Öffentlicher Ärzte-Appell

Mehr den Patienten, nicht die Erlöse im Blick halten!

Ärzte und Wissenschaftler fordern, den kaufmännischen Krankenhausdirektoren das Heft des Handelns wieder aus der Hand zu winden. Eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft sei nötig.

Anno FrickeVon Anno Fricke und Thomas HommelThomas Hommel Veröffentlicht:
Zahlen zählen: Die Ökonomie scheint in vielen Kliniken die Oberhand zu haben. Eine Ärztegruppe fordert nun ein Umdenken. © hjschneider / fotolia.com

Zahlen zählen: Die Ökonomie scheint in vielen Kliniken die Oberhand zu haben. Eine Ärztegruppe fordert nun ein Umdenken. © hjschneider / fotolia.com

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Berlin. Ärzten dürften keine Entscheidungsträger vorgesetzt sein, die vor allem die Erlöse, nicht aber die Patienten im Blick hätten, heißt in dem am Donnerstag im „Stern“ veröffentlichten Text. Gleichzeitig wird ein „Masterplan“ für eine Neuordnung der Krankenhauslandschaft gefordert.

Stoßrichtung der Initiative sind auch Teile der Ärzteschaft selbst. Zu bereitwillig ordneten sie sich ökonomischen und hierarchischen Zwängen unter. „Wir rufen diese auf, sich nicht länger erpressen und korrumpieren zu lassen“, formulieren die Autoren des „Ärzte-Appells“.

Drei Punkte werden hervorgehoben

Die Autoren fordern:

  • Das Fallpauschalensystem muss ersetzt oder zumindest grundlegend reformiert werden.
  • Die ökonomisch gesteuerte gefährliche Übertherapie sowie Unterversorgung von Patienten müssen gestoppt werden. Dabei bekennen wir uns zur Notwendigkeit ökonomischen Handelns.
  • Der Staat muss Krankenhäuser dort planen und gut ausstatten, wo sie wirklich nötig sind. Das erfordert einen Masterplan und den Mut, mancherorts zwei oder drei Kliniken zu größeren, leistungsfähigeren und personell ausgestatteten Zentren zusammenzuführen.

Wer sind die Initiatoren des Aufrufs?

Die Autoren, zu denen der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) sowie die Fachgesellschaften der Internisten, der Chirurgen und Kinder- und Jugendärzte sowie die Bundesvertretung der Medizinstudierenden gehören, adressieren allgemein den Staat. In der Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Zuständigkeit der Länder für die Krankenhausfinanzierung verwiesen.

Seit Jahren bleiben die Länder Jahr für Jahr weit hinter den sechs Milliarden Euro zurück, die für Krankenhausbauten und die Ausstattung mit medizinischen Großgeräten pro Jahr angesetzt werden. Dass die Krankenhäuser die jedes Jahr rund fehlenden 3,5 Milliarden Euro aus den Fallpauschalen und dem medizinischen und pflegerischen Personal quetschen, gilt weithin als unumstritten.

DKG warnt vor mehr „Staat“

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat am Donnerstag vor mehr „Staat“ im Gesundheitswesen gewarnt. „Der Wunsch, die Krankenbehandlung von der Finanzierung des Krankenbehandlungssystems zu entkoppeln, mag sozialethisch ehrenwert sein“, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum am Donnerstagvormittag. Viele staatsfinanzierte Gesundheitssysteme zeigten aber, dass dies zu keiner besseren Versorgung führe. Als Beispiele führte er die Gesundheitswesen sozialistischer Länder und das Großbritanniens an.

Außer Frage stehe jedoch eine Reform der Fallpauschalen (DRG). „Gesonderte Vorhaltungen“ könnten zum Beispiel nicht aus den DRG finanziert werden. „Das gilt insbesondere für die Ausfinanzierung der Personalkosten, bei denen Tarifsteigerungen über das Fallpauschalensystem alleine nicht ausreichend finanziert werden“, sagte Baum.

Die große Koalition hat mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) bereits die Weichen dafür gestellt, im kommenden die Pflegekosten komplett aus den Fallpauschalen herauszunehmen. Auch heute schon werden Tarifsteigerungen und sogar Neueinstellungen komplett von den Kassen refinanziert.

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Der Ärzte-Appell geht auf den von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin angestoßenen „Ärzte Codex“ zurück, der wiederum aus dem 2017 aufgelegten „Klinik-Codex“ der DGIM hervorgegangen ist. Der Codex formiert einen klaren Primat der Medizin vor der Ökonomie. Darin heißt es: „Wir lehnen alle Leistungs-, Finanz-, Ressourcen- und Verhaltensvorgaben ab, welche für uns offensichtlich erkennbar zu einer Einschränkung unseres ärztlichen Handelns und unseres ärztlich-ethischen Selbstverständnisses führen und das Patientenwohl gefährden können“.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 09.09.201916:29 Uhr

Ebenfalls ...

Mitunterzeichner von #menschstattprofit

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z.Zt. Ramatuelle/F)

Claus F. Dieterle 06.09.201912:16 Uhr

Ärztliche Berufsordnung und Monetik?

Im diesem Zusammenhang möchte ich die ärztliche Berufsordnung in Erinnerung rufen und die Goldene Regel aus der Bibel, nämlich in Matthäus 7,12: "Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt...".

Dr. Günther Jonitz 06.09.201908:14 Uhr

Differenzierte Berichterstattung

ist immer erwünscht. Der Appell im STERN beruht auf der Kritik der Ärzteschaft am DRG System seit mindestens 1994, mit Höhepunkt Ärztetag 2001 in Ludwigshafen. Dass inzwischen weitere Aktionen von Berufsverbänden und Fachgesellschaft dazu gekommen sind - nachdem die Appelle der Ärztetage weitgehend verpufft sind (kann nur in der Politik niemand sagen, er habe es nicht gewußt) - ist höchst willkommen und sehr relevant.
Wer den Text wirklich gelesen hat, wird wissen, dass bspw. der absolute DRG-Fachmann Alexander Geissler eine Sockelfinanzierung der Krankenhäuser gefordert hat. Wer das als "Staatsmedizin" ansieht, hat etwas nicht richtig verstanden.
Der Fachjournalist Albrecht hat genau und umfassend recherchiert. Dass sogar die bedrohte Weiterbildung addressiert ist, darf die ärztliche Fachpresse erfreuen. Gab es das schon mal vergleichbar woanders?
Herzlichst
Dr. Günther Jonitz
Präsident der Ärztekammer Berlin
Mitunterzeichner von #menschstattprofit

P. S. Man darf auch als ÄZ zum Mitmachen aufrufen ;-)

Dr. Thomas Georg Schätzler 05.09.201916:46 Uhr

Ethisch-normative Medizin vs. monistisch orientierte Gesundheitsdiktatur

Musterbeispiele für die Durchökonomisierung und Durchrationalisierun in der medizinischen Kranken- und Daseins-Versorgung sind Bestrebungen, möglichst alle "unrentabel" arbeitenden Kliniken zugunsten von Großkrankenhäusern als betriebswirtschaftlich orientierten "Gesundheitsfabriken" auszumerzen:

- im AOK-Krankenhaus-Report von 2018 sollten 500 Kliniken in Deutschland dran glauben.
https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/bedarfsplanung/article/959967/aok-krankenhausreport-500-kliniken-koennen-dicht-machen.html

- die "Leopoldina" mit einem 8-Thesen-Papier und dem anspruchsvollen Titel "Nationale Empfehlungen - Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem (2016)" wollte 600 Kliniken ersatzlos schließen.
www.leopoldina.org/de/publikationen/detailansicht/publication/zum-verhaeltnis-von-medizin-und-oekonomie-im-deutschen-gesundheitssystem-2016/

- Zugespitzt wird das Ganze durch einen Report der Bertelsmann-Stiftung (BS), nach dem die gerade erst im ländlichen Raum geförderten, kleineren Kliniken wieder geschlossen werden sollten: Paradoxerweise, damit die klinische Versorgung verbessert werden sollte. https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/bedarfsplanung/article/992475/bertelsmann-stiftung-bessere-versorgung-nur-weniger-kliniken-moeglich.html

Von den derzeit knapp 1.400 Krankenhäusern sollten nur deutlich weniger als 600 größere und bessere Kliniken erhalten bleiben. Nur Kliniken mit größeren Fachabteilungen und mehr Patienten hätten genügend Er­fahrung für eine sichere Behandlung, betonen die Autoren der BS-Studie.

Dabei wurde die im Ländlichen Raum, in Sozialen Brennpunkten und Randgebieten bereits aus ökonomischen Gründen extrem heruntergefahrene ambulante medizinisch-ärztliche Versorgung durch Haus-, Familien- und Fachärzte gar nicht mit berücksichtigt. Erst-, Notfall-, Rettungs- und Transportmaßnahmen würden dadurch erheblich verzögert und sind in die BS-Kalkulationen ebenfalls nicht mal ansatzweise eingeflossen, gehören aber insgesamt zur Daseinsvorsorge.

Medizin- und Versorgungs-fremde bzw. volks- und betriebswirtschaftlich den großen Krankenhaus-Konzernen nahestehende Krankenhausexperten wie der Politikwissenschaftler Dr. Jan Böken, Professor Boris Augurzky vom RWI, Professor Reinhard Busse von der TU Berlin oder Professor Max Geraedts von der Uni Marburg haben Interesse-geleitet ein Zerrbild entwickelt, das in eine im BS-Auftrag erstellte IGES-Simulationsrechnung der Kliniklandschaft im Großraum Köln/Leverkusen mit gut 2 Millionen Menschen und ihrem Einzugsgebiet mündete. https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2019/juli/eine-bessere-versorgung-ist-nur-mit-halb-so-vielen-kliniken-moeglich/

Ein unter der Fuchtel einer eher planwirtschaftlichen Ökonomie stehendes Chaos wird damit vorprogrammiert: Ambulant tätige freiberuflich-vertragsärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte und ihre Klinikkollegen, medizinische Fachangestellte (MFA) bzw. Kranken- und Gesundheitspfleger/-innen, Logistik- und freie/gemeinnützige Klinik-Betreiber werden zu Gunsten großer, teilweise monopolartig operierender Krankenhaus-Konzerne und Aktiengesellschaften von der Bertelsmann-Stiftung und dem Berliner IGES-Institut diskriminiert und auseinanderdividiert!

Dazu schaltete sich ebenso einseitig wie fach- und wissensfremd die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als institutionelle Vertretung der vertragsärztlich niedergelassenen Haus- und Fachärzte bzw. Psychotherapeuten ein, die in vielen Bereichen nicht mal den eigenen Sicherstellungsauftrag für die Kassenärztliche Versorgung stemmt bzw. ebenfalls rein monetäre Gesichtspunkte auf der Agenda hat.

Es wird höchste Zeit, sich mit einer ethisch-normativ orientieren und inhaltlich argumentierenden Medizin gegen eine rein monetär orientierte politökonomisch argumentierende Gesundheitsdiktatur entschieden zur Wehr zu setzen. Eine derzei

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