Fertilitätsreserve genutzt
Erstes Kind aus in vitro gereiften und eingefrorenen Eizellen
Erstmals hat eine Krebspatientin ein Kind über Eizellen zu Welt gebracht, die in vitro gereift und anschließend kryokonserviert wurden. Die Schwangerschaft verlief problemlos, berichten Ärzte aus Paris.
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Aus einer in vitro gereiften und anschließend kryokonservierten Eizelle ist nach Angaben der Forscher zum ersten Mal ein Kind erzeugt worden.
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Paris. Es ist zwar schon über ein halbes Jahr her, seit Jule das Licht der Welt erblickt hat, aber erst jetzt wurde seine Vorgeschichte bekannt. Der Franzose ist nach Angaben von Reproduktionsmedizinern um Professor Michaël Grynberg von der Klinik Antoine Béclère bei Paris das erste Kind, das über eine in vitro gereifte und anschließend eingefrorene Eizelle erzeugt wurde. Seine Mutter hatte sich aufgrund einer Krebserkrankung zu diesem Schritt entschlossen, da sie befürchten musste, durch die Chemotherapie unfruchtbar zu werden.
Für solche Frauen gibt es mittlerweile mehrere Möglichkeiten, sich eine Fertilitätsreserve anzulegen: Sie können Eizellen nach einer hormonellen Stimulation einfrieren, Ovargewebe kryokonservieren und später wieder reimplantieren oder aber unreife Eizelle erst in vitro reifen lassen und dann einfrieren. Letzteres hat nun erstmals zu einem gesunden Kind geführt, berichten die Reproduktionsmediziner (Annals Oncol 2020; online 18. Februar).
Sieben Oozyten in vitro gereift
Die Ärzte haben diese Methode einer 29-jährigen Frau mit einem wächterlymphknotenpositiven Brusttumor angeboten. Aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung mit dem HER2-negativen, östrogen- und progesteronpositiven Tumor war eine Hormonstimulation zur Gewinnung von Eizellen vor Beginn der Chemotherapie kontraindiziert. Die Kryokonservierung von Ovargewebe lehnte die Frau ab, da sie neben der Mastektomie keinen weiteren chirurgischen Eingriff tolerierte. Aus diesem Grund entschieden sich Ärzte und Patientin für die In-vitro-Maturation (IVM).

In Flüssigstickstoff konservierte Eizellen.
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Die Aggregate aus Oozyten und Kumuluszellen ließen die Experten in einer Lösung mit Patientenserum, FSH und hCG (humanes Choriongonadotropin) für zwei Tage reifen, befreiten sie anschließend von den Kumuluszellen und schockgefroren sie in flüssigem Stickstoff (Vitrifikation). Dort blieben sie fünf Jahre bei minus 196 Grad Celsius.
„Problemlos schwanger“
Mit 34 Jahren hatte die Patientin ihre Tumorerkrankung überstanden, konnte aber nicht schwanger werden. Eine Hormonstimulation war noch immer keine Option – die Ärzte befürchteten, dies könnte Brustkrebsrezidive begünstigen. Also entschieden sie sich, die Fertilitätsreserve zu nutzen. Sie tauten die Eizellen wieder auf, befruchteten sie per intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) und transferierten einen Embryo im Keimstadium in den Uterus der Frau. Daraufhin wurde sie schwanger und brachte am 6. Juli 2019 Jules zur Welt.
„Wir sind sehr froh, dass die Patientin problemlos schwanger wurde und ein gesundes Kind geboren hat“, so Grynberg in einer Mitteilung. Zwar gebe es mit der Kryokonservierung von Ovargewebe eine etablierte Alternative für Frauen, bei denen eine ovarielle Stimulation nicht möglich ist, „aber dies erfordert einen laparoskopischen Eingriff. Zudem besteht bei einigen Frauen die Gefahr, dass das Gewebe maligne Zellen enthält, die zurückübertragen werden“.
Der Experte hält die IVM plus Vitrifikation gerade für Krebspatientinnen geeignet, bei denen rasch eine Chemotherapie begonnen werden muss und nicht viel Zeit für eine Hormonstimulation bleibt oder bei denen diese kontraindiziert ist.
Inzwischen, so Grynberg, habe sein Team schon von mehreren Frauen in vitro gereifte Eizellen als Fertilitätsreserve eingefroren.