Impfexperten
Grippe-Impfung hätte 4.800 Leben retten können
Mit konsequenter Grippeimpfung ließen sich in Deutschland jedes Jahr mehrere tausend Todesfälle verhindern. Dazu müssten Ärzte den Schutz aber besser vermitteln, heißt es beim DGIM-Kongress.
Veröffentlicht:MANNHEIM. Angesichts der schwersten Grippewelle der letzten zehn Jahre haben sich Impfexperten während des Internistenkongresses für eine bessere Kommunikation bei der Grippeimpfung ausgesprochen.
Ärzte seien entscheidend dafür, dass sich die Risikogruppen auch impfen ließen. Es sei zudem nicht hinnehmbar, dass zum Beispiel nur noch jeder dritte über 60-Jährige gegen Influenza geimpft wird.
Mit besseren Impfraten hätte man die Epidemie deutlich abmildern können, betonte der STIKO-Vorsitzende Professor Thomas Mertens bei einer vom "Ärzteblatt" veranstalteten Podiumsdiskussion.
Die bundesweit in der noch laufenden Saison gemeldeten 1287 Todesfälle bei Patienten mit laborbestätigter Influenza (siehe nachfolgende Grafik) seien dabei nur die Spitze des Eisbergs. "Die wahren Zahlen liegen mindestens um den Faktor zehn höher", sagte der Virologe aus Ulm.
Impfung zu selten angeboten
Grippesaison 2017/18
»Höchster Krankenstand der vergangenen zehn Jahre mit 6,2 Prozent der Beschäftigten im Februar.
»Rekordwerte: Gemeldet wurden 56.914 stationär behandelte Patienten sowie 1287 Todesfälle mit laborbestätigter Influenza.
»Ungenaues Bild: Die meisten Erkrankungen und Todesfälle in Folge von Grippe werden nicht erfasst. STIKO-Chef Professor Thomas Mertens geht von mindestens 12.000 Todesfällen durch Influenza aus.
Viele Ärzte würden aber die Impfung zu selten anbieten. "Wenn man von 12.000 Grippetoten im vergangenen Winter ausgeht, dann kann auch ein Impfstoff mit einer Wirksamkeit von nur 40 Prozent immerhin noch 4800 Todesfälle verhindern", sagte Mertens bei der Veranstaltung.
Um die Situation zu verbessern, seien vor allem bessere Impfraten nötig und keine Diskussion um eine angebliche Zweiklassenmedizin bei der Wahl eines drei- oder viervalenten Impfstoffs, betonte RKI-Präsident Professor Lothar H. Wieler bei der Veranstaltung.
Grippe werde unterschätzt und viele Menschen halten sie noch für eine Art Schnupfen. Es müsse daher auch stärker betont werden, dass Pneumonie, Sepsis oder ein Herzinfarkt die Folgen einer schweren Influenza sein könnten.
Bedenkliche Impflücken bei medizinischem Personal
Dem Infektiologen liegt dabei vor allem eine Verbesserung des Impfschutzes beim medizinischen Personal am Herzen.
Nach Studiendaten des RKI gebe es hier besonders bedenkliche Impflücken: Nur etwa 30 Prozent der Pflegekräfte und nur 60 Prozent der Ärzte hätten den Influenza-Schutz, so Wieler.
Besonders viele Ärzte hätten in der Untersuchung angegeben: "So toll ist die Wirksamkeit ja nicht, da muss ich mich ja nicht impfen lassen", sagte der RKI-Präsident.
Dass damit aber auch die anvertrauten Patienten geschützt werden sollen, werde außer Acht gelassen. Der durch Impfung erzielte Gemeinschaftsschutz müsse deutlicher vermittelt werden.
"Wenn ein Arzt nicht zu Impfungen steht, dann kann er auch Patienten nicht überzeugen", sagte Mertens dazu.
Eine unkonventionelle Idee hatte bei der Diskussion der Kabarettist und Arzt Dr. Eckhart von Hirschhausen: Wie eine Aids-Schleife sollten Ärzte einen Button auf dem Arztkittel tragen mit der Aufschrift: "Ich bin geimpft, sprechen Sie mich auf Ihre Impfungen an!"