Kritische Uhrzeit
Bei Notruf wegen Thoraxschmerzen auf Uhrzeit achten!
Sind die Brustschmerzen eines Notdienst-Anrufers durch einen Infarkt verursacht? Neben Symptomen wie Schmerzausstrahlung oder Übelkeit kann auch die Anrufzeit den Verdacht erhärten.
Veröffentlicht:Utrecht. Bei der Triage von Patienten, die sich wegen Schmerzen im Brustkorb per Telefon an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden, sollte auch die Uhrzeit des Anrufs berücksichtigt werden: Ärzte der Universität Utrecht gehen davon aus, dass dies die Sicherheit der telefonischen Priorisierung verbessern kann.
Die Mediziner um Loes T. Wouters haben aufgrund von Anrufprotokollen und späteren Diagnosen festgestellt, dass Patienten, die zwischen Mitternacht und 9 Uhr morgens über Thoraxschmerzen klagen, fast doppelt so oft ein akutes Koronarsyndrom aufweisen wie Anrufer zu einer anderen Tageszeit (Family Practice 2020; online 30. Januar).
18 Prozent bestätigte ACS zwischen 0 und 9 Uhr
In der Zufallsstichprobe von 1655 Anrufern beim niederländischen Bereitschaftsdienst aufgrund von Thoraxbeschwerden hatten 199 (12 Prozent) die Diagnose eines akutes Koronarsyndroms (ACS) erhalten; bei einem Viertel der Patienten handelte es sich um einen ST-Hebungsinfarkt (STEMI), knapp die Hälfte hatte einen Nicht-STEMI.
Die absoluten Zahlen von ACS-Patienten zeigten über den Tag hinweg nur eine geringe Variation. Bezogen auf die Gesamtzahl von Anrufen mit einschlägigen Beschwerden war die Rate an bestätigten ACS aber in den Stunden zwischen 0 und 9 Uhr mit 17,7 Prozent fast doppelt so hoch wie in der übrigen Zeit mit 9,8 Prozent.
Die höchste Quote wurde zwischen 2 und 5 Uhr morgens erreicht, hier hatten 21,5 Prozent der Anrufer tatsächlich ein ACS. Am seltensten, nur zu 6,8 Prozent, bestätigte sich der Verdacht zwischen 16 und 19 Uhr.
Rettungswagen rasch losschicken
Ein Anruf in den ersten neun Stunden des Tages war auch dann noch mit einem höherem ACS-Risiko assoziiert, und zwar mit einem um 82 Prozent erhöhten, wenn Alter und Geschlecht der Anrufer berücksichtigt wurden.
Allerdings war der Effekt der Tageszeit bei den Männern deutlicher ausgeprägt: Die frühen Anrufer hatten 2,3-mal so oft ein ACS wie Anrufer nach 9 Uhr morgens; bei den Frauen war ein ACS vor 9 Uhr nur 1,3-mal so häufig, ein nicht signifikanter Unterschied.
Die geringeren zirkadianen Differenzen bei Frauen sind wegen der geringeren Fallzahlen aber mit Vorsicht zu interpretieren. Zwar waren 56 Prozent der Anrufer Frauen, ein ACS wurde bei ihnen aber nur in 88 Fällen (8,9 Prozent) diagnostiziert.
Das Team um Wouters plädiert dafür, den gefundenen Zusammenhang im Notdienst zu berücksichtigen. Bei Anrufen wegen Brustenge, die nach Mitternacht eingingen, solle schneller das Losschicken eines Rettungswagens in Betracht gezogen werden.