Pandemie
Corona-Impfungen: Ärzte und Kliniken wollen alle Kräfte mobilisieren
Boostern, boostern was das Zeug hält: Noch-Kanzlerin Angela Merkel will 27 Millionen Corona-Drittimpfungen bis Weihnachten. Die Hausärzte bieten Unterstützung an, warnen aber vor falschen Erwartungen.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Hausärzte haben vor überzogenen Erwartungen an ein schnelles Corona-Boostern vor Weihnachten gewarnt. „Das kann man nicht einfach verkünden, ohne ein organisatorisches Konzept dahinter zu haben“, sagte der Chef des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, bei einer virtuellen Pressekonferenz mehrerer Ärzteorganisationen und Krankenhausträger am Freitag.
Die Hausarztpraxen hätten ihr Impfengagement zuletzt noch einmal hochgefahren. Dass die Praxen „alle auf einmal“ mit Auffrischungsimpfungen bedienen könnten, sei aber ausgeschlossen.
Ungeimpfte „nicht verlieren“
Der Fokus müsse auf den besonders vulnerablen Gruppen liegen, so Weigeldt. Ebenso dürfe man die rund 30 Prozent ungeimpfter Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Wichtig sei hierbei der Ausbau niedrigschwelliger und aufsuchender Impfangebote.
„Wir müssen immer noch priorisieren“, stellte der Vorstandschef des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands, Dr. Dirk Heinrich, mit Blick auf die Auffrischungsimpfungen fest. Viele hochbetagte und stark immungeschwächte Menschen seien bereits geboostert. „Bei den 70-Jährigen ist noch einiges zu tun.“
Weigeldt wie Heinrich sprachen sich zudem für einen Corona-Bonus für Medizinische Fachangestellte (MFA) aus. Bislang sei der Einsatz der Praxismitarbeitenden in der Pandemie zu wenig gewürdigt worden. Außer den Corona-Impfungen hätten die Praxisteams die Regelversorgung aufrechtzuhalten, nicht selten müssten die MFA „Frustrationen“ von Patienten aushalten, weil nicht alle sofort an die Reihe kämen.
Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach einem Bund-Länder-Treffen am Donnerstag erklärt, Ziel müssten 27 Millionen Auffrischungsimpfungen bis Weihnachten sein. Auch dadurch könne die vierte Welle gebrochen werden. Laut Robert Koch-Institut wurden bislang rund 5,2 Millionen Auffrischungsimpfungen verabreicht.
Boostern in der Apotheke?
Um die Booster-Kampagne zu beschleunigen, war zuletzt eine Beteiligung der Apotheken diskutiert worden. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, lehnte solche Gedankenspiele ab. „Impfen ist und bleibt ärztliche Aufgabe“, stellte Reinhardt beim gemeinsamen Presse-Briefing der Ärzte- und Klinikverbände klar. Aus „logistischer Sicht“ sei das auch gar nicht nötig.
Die Hausarzt- und Facharztpraxen würden sich außer der üblichen Versorgung weiterhin „intensiv in die Impfkampagne einbringen“, betonte Reinhardt. Um das Praxispersonal zu entlasten und die Impffrequenz zu beschleunigen, müssten aber Impfdokumentationen auf ein Mindestmaß beschränkt sein. Auch seien Impfstoff-Bestellfristen für die Praxen von weniger als einer Woche nötig.
Impfzentren schnell reaktivieren!
Der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, sprach angesichts der stark steigenden Infektionszahlen von der „dringenden Not“, die Impfkampagne auszuweiten. Beim Boostern brauche es aber eine „geordnete Reihenfolge“, nicht jeder ab 18 Jahren könne „am Montag in die Praxen rennen“, so Gaß. Um wieder auf ein Niveau von bis zu 1,5 Millionen Impfungen pro Tag zu kommen, müssten die Länder „zumindest in Teilen“ ihre Impfzentren reaktivieren, forderte Gaß.
Auch der Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Dr. Josef Düllings, forderte eine „konzertierte Aktion“. Nur so lasse sich ein „höheres Tempo“ beim Boostern sicherstellen. Für die Kliniken brauche es wie für die Praxen auch „unkomplizierte und unbürokratische Lösungen“.
Die Vorsitzende der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund, Dr. Susanne Johna, regte an, dass Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes die Klinikärzte beim Impfen und bei administrativen Aufgaben unterstützen könnten. „Wir haben einen langen Winter vor uns.“ Viele Klinikärzte seien am Anschlag, ebenso das dortige Pflegepersonal.
Dr. Michael A. Weber, Präsident des Verbands der Leitenden Krankenhausärzte, warnte, dass es bei weiter stark steigenden Inzidenzen schon in Kürze zu einer Verdoppelung der Patienten auf Intensivstationen kommen könne. „Handeln ist jetzt dringend, dringend geboten“, so Weber.
KBV: Bestellrekord bei Impfdosen
Derweil teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit, die Haus- und Facharztpraxen hätten für die kommende Woche knapp fünf Millionen Impfstoffdosen bestellt. Damit seien die Ärzte dabei, „einen neuen Impfrekord aufzustellen“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Freitagnachmittag in Berlin. Er sprach von der bislang größten Menge an Impfdosen, die seit Start der Impfkampagne Ende 2020 in die Praxen geliefert worden sei.
Auch Gassen betonte, dass bei allen Diskussionen über Auffrischungsimpfungen nicht vergessen werden dürfe, dass es noch zu viele Erwachsene gebe, die überhaupt nicht gegen Corona geimpft seien.
Neue Bestellung: Nur 30 Dosen Comirnaty® pro Vertragsarzt
Der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister rechnet Ende November mit steigendem Beratungs- und Aufklärungsbedarf in den Praxen. Hintergrund: „Zu unserer Überraschung hat uns heute das Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt, dass ab dem 23. November pro Vertragsarzt und Woche nur noch 30 Dosen BioNTech bestellt werden können“, so Hofmeister. Dafür gebe es aber dann den Impfstoff von Moderna unbegrenzt.
Das habe zur Folge, dass die meisten Patientinnen und Patienten, die mit Comirnaty® von BioNTech im Rahmen ihrer Grundimmunisierung geimpft wurden, nun – sofern sie über 30 Jahre alt sind – eine Auffrischimpfung mit Spikevax® von Moderna erhalten werden. Beide Impfstoffe seien nach vorliegenden Studiendaten und laut STIKO gleichwertig, trotzdem werde es hohen Erklärungsbedarf geben, „der wertvolle Zeit binde, die für das Impfen dann fehlt. Das ist wenig hilfreich, wenn vor allem schnell und viel geimpft werden soll“, so Hofmeister laut Mitteilung der KBV. (Mitarbeit: ger)