Neues aus der Krebsversorgung
Pathologe Tolkach: „Wir werden mit KI-Algorithmen präziser und objektiver“
Damit Kollege Computer mitdiagnostizieren kann, muss die Pathologie dringend digitaler werden. Aber nicht nur technische, auch strukturelle Innovationen halten beim Krebs Einzug, wie in der Eröffnungspressekonferenz zum Deutschen Krebskongress betont wurde.
Veröffentlicht:Berlin. „Die Künstliche Intelligenz ist wie ein Tsunami in die Krebsmedizin gekommen“, sagte der Präsident des diesjährigen Krebskongresses, Professor Dr. Reinhard Büttner, von der Pathologie am Universitätsklinikum Köln, bei der Eröffnungspressekonferenz des DKK 2024 am Mittwoch. Sein Fach, die Pathologie, ist dabei der Hauptnutznießer: „Wir werden mit KI-Algorithmen präziser und wir werden auch objektiver“, sagte PD. Dr. Yuri Tolkach, ebenfalls Köln.
Wie das konkret aussieht, machte Tolkach am Beispiel der Untersuchung einer Lungenkrebsbiopsie deutlich. Mit KI-Hilfe könnten Gewebe bis hinab auf die Einzelzellebene klassifiziert und quantifiziert werden. Mehrere tausend Parameter seien zumindest potenziell analysierbar und können den Pathologen wichtige Antworten auf pathologische Fragen geben: „Das ging früher nicht.“
Tolkach: „Wir werden mehr als doppelt so schnell“
Ein zweites interessantes Beispiel für den medizinischen Nutzen des KI-Einsatzes in der Pathologie ist die Rekonstruktion des Tumorvolumens beim Ösophaguskarzinom. Sie kann sowohl prognostische als auch therapierelevante Informationen liefern. Es gehe aber auch ganz konkret um Effizienzgewinne, so Tolkach.
Hier wäre beispielsweise die normale Malignitätsdiagnostik zu nennen. Ein anderes Beispiel ist die KI-gestützte Bestimmung der Aggressivität eines Tumors. Grob gesagt lasse sich die Geschwindigkeit der konventionellen Krebspathologie mit KI-Hilfe mehr als verdoppeln, so der Kölner Pathologe.
Pathologien müssen dringend digital aufrüsten
Das Ganze hat freilich einen Haken: Ohne eine digitale Pathologie wird das nichts mit dem KI-Einsatz bei Gewebeschnitten. Und solche leistungsstarken, digitalen Pathologien, für deren Aufbau problemlos siebenstellige Investitionssummen nötig werden, gibt es in Deutschland selbst an Universitätskliniken bisher kaum.
„Damit wir KI breit einsetzen können, benötigen Kliniken oder Institute leistungsstarke Rechner und Server – der derzeitige Zustand in Deutschland ist unbefriedigend“, betonte Tolkach. Neben Hardware und Netzwerken fehle es vielerorts auch an IT-Spezialisten, die an der Schnittstelle von Informatik und Medizin arbeiten wollen.
Neue Zertifizierung für personalisierte Medizin
Innovation gibt es in der Krebsmedizin nicht nur an der Digitalisierungsfront, sondern auch bei den Versorgungsstrukturen. So berichtete der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), Prof. Dr. Michael Ghadimi von der Universitätsmedizin Göttingen, von dem neuen DKG-Zertifizierungsprogramm für Zentren der Personalisierten Medizin (ZPM). Es wird derzeit aufgebaut. Mittlerweile seien zwölf ZPM deutschlandweit zertifiziert, alle an Comprehensive Cancer Centers (CCC). Bis Ende 2024 könnten es 24 sein, so Ghadimi.
Bei den ZPM geht es um die an molekulargenetischen Markern ausgerichtete, individualisierte Therapie von Krebspatientinnen und -patienten, die in der Regel bereits mehrfach vortherapiert sind. Das neue Zertifizierungsprogramm dient vor allem der Qualitätssicherung bei den anspruchsvoll umzusetzenden ZPMs. Besonders wichtig ist hier das Molekulare Tumorboard, an dem neben den üblichen Fachdisziplinen auch Bioinformatiker und mitunter Molekularbiologen teilnehmen.
Neben dem Tumorboard ist das Thema klinische Studien ein weiterer Pfeiler der ZPM-Zertifizierung: „Die Evidenzlage muss insgesamt noch unterfüttert werden“, so Ghadimi. Deswegen sei es wichtig, dass möglichst viele der personalisiert therapierten Patientinnen und Patienten an klinischen Studien teilnehmen. Hierfür sind Finanzierungsmodelle nötig, die in den letzten Jahren zumindest teilweise geschaffen wurden.