Sieben-Punkte-Papier mit Forderungen

ACHSE beklagt: Seltene Erkrankungen bei Klinikreform nicht berücksichtigt

Die Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen begrüßt die Zielsetzungen der Krankenhausreform – befürchtet aber, dass die speziellen Herausforderungen zu wenig beachtet werden. Ihre Forderungen hat sie in einem Sieben-Punkte-Papier zusammengefasst.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Die Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen warnt, die geplante Klinikreform bilde die besondere Situation für die Behandlung von Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht ausreichend ab.

Die Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen warnt, die geplante Klinikreform bilde die besondere Situation für die Behandlung von Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht ausreichend ab.

© Frank Molter / dpa

Berlin. In einem Sieben-Punkte-Papier hat die Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen (ACHSE) ihre Besorgnisse zu der nun in Teilen als Gesetz oder Referentenentwurf vorliegenden Krankenhausreform artikuliert.

Zentrale Forderungen: Bestehende bewährte Qualitätsanforderungen, die Zentrumsfinanzierung, die Kooperation verschiedener Disziplinen und der sektorübergreifende Versorgungsansatz müssen Bestand haben.

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Die im Referentenwurf enthaltenen Leistungsgruppen, die auf 65 reduziert wurden, bildeten die besondere Situation für die Behandlung von Menschen mit seltenen Erkrankungen in keine Weise ab.

1. Zusammenspiel ambulant – stationär: Ein erheblicher Teil der Versorgung von Menschen finde ambulant statt, allerdings begleitet von notwendigen Krankenhausaufenthalten. Eine zentrale Rolle spielen dabei auch spezialisierte Hochschulambulanzen sowie die Ambulanzen nicht universitärer Einrichtungen.

Die Forderung von ACHSE: Die Zuschläge nach Paragraf 136c und die an sich richtigen Vorhaltepauschalen müssten auch zur Finanzierung der ambulanten Versorgung gezahlt werden. Nur dann bestehe mit der Krankenhausreform auch die Chance, die sektorenübergreifende Versorgung zu fördern.

2. Integration der Zentrumsstruktur zur Behandlung seltener Erkrankungen in die Krankenhausplanung: Die seit 2010 im Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) entwickelten mehrgliedrigen Zentrumsstrukturen mit differenzierten Qualitätskriterien seien wesentlich aussagefähiger für die Qualität der Versorgung als die Auflistung von Leistungsgruppen in Kombination mit Personalschlüsseln.

Bislang sei allerdings unklar, wie diese hochspezialisierte und interdisziplinäre Versorgungsstruktur in die mit der Reform geplante Krankenhausstruktur integriert werden soll. Klärungsbedürftig sei, auf welcher Basis Qualitätssicherung und -prüfung künftig stattfinden werde.

3. Geplante Leistungsgruppen sind zu undifferenziert: Seltene Krankheiten müssen, so ACHSE, in den Vorhaltepauschalen sichtbar gemacht werden; dazu müsse ambulant und stationär der Orphacode verwendet werden: Die jetzt im Referentenentwurf gelisteten Leistungsgruppen orientierten sich an Strukturen der klassischen medizinischer Fächer.

Das werde den seltenen Krankheiten, die oft Querschnittserkrankungen seien und interdisziplinär behandelt werden müssen, nicht gerecht. Diese machten allerdings rund ein Fünftel aller Krankenhausfälle aus.

Ebenso wenig zielführend sei allein eine Codierung nach ICD-10, der Seltene Erkrankungen nicht differenziert genug abbilde. Dies könne dazu führen, dass die geplante Vorhaltefinanzierung nicht aufwandsgerecht für die Versorgung bei Seltenen Erkrankungen gestaltet werde und damit nicht bedarfsgerecht sei.

Aus diesem Grund müssten Orphacodes für die Berechnung der Vorhaltekosten und für die Qualitätssicherung herangezogen werden.

4. Qualitätstransparenz – mehr Bürokratie, aber keine Information für Patienten mit Seltenen Erkrankungen: ACHSE begrüßt grundsätzlich die Herstellung von mehr Transparenz. Das vor Kurzem verabschiedete Krankenhaustransparenzgesetz führe zunächst zu mehr Bürokratie, womit den wenigen Experten für Seltene Erkrankungen noch weniger Zeit für die Versorgung bleibe.

Die in dem Transparenz-Atlas enthaltenen Daten und Informationen seien allenfalls für Experten, nicht jedoch für Patienten mit Seltenen Krankheiten interpretierbar und aussagefähig.

5. Unklarheiten bei der Qualitätssicherung: Aus dem jetzt bekannten Referentenentwurf sei nicht erkennbar, wie mit den bisher erarbeiteten Standards zur Qualitätssicherung der Versorgung Seltener Erkrankungen verfahren werden soll.

Es könne nicht gewollt sein, dass in der Vergangenheit mühsam erarbeitete Qualitätsstandards erneut im Kontext mit den neuen Leistungsgruppen entwickelt werden müssten.

Ausdrücklich weist ACHSE darauf hin: „Die leidvollen Erfahrungen mit der Neuaufstellung der spezialfachärztlichen Versorgung nach der Neufassung von Paragraf 116c sollten Warnung genug sein, dass schon erarbeitete Standards nicht zur Disposition gestellt werden sollten.“ Aus diesem Grund müssten bestehende Standards genutzt und auf diesen aufgebaut werden.

6. Planung überregional und international denken: Seltene Erkrankungen erfordern überregionale Krankenhausplanung: ACHSE habe die Hoffnung gehabt, dass mit der Reform die Krankenhausplanung auch bundesweit gedacht werde. Für Seltene Erkrankungen sei eine bundesweite, wenn nicht sogar internationale Betrachtung notwendig.

Der Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern scheine diese Hoffnung zu zerschlagen. Offen bleibe, welches Gremium oder welche Institution zukünftig die Planung der Versorgung Seltener Erkrankungen auch national steuern und nachhaltig sichern solle.

7. Klärungsbedürftig seien außerdem Fragen wie:

  • die Prüfung von Prozess- und Ergebnisqualität unter Berücksichtigung von Patient Reported Outcomes, die Organisation der Weiterbildung von Ärzten im Bereich Seltener Erkrankungen,
  • eine denkbare Prüfung, ob für Seltene Erkrankungen eine eigene Leistungsgruppe definiert werden kann und
  • die Sicherstellung, dass in allen Sektoren, die an der Behandlung Seltener Erkrankungen beteiligt sind, nach Orphacodes dokumentiert wird.

Hinsichtlich der Auswirkungen der Krankenhausreform hat ACHSE inzwischen den Kontakt mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung aufgenommen, so die Geschäftsführerin Mirjam Mann.

Für eine vergleichsweise kleine Organisation mit begrenzter Manpower falle es ACHSE allerdings schwer, stets alle Aspekte der hochkomplexen Reform im Blick zu halten.

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