wir organisieren klinische Praktika, die einer Famulatur ähnlich sind. Aber auch Forschungs- und Public Health Praktika mit begleitenden Bildungsprogrammen sind möglich. Damit möchten wir sowohl ein breites Interessenspektrum der Studierenden als auch der Medizin abdecken.
Sparprogramme belasten Austausch schon jetzt
Unser Projekt wird dabei zum Großteil und schon seit Beginn in den 1950er-Jahren durch Bewerbungsgebühren der deutschen Studierenden und durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert. Die Kürzungen, die dem DAAD seit Jahren auferlegt werden, gehen leider auch an uns nicht spurlos vorbei. Inzwischen können wir weniger als 300 Austauschplätze anbieten. Aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung muss der DAAD leider noch weiter sparen, wobei unser Programm inzwischen existenziell bedroht ist. Wir können nicht oft genug wiederholen: Wie bei globaler Gesundheit und Bildung kostet uns als Gesellschaft jeder Euro, der hier gespart wird, in Zukunft ein Vielfaches!
Zudem organisiert die AG Austausch der bvmd alles ehrenamtlich. Das umfasst die Koordination der Bewerbungsprozesse, die Kommunikation mit den Partnerorganisationen in über 90 Ländern, finanzielle und logistische Aspekte sowie die Gestaltung eines sozialen Rahmenprogramms, das kulturellen Austausch und Vernetzung ermöglicht. Durch ihr Engagement trägt die AG maßgeblich dazu bei, dass jedes Jahr Hunderte Studierende Medizin aus einer internationalen Perspektive erleben können. Doch dabei sind wir auch immer auf Kliniken, Forschungseinrichtungen und Institutionen für Öffentliche Gesundheit angewiesen, die Praktikumsplätze anbieten. Wenn Sie sich vorstellen könnten, Ihr Team für einen Monat international zu erweitern, schreiben Sie uns doch gerne. Wir freuen uns immer über neue Kontakte!
Und an die nächste Bundesregierung: Erkennen Sie den enormen Mehrwert internationaler Hochschulen und studentischer Mobilität. Mit relativ wenig Geld helfen Sie uns, deutschen Studierenden die Welt zu zeigen und umgekehrt, die Studierenden aus nah und fern von Deutschland zu begeistern.
Charlotte Holste ist Exchange Assistant for Incomings bei der bvmd und studiert im fünften Semester Medizin an der Charité.
Der Beitrag ist Teil der Kolumne „Hörsaalgeflüster“, in der die bvmd regelmäßig in der Ärzte Zeitung Entwicklungen im Gesundheitswesen aus Sicht der künftigen Ärzt*innen-Generation betrachtet.