Atemwegsinfekt - Bakterien oder Viren?
WIESBADEN (eis). Patienten mit Atemwegsinfektionen brauchen nur selten ein Antibiotikum. Trotzdem verordnen Hausärzte jedem dritten Betroffenen eine antimikrobielle Therapie, so eine Studie. Mit einem Bluttest auf Procalcitonin (PCT) lassen sich bakterielle von viralen Infektionen abgrenzen und somit Antibiotika einsparen.
Veröffentlicht:Hat ein Patient mit einem Atemwegsinfekt einen PCT-Wert unter 0,1 ng/ ml, ist eine bakterielle Infektion höchst unwahrscheinlich. Antibiotika können ohne Nachteil für den Patienten vermieden werden, berichtete Professor Tobias Welte aus Hannover. Beim Internisten-Kongress zitierte er dazu die Ergebnisse einer Studie in 53 Hausarzt-Praxen in der Region Basel in der Schweiz.
Die Hälfte der Patienten bekam dabei nach herkömmlichen Kriterien ein Antibiotikum verschrieben. Bei der anderen Hälfte wurde die Verordnung auch abhängig gemacht von einem positiven PCT-Test. Ergebnis: In der Kontrollgruppe erhielten alle Patienten ein Antibiotikum, in der PCT-Gruppe nur 22 Prozent. In der Interventionsgruppe wurden also mehr als drei Viertel Antibiotika eingespart, sagte Welte bei einer vom Unternehmen Brahms unterstützten Veranstaltung. Der Therapieerfolg war in beiden Gruppen ähnlich gut.
Dass sich auch in Deutschland in erheblichem Maße Antibiotika einsparen ließen, hat jetzt die Hannover-PRO-I-Studie ergeben. Teilnehmer waren alle 702 Patienten mit Atemwegsinfekten, die sich nacheinander in 45 Hausarzt-Praxen der Region vorgestellt hatten. Nach Angaben von Welte wurden am häufigsten Erkältung, Bronchitis und Sinusitis diagnostiziert. Nur 10 Teilnehmer hatten eine Pneumonie. Todesfälle traten keine auf und nur 4 Patienten wurden in eine Klinik eingewiesen.
Insgesamt verordneten die Ärzte jedem dritten der Patienten ein Antibiotikum. Eine anschließende Analyse der PCT-Werte ergab, dass bei etwa 92 Prozent der Patienten der PCT-Wert unter 0,1 ng/ml lag und damit eine bakterielle Infektion höchst unwahrscheinlich war. Bei weiteren 7 Prozent lag der Wert unter 0,25 ng/ml. Dabei werden nur in Ausnahmen Antibiotika empfohlen. Bei den Pneumonie-Kranken war der PCT-Wert hingegen stark erhöht.
In der Folgestudie Hannover-PRO-II wird jetzt eine PCT-gesteuerte Therapie bei etwa 600 Patienten mit Atemwegsinfektionen geprüft. Welte ist sich sicher, dass sich damit ohne Nachteile für Patienten Medikamente einsparen lassen.
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STICHWORT
Procalcitonin-Test
Mit dem Procalcitonin-Test (PCT) lassen sich virale von bakteriellen Infektionen gut voneinander abgrenzen. Die Plasmakonzentration des Akute-Phase-Proteins beträgt bei gesunden Menschen weniger als 0,05ng/ml.
Der Procalcitonin-Spiegel steigt bei viralen Infekten oder nichtbakteriellen Entzündungen im Blut leicht (10- bis 100-fach) und bei schweren bakteriellen stark (1000- bis 100 000-fach). Hohe Spiegel sprechen daher für bakterielle und niedrige Werte für virale Infektionen. Mit dem PCT lässt sich zudem bei Patienten mit bakteriellen Infektionen das Ansprechen auf eine Therapie abschätzen. Die Dauer von Antibiosen lässt sich so verkürzen. Die Testkosten können niedergelassene Ärzte derzeit nur als IGeL-Angebot (GOÄ A 4047) abrechnen.
(eis)