Kommentar zu Blutdruck-Zielwerten

Das Ende von Unisex? Der kleine Unterschied beim Blutdruck

Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen ist nicht immer erstrebenswert: In der Kardiologie gibt es bereits einige Beispiele dafür. Die Blutdruckeinstellung könnte ein weiteres sein.

Von Dr. Beate Schumacher Veröffentlicht:

Viele Erkrankungen verlaufen bei Frauen anders als bei Männern. Das gilt bekanntlich auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zum Beispiel haben Frauen mit Diabetes ein höheres Infarktrisiko als diabeteskranke Männer; nach einer Koronardilatation entwickeln sie häufiger Komplikationen; bei einer stabilen Angina pectoris finden sich seltener Obstruktionen der epikardialen Gefäße.

Auch beim Blutdruck sind geschlechterspezifische Unterschiede bekannt: Im Allgemeinen sind die Werte von Frauen bis zur Menopause niedriger als die von Männern, danach kehrt sich das Verhältnis um. Ein internationales Forscherteam weist nun auf einen möglichen weiteren Unterschied hin: 129 mmHg als oberer Grenzwert für einen normalen systolischen Blutdruck (SBP) könnten für Frauen zu hoch sein.

Vier US-Kohortenstudien ausgewertet

Die Hypothese basiert auf der Analyse von vier US-amerikanischen Kohortenstudien. Sie zeigt, dass bezogen auf einen Referenz-SBP von 100 mmHg Frauen schon bei Werten von 100–109 mmHg ein um 25 Prozent erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen hatten, bei Männern war das erst bei einem SBP von 130–139 mmHg der Fall.

Das Risiko eines Schlaganfalls zum Beispiel stieg bei Frauen ab 120 mmHg, bei Männern erst ab 150 mmHg. Zu beachten ist jedoch, dass Frauen trotz des stärkeren Risikoanstiegs bei gleichem SBP in absoluten Zahlen weniger kardiovaskuläre Ereignisse durchmachten als Männer, lediglich beim Schlaganfall war die Inzidenz ähnlich.

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Ob es künftig geschlechtsspezifische Normwerte für den Blutdruck geben wird, lässt sich aus den Daten nicht ableiten. Dazu bedarf es nicht nur einer Bestätigung der Ergebnisse, vor allem muss sich erst noch erweisen, ob eine frühere und stärkere Blutdrucksenkung Frauen tatsächlich wirksamer vor kardiovaskulären Komplikationen schützen kann. Hinzu käme die Frage nach der praktischen Relevanz von niedrigeren Normwerten für Frauen – im Alltag sind oft schon die geltenden Zielwerte kaum zu erreichen.

Die Studie ist trotzdem jetzt schon wichtig, weil sie daran erinnert, dass die Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht immer erstrebenswert ist. Viele Patientinnen und Patienten mit Herzproblemen werden mit gendersensitiver Medizin besser behandelt.

Schreiben Sie der Autorin: beate.schumacher@springer.com

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