Corona und das Infektionsschutzgesetz
Erste Länder kippen FFP2-Maskenpflicht für Bewohner von Pflegeheimen
Deutsche Stiftung Patientenschutz am Samstag: „Nachdem Hessen und Baden-Württemberg die Maskenpflicht für Pflegeheimbewohner gekippt haben, muss die Ampel-Koalition sofort handeln!“
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Die umstrittene FFP2-Maskenpflicht für Bewohner von Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen wackelt.
Baden-Württemberg hat die Regelung am Freitag auf eigene Faust gekippt. Auch in Wiesbaden wurde klargestellt, dass die Vorgabe so in Hessen nicht gilt. Über den Bundesrat forderten die Bundesländer den Bund am Freitag außerdem dazu auf, die entsprechende Regelung im Infektionsschutzgesetz, die seit dem 1. Oktober gilt, mit einer erneuten Gesetzesänderung zu korrigieren.
„Ungleiche Behandlung“
In einer Stellungnahme sprach sich die Länderkammer dafür aus, die Maskenpflicht für Bewohner von Pflegeeinrichtungen und für Menschen mit Behinderung wieder aufzuheben, ebenso für Beschäftigte in Behindertenwerkstätten. Diese würden gegenüber anderen Gruppen von Beschäftigten in vergleichbaren Tätigkeitsfeldern durch die Maskenpflicht ungleich behandelt, heißt es darin unter anderem.
Die aktuell geltenden Regeln sehen eigentlich vor, dass etwa Pflegeheimbewohner grundsätzlich FFP2-Masken tragen müssen, außer „in den für ihren dauerhaften Aufenthalt bestimmten Räumlichkeiten“. Die Maske darf demnach nach bisheriger Lesart nur im Zimmer ab und muss beispielsweise in Gemeinschaftsräumen getragen werden. Unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) hatte das kritisiert und von einem „erheblichen Einschnitt“ in die Lebensqualität der Pflegebedürftigen gesprochen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte sich dem angeschlossen.
Lauterbach warnt vor Infektionsrisiken
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Vertreter der Pflegebranche und Krankenkassen verteidigten die Regeln dagegen nach deren Inkraftreten Anfang Oktober. Der SPD-Politiker warnte vor hohen Corona-Infektionsrisiken in Gemeinschaftsräumen der Einrichtungen.
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Stuttgart, man habe die Einrichtungen per Brief darüber informiert, dass sie ebenso wie die Einrichtungen der Behindertenhilfe ab sofort selbst entscheiden könnten, ob sie an der Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen festhalten wollten.
Der Bund habe auf Drängen des Landes einen Katalog mit Fragen und Antworten zu den umstrittenen Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes vorgelegt. „Danach ist es nach unserer Auffassung vertretbar, auf eine Maskenpflicht in Gemeinschaftsräumen zu verzichten“, sagte Lucha. Es sei wichtig, soziale Kontakte zu ermöglichen. Die Beschäftigten müssen dagegen weiter eine FFP2-Maske tragen.
Auch in Hessen müssen Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen in Gemeinschaftsräumen keine Maske tragen, wie das Sozialministerium am Freitag mitteilte. Verwiesen wurde auf den im Grundgesetz verankerten Schutz der Wohnung. Gemeinschaftlich von den Bewohnern genutzte Räume seien von der Maskenpflicht auszunehmen, da sie aufgrund der Besonderheiten der Unterbringung in einer vulnerablen Einrichtung zum dauerhaften Aufenthalt bestimmt seien.
Deutsche Stiftung Patientenschutz meldet sich zu Wort
Kein Heimbewohner in Deutschland soll mehr verpflichtet werden, eine Maske zum Schutz gegen Corona zu tragen. Das fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz. „Nachdem Hessen und Baden-Württemberg die Maskenpflicht für Pflegeheimbewohner gekippt haben, muss die Ampel-Koalition sofort handeln“, sagte Vorstand Eugen Brysch am Samstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Es darf nicht vom Wohnort abhängen, ob Menschen außerhalb ihres Zimmers einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Grundrechte gelten im ganzen Bundesgebiet.“
Da die „groteske“ Vorschrift Teil eines Bundesgesetzes sei, müssten Kabinett und Bundestag das Infektionsschutzgesetz ändern, so Brysch weiter: „Bis zur Vorweihnachtszeit muss Schluss damit sein, pflegebedürftige Menschen mit der unsinnigen Vorschrift zu quälen. Stattdessen sind tägliche Testkonzepte für Beschäftigte und Besucher konsequent in den Einrichtungen umzusetzen.“
Kürzlich hatte Brysch dazu vorgeschlagen, tägliche Schnelltests für Beschäftigte mit PCR-Tests zweimal die Woche zu kombinieren: „So kann das Virus effizient gestoppt werden, bevor es die hochbetagten Menschen erreicht.“ (dpa/KNA)