SSPE nach Masern
Fünf Todesfälle im Jahr zuviel
Masern - nur ein kleiner Infekt, den Kinder nun mal durchmachen müssen? Davon kann keine Rede sein. Denn eine neue Studie zeigt: Die schwere Komplikation SSPE ist viel häufiger als angenommen.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Allein zwischen 2003 und 2009 sind hierzulande 39 Kinder und Jugendliche vor ihrem 16. Geburtstag an SSPE erkrankt, berichtet ein Wissenschaftlerteam um Katharina Schönberger vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (PLoS ONE 8[7]: e68909).
Das SSPE-Risiko von Personen, die während ihrer ersten fünf Lebensjahre eine Maserninfektion durchgemacht haben, liegt demnach bei 1:1700 bis 1:3300. Die Gefahr ist somit weitaus größer, als frühere Schätzungen es vermuten ließen.
In der älteren Literatur ist das Risiko für SSPE mit 1:100.000 beziffert worden. Spätere Angaben bewegten sich zwischen 1:5500 und 1:15.400.
SSPE brach im Mittel acht Jahre nach Masern aus
Die Forscher bedienten sich für ihre Berechnungen zweier großer Register für SSPE: zum einen der Datenbank der Erhebungseinheit für seltene pädiatrische Erkrankungen in Deutschland (ESPED) an der Universität Düsseldorf.
Zum anderen bedienten sie sich der Fallsammlung des Virologischen Instituts der Universität Würzburg. Dort ist das offizielle Referenzlabor für virale ZNS-Erkrankungen angesiedelt.
Die Zahl der im Zeitraum von 1994 bis 2001 in Deutschland an Masern Erkrankten war mit 43.000 zu veranschlagen. Die mediane Latenzzeit zwischen der Maserninfektion und dem Auftreten einer SSPE betrug laut der Erhebung acht Jahre.
Das entspricht dem bisher Bekannten, wonach die Latenz üblicherweise vier bis zehn Jahre beträgt. Der Zeitraum post infectionem, innerhalb dessen in der Literatur ein Auftreten von SSPE beschrieben worden ist, umfasst einen Monat bis 27 Jahre.
Kleine Kinder haben das höchste Risiko
Die Altersverteilung der Studienpatienten legt nahe, dass das SSPE-Risiko umso höher ist, je jünger die Kinder zum Zeitpunkt ihrer Maserninfektion sind. Besonders hoch ist die Gefahr in den ersten zwei bis drei Lebensjahren.
Danach sinkt das Risiko. "Das stimmt mit früheren Beobachtungen überein und unterstreicht, wie wichtig es ist, im frühestmöglichen Alter gegen Masern zu impfen", schreiben Schönberger und ihre Kollegen.
Derzeit wird die erste Impfdosis in der Regel gegen Ende des ersten Lebensjahres verabreicht; die zweite Dosis soll dann spätestens bis zum zweiten Geburtstag erfolgen.
Bei bevorstehender Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung oder nach möglichem Kontakt zu einem Masernkranken rät die STIKO aber bereits ab einem Alter von neun Monaten zur Masernimpfung. Die zweite Dosis sollte dann um den ersten Geburtstag geimpft werden.
Jüngere Kinder können nur über die Herdenimmunität vor Masern und ihren Folgen geschützt werden. Das heißt, Eltern, Geschwister und andere Bezugspersonen sollten geimpft sein. Eine gute Herdenimmunität setzt zudem eine ausreichende Durchimpfung der Bevölkerung voraus.
Bayern Schlusslicht beim Masernschutz
In Deutschland ist das nicht erreicht. Aktuelle Daten des Robert Koch-Instituts für 2013 weisen bis zum Stichtag 10. Juli 1043 Masernfälle in Deutschland aus.
Das sind fast neunmal mehr als 2012, als bis zum gleichen Termin 117 Fälle gemeldet worden waren. Allein für die 25. Kalenderwoche 2013 sind 101 Fälle verzeichnet.
An der Spitze der Masernstatistik stehen Bayern, wo in diesem Jahr bisher 465 Menschen an Masern erkrankt sind, und Berlin mit 387 Fällen.
Laut Angaben des RKI handelt es sich bei rund der Hälfte der Erkrankten (47 Prozent) um über 20-Jährige. 36 Prozent der Masernpatienten mussten stationär behandelt werden.
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