Kommentar

Die digitale Revolution frisst keine Ärzte

Selbstlernende Programme werden dem Arzt in Zukunft viel Arbeit abnehmen, und zwar vor allem lästige und zweitaufwendige Arbeit.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:

Werden Radiologen bald überflüssig? Müssen sich Pathologen demnächst neue Jobs suchen? Verwalten Hausärzte Patienten künftig nur noch, statt selbst Diagnosen zu stellen und Arzneien zu verordnen? Nein, dass der Arzt zum Diener der Algorithmen wird, ist so schnell nicht zu befürchten, aber selbstlernende Programme werden ihm in Zukunft viel Arbeit abnehmen, und zwar vor allem lästige und zweitaufwendige Arbeit.

Das Screenen unzähliger Biopsien auf Tumormerkmale gehört ebenso dazu wie die Auswertung von Mammografien oder EKG-Ableitungen. Solche Aufgaben können und werden demnächst Maschinen erledigen und dabei Auffälligkeiten entdecken, die Menschen verborgen bleiben. Das liegt nicht an einer besonderen „künstlichen Intelligenz“ (KI) solcher Systeme, vielmehr gelingt es ihren Algorithmen, unglaubliche Datenmengen zu verarbeiten und darin Muster zu erkennen, die spezifisch mit bestimmten Krankheiten korrelieren. Es ist daher ein Segen, wenn sich die Auswertung tausender Mammografie- und Biopsieaufnahmen automatisieren lässt. Das macht das Screening billiger und sicherer – sofern noch ein spezialisierter Arzt das Ganze überwacht und sich kritische Fälle selbst anschaut.

In anderen Bereichen ersetzen solche Systeme nicht einfach nur ärztliche Routinen, sondern dienen als zusätzliche Diagnose-Tools, etwa bei der Cardisiografie: Hier „sehen“ sie in EKG-Daten regionale Veränderungen der Repolarisation, die auf eine Minderperfusion deuten. Das ermöglicht eine einfache KHK-Diagnose. Die Methode könnte sich daher auch zum Screening von KHK-Risikopopulationen eignen.

Noch sind die Systeme nicht ausgereift, noch müssen Forscher sie besser adaptieren und validieren, doch sie werden in den kommenden Jahren die Diagnostik gewaltig umkrempeln – und bieten Ärzten sowie Patienten völlig neue Chancen: Krankheiten lassen sich früher als bisher erkennen – mit besseren Chancen auf eine Heilung oder eine gute Prognose. Mehr Screening, mehr Diagnostik, mehr Verdachtsfälle – das alles bedeutet sicher eines nicht: weniger Arbeit.

Schreiben Sie dem Autor: thomas.mueller@springer.com

Lesen Sie dazu auch
Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Modellvorhaben zur Ganz-Genom-Sequenzierung

genom.DE: Zentren sehen erste Erfolge

Kohortenstudie

PSA nach radikaler Prostatektomie nicht zu früh beurteilen

Formulierung der Einladung zum Darmkrebs-Screening

iFOBT: Rückgabefrist macht TEMPO

Das könnte Sie auch interessieren
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Neue Follow-up-Daten zur Geneditierungstherapie Exa-cel

© Springer Medizin Verlag

Neue Follow-up-Daten zur Geneditierungstherapie Exa-cel

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vertex Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: PD-1-Inhibitoren: immunvermittelte Nebenwirkungen

© Springer Medizin Verlag GmbH

Thoraxchirurgie beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom

Wie können neoadjuvante Immuntherapien die Tumorresektion beeinflussen?

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Abb.1: Antikörper-Wirkstoff-Konjugat

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [14, 15]

Nicht kleinzelliges Lungenkarzinom

Effektive Zweitlinienoptionen weiterhin dringend benötigt

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Wie beim Impfen vorgehen nach einer Stammzelltherapie?

Lesetipps
Länger leben um jeden Preis: Was ist wissenschaftlich bewiesen und können Medikamente hierbei helfen?

© Zay Win Htai / stock.adobe.com

Länger und gesünder leben

Longevity: Was wirklich hinter dem Trend steckt

Übergabe der Petition

© HÄV / Marco Urban

„Sensationelles Ergebnis“

Gegen das Praxensterben: 600.000 unterzeichnen Bundestagspetition

Figuren stehen Hand in Hand vor einer Weltkugel.

© Vladislav / generiert mit KI / stock.adobe.com

Kolumne „Hörsaalgeflüster“

Gemeinsam statt gegeneinander – die IFMSA in Verantwortung