Entwurf aus dem BMG

Psychotherapie soll künftig als Universitätsfach gelehrt werden

Ein einheitliches Berufsbild, Studium an der Uni. Die Psychotherapeutenausbildung steht vor umwälzenden Veränderungen. Kritiker vermissen in den ersten Paragrafen aus dem Gesundheitsministerium Konkretes zum Thema Weiterbildung.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Ausbildung der Psychotherapeuten soll reformiert werden. Ein erster Arbeitsentwurf liegt vor.

Die Ausbildung der Psychotherapeuten soll reformiert werden. Ein erster Arbeitsentwurf liegt vor.

© pressmaster/stock.adobe.com

BERLIN. Die Ausbildung von Psychotherapeuten steht vor einem Systemwechsel. Aus den bisherigen Zugangswegen in die psychotherapeutischen Berufe soll ein Approbationsstudium werden. Organisieren sollen die Bachelor- und Masterstudiengänge die Universitäten. Das geht aus einem Arbeitsentwurf für eine Ausbildungsreform aus dem Bundesgesundheitsministerium hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Die geplanten Veränderungen zielen auf ein einheitliches Berufsbild. Der psychologische Psychotherapeut und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut sollen in einem einheitlichen Berufsbild aufgehen. Ein Name dafür steht noch nicht fest. Das Gesetzgebungsverfahren wurde bereits im Koalitionsvertrag von Union und SPD anvisiert. Mit einer von den Psychotherapeuten selbst mit vorangetriebenen Gesetzesänderung soll der Beruf mit den europäischen Ausbildungsstandards kompatibel werden. Zudem sollen die sozialrechtlichen und finanziellen Verwerfungen für die heutigen Psychotherapeuten in Ausbildung damit beendet werden.

Weiterbildung im Dunkelfeld

Sowohl die Bundestherapeutenkammer (bptk) als auch die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) forderten nach Bekanntwerden des Arbeitsentwurfs den Gesetzgeber auf, baldmöglichst die noch offenen Fragen der psychotherapeutischen Weiterbildung zu klären, zum Beispiel der Finanzierung, und konkrete Formulierungen in einen Gesetzentwurf einzubringen. "Die Einführung des Approbationsstudiums für Psychotherapeuten ist allerdings nur ein Teil der notwendigen Änderungen", sagte Kammerpräsident Dr. Dietrich Munz am Mittwoch in Berlin. Zur künftigen Qualifizierung gehöre, wie bei Ärzten, im Anschluss an das Studium untrennbar die Weiterbildung. Ins gleiche Horn stieß die Bundesvorsitzende der DPtV, Dipl.-Psych. Barbara Lubisch. Die psychotherapeutische Weiterbildung sei verpflichtend im ambulanten und stationären Bereich vorzusehen, so Lubisch.

Auch aus der Politik gab es Resonanz auf den Arbeitsentwurf. Der Entwurf greife viel zu kurz, merkte die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink an. Das zentrale Thema der Weiterbildung bleibe komplett im Dunkeln. Dabei sei gerade die prekäre finanzielle Situation vieler Ausbildungsteilnehmer ein zentraler Grund für den Reformbedarf.

Von einer Weiterbildung analog der der ärztlichen Kollegen erwarten die Psychotherapeuten eine Aufwertung des Berufs und eine bessere Einbindung in Behandlungsketten. Zwar hat ihnen der Gesetzgeber nach und nach mehr Rechte zugestanden. So dürfen sie bereits heute Rehabilitation, Krankentransport und Soziotherapie verordnen. Einen Patienten krankschreiben oder Gutachten darüber verfertigen dürfen sie bislang aber nicht. Der Arbeitsentwurf formuliert nun als Ziel, dass Psychotherapeuten "notwendige Behandlungsmaßnahmen durch Dritte veranlassen" können sollen. Sie sollen zudem befähigt werden, "gutachterliche Fragestellungen einschließlich von Fragestellungen zu Arbeits-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit" zu bearbeiten. Rechtssicherheit dafür biete aber wiederum nur eine qualifizierte Weiterbildung, heißt es bei den Psychotherapeuten.

BMG fordert Kapazitätssteuerung

Die Weiterbildung könnte auch für die Kapazitätssteuerung interessant werden. Die Autoren des Arbeitsentwurfs halten 2300 bis 2500 Absolventen je Jahrgang für die Versorgung für ausreichend.

Der Psychotherapeutentag im Mai hat bereits eine Fondslösung diskutiert, über die auch psychotherapiespezifische Elemente der Weiterbildung wie Selbsterfahrung und Supervision bezahlt werden könnten. Um ausreichend Weiterbildungsstätten zur Verfügung stellen zu können, stellen die Psychotherapeuten eine Umwidmung der bisherigen Ausbildungsinstitute zu Weiterbildungsinstituten zur Diskussion.Für diese Legislaturperiode ist die Arbeit an der Reform der Psychotherapeutenausbildung zunächst abgeschlossen. Das weitere Verfahren wird ab Herbst in den Händen einer neuen Regierung liegen.

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Kommentare
Dr. Lothar Wittmann 05.08.201716:27 Uhr

So ähnlich wird es kommen!



Es handelt sich nicht um Schmuggelware, die im Ministerium eingeschmuggelt ("platziert") wurde sondern um den Versuch, die Schwächen eines 20 Jahre alten Berufsgesetzes zu beheben und zugleich für die psychotherapeutische Versorgung mit ihren stark gestiegenen Anforderungen Verbesserungen zu erreichen.

Herr Heister wiederholt viel seit 1998 Abgedroschenes. Abgesehen von den wenig argumentativen Vorwürfen, die ausreichende Fachkunde würde nicht vermittelt und der alten Medizinerfurcht vor der Okkupation von Teilgebieten durch Fremdprofessionen, unterlaufen ihm ein paar fulminante Irrtümer: Psychotherapie der PP und KJP stehe unter "medizinischer Gesamtverantwortung"? Was ist hier gemeint? Der bio-psycho-soziale Gesamtmediziner weist PP und KJP etwas zu, wie Physiotherapeuten etwas zugewiesen wird. Sehr geehrter Herr Heister, die Lektüre des Psychotherapeutengesetzes könnte Sie von dem Irrtum erlösen, hier solle erst jetzt ein neuer Berufsstand geschaffen werden. Ihn gibt es seit 1999.

Mithin sind auch die "Träumereien von Krankenhauspsychologen" und ehemaligen Kostenerstattungspsychotherapeuten längst Realität geworden. Realität anzuerkennen wäre für den interprofessionellen Dialog hilfreicher als Funktionsträger zu pejorisieren.

Freundliche Grüße
--
Lothar Wittmann, Dipl.Psychol. Psychologischer Psychotherapeut

Simone Hübner 27.07.201711:33 Uhr

Anschließende Weiterbildung nach Studium unbedingt notwendig

Herr Heiser, das ist doch genau der Grund, weshalb darauf gedrängt wird, dass demnächst ein Entwurf mit sozialrechtlichen Regelungen folgt. Die zweite Phase, nämlich die Weiterbildung mit Erwerb der Fachkunde, ist doch dann der entscheidende Teil des Ganzen.
Ihre letzen Kommentare, empfinde ich als sehr abwertend und wenig zielführend in der Diskussion.

S. H.
in Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin

Sigbert Scholz 27.07.201711:11 Uhr

neues Gesetz ?

@ Herr Heister....dem ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Das entspricht auch ganz meinen Erfahrungen, zumal ich als Gutachter ganz oft die negativen Auswirkungen dieser "unärztlichen" Verfahrensweisen zu sehen bekomme.

Heiner Heister 27.07.201709:51 Uhr

Dieses Gesetz darf so nicht kommen!

Es handelt sich wesentlich um berufspolitische Vorstellungen aus der psychologischen Psychotherapeutenschaft, die im BMG platziert wurden.
Es sollen die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- u. Jugendlichenpsychotherapeuten verschmolzen werden, ohne dass der Weg dorthin die Folgen wirklich zu Ende gedacht sind.
Der jetzt angedachte Studiengang würde, wenn er so realisiert würde, keine ausreichende Fachkunde vermitteln und dennoch zur Approbation führen.
Der Zuständigkeitsbereich des neuen nichtärztlichen Berufes würde auf den gesamten Bereich der Medizin ausgeweitet werden, inklusive der Medikamentenverordnung.
Es würde eine Parallelstruktur in den Händen dieses neuen nichtärztlichen Berufes entstehen, die sich neben und in Konkurrenz zu den bestehenden medizinischen Strukturen entwickeln würde.
Dieser neue Beruf kann nicht "Psychotherapeut" heißen, mangels Fachkunde, und nicht zuletzt, weil jeder psychotherapeutisch weitergebildete Arzt auch ein Psychotherapeut ist.
Es würde darauf hinauslaufen, dass die psychologische Psychotherapie, die bislang aus guten Gründen im Kontekt ärztlicher Gesamtverantwortung stand, ein kostenträchtiges und die Patientensicherheit gefährdendes Eigenleben entwickeln würde.
Wie im Übrigen die universitäre Ausbildungsstruktur aussehen soll, ist weitgehend ungewiss.
Es gibt die Dozenten nicht, die benötigt würden, es stehen die Strukturen und wirtschaftlichen Ressourcen nicht zur Verfügung.
Die Weiterentwicklung der psychotherapeutischen Ausbildung, getragen von ärztlichen, psychologischen und Kinder- u. Jugendlichenpsychotherapeuten könnte auch anders erfolgen, wie das vom BMG selbst in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Strauss 2009 gezeigt hat.
Was hier geschehen soll, ist der unevaluierte Versuch die Träumereien von Krankenhauspsychologen, führend Herr Munz, und ehemaligen Kostenerstattungspsychotherapeuten, führend Frau Lubisch, zu realisieren.
Dafür sollte das BMG sich eigentlich nicht hergeben.

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