Masern

Impfpflicht wirft für Ärzte viele Fragen auf

Vor allem Ärzte müssten das geplante Gesetz zur Masernimpfpflicht umsetzen. Diskussionen in Internetforen zeigen viele offene Fragen.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Führt eine Impfpflicht zur Lösung der Masernproblematik?

Führt eine Impfpflicht zur Lösung der Masernproblematik?

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NEU-ISENBURG. Bei Ärzten wirft der Gesetzesentwurf zur Masern-Impfpflicht viele praktische Fragen auf. Das zeigen Beträge in Internetforen. Die Kollegen dringen auf Klärung:

  • Die Masernimpfpflicht für Kinder und Betreuer in öffentlichen Kitas ließe sich wahrscheinlich am einfachsten umsetzen: Ungeimpfte werden ausgeschlossen. Unklar ist jedoch, ob sich die Pflicht auch auf private Einrichtungen wie Waldorf- oder Montessori-Kindergärten erstreckt, ebenso auf selbst organisierter Kinderbetreuung und Krabbelgruppen. Solche Ausweichmöglichkeiten für impfunwillige Eltern wären eine Bresche für Masernviren.
  • Bei der Masernimpfpflicht für Schüler, Erzieher und Lehrer in Schulen sind die Umstände zur Zahlung des Bußgelds unklar. Bis zu 2500 Euro sollen Eltern bei Missachtung der Impfpflicht ihrer Kinder zahlen. Wer aber würde bei Sozialhilfeempfängern zahlen? Gilt die Pflicht nur in öffentlichen Schulen?

In Deutschland gibt es besonders große Impflücken in Waldorfschulen, was dort immer wieder zu Ausbrüchen geführt hat. An diesen Schulen müssten besonders große Impflücken geschlossen werden.

Die Lage in den USA?

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In den USA erstreckt sich die Regel „no vaccination, no school“ vor allem auf öffentliche Schulen; in den letzten Jahren haben sich dort immer mehr Kinder etwa aus religiösen Gruppen von der Impfpflicht befreien lassen, was zu Ausbrüchen geführt hat.

Betroffene Kommunen verbieten Ungeimpften jetzt auch den Besuch öffentlicher Einrichtungen wie Kirchen, Kinos und Einkaufszentren. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Bußgelder.

  • Für niedergelassene Ärzte und ihr Personal sowie Ärzte und Pflegefachkräfte in Krankenhäusern ist ebenfalls eine Impfpflicht geplant; was aber ist mit Hebammen und Heilpraktikern? In diesen Berufsgruppen finden sich besonders viele Impfskeptiker.

In Praxen und Kliniken ist bereits die Hepatitis-B-Impfung akzeptiert für Personal mit regelmäßigem Kontakt zu Körperflüssigkeiten von Patienten. Nach der Biostoffverordnung (BioStoffV) ist hier der Impferfolg sogar serologisch abzuklären.

Prinzipiell ließe sich die Masernimpfpflicht also ähnlich durchsetzen wie der Hepatitis-B-Schutz.

Verpflichtung für Arbeitnehmer

Auch ohne Masernimpfpflicht würden medizinische Einrichtungen heute schon rechtliche Auseinandersetzungen riskieren, wenn nachweislich Patienten durch masernkranke Mitarbeiter zu Schaden kommen, sagen Medizinrechtler. Und: Arbeitgeber sind in der Pflicht, ihrem medizinischen Personal die von der STIKO empfohlenen Impfungen anzubieten – was in Deutschland oft unterbleibt.

Bei Untätigkeit könnte im Schadensfall Organisationsverschulden vorgeworfen werden.

Masern-Todesfall in Niedersachsen

  • Ein Erwachsener mit Masern ist in Niedersachsen gestorben, hat der Kreis Hildesheim am 7. Mai mitgeteilt.
  • Die Todesumstände werden derzeit noch untersucht.
  • In Deutschland ist es der erste gemeldete Maserntodesfall in diesem Jahr. 2016 gab es bei uns zwei Todesfälle durch Masern, 2015 waren es drei. (dpa)
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Kommentare
Dr. Uwe Wolfgang Popert 08.05.201913:45 Uhr

Viel Bürokratie-wenig Nutzen

Die derzeitige Masern-Häufigkeit in Deutschland liegt innerhalb der langjährigen Schwankungsbreite; die Bereitschaft zur Masernimpfung bei Kindern nimmt seit Jahren zu. In Deutschland sterben seit Jahren 1-2 Kinder pro Jahr an Masern. Ob eine Impfpflicht das verhindern kann, ist fraglich – die Durchimpfungsraten in Deutschland liegen jetzt schon höher als in den meisten Ländern mit Impfpflicht.
Für eine Masernimpfung, aber gegen eine Masern-Impfpflicht haben sich ausgesprochen: u.a. das Gesundheitsamt Frankfurt, Experten des RKI (Robert-Koch-Institut), Deutsches Netzwerk evidenzbasierte Medizin, DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin).
Die vom Gesundheitsminister vorgeschlagene Gesetzesinitiative fordert nicht nur Belege einer Masernimpfung bei allen Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei allen Mitarbeitern von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Arztpraxen. Die dafür vom Gesundheitsministerium angesetzte Zahl von 600.000 Betroffenen ist viel zu niedrig. Im Gesundheitswesen und in den Schulen arbeiten etwa 6,5 Millionen Menschen. Diese müssen in wenigen Monaten (bis Sommer 2020) alle kontrolliert werden und Bescheinigungen erhalten. Wegen fehlender Impfungen oder fehlender Impfausweise sind davon etwa bei 1-2 Millionen voraussichtlich serologische Tests bzw. Nachimpfungen erforderlich. Wenn der Impfstoff reicht.
Fazit: ein enormer bürokratischer Aufwand mit fraglichem Nutzen.

Dr. Thomas Georg Schätzler 08.05.201909:59 Uhr

Masernimpfpflicht in Absurdistan?

Wer in seinem medizinisch-gesundheitspolitischen Leben noch nie wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. med. Karl Lauterbach und der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery als Radiologe ein spezielles Impfstoff-Rezept ausgestellt hat, sollte den Ball flach halten.

Wie kann ein Minister bloß einen Gesetzesvorschlag mit isolierter Masernimpfpflicht planen, um impfmüde Eltern durch Strafzahlung zu sanktionieren Denn etwa 600.000 Menschen müssten gegen Masern nachgeimpft werden, obwohl dieser Einzel-Impfstoff in Deutschland gar nicht verfügbar ist.

Das müsste unser Gesundheitsminister Jens Spahn und alle selbsternannten Impfpräventions- und Infektiologie-Experten erstmal zur Kenntnis nehmen:

„Impfstoffe gegen Masern - Die nachfolgende Tabelle enthält die Präparate, die eine gültige Zulassung besitzen. Die Tabelle gibt keine Auskunft darüber, ob die Präparate auf dem Markt verfügbar sind. Für die Angaben wird keine Gewähr übernommen. Rechtlich bindend sind die Angaben des jeweiligen Zulassungsbescheids. Das offizielle Veröffentlichungsorgan des Paul-Ehrlich-Instituts ist der Bundesanzeiger...

...Masern-Impfstoff Mérieux - Masern-Lebendvirus-Impfstoff
Verwendung ab einem Lebensalter von 11 Monaten
EurimPharm Arzneimittel GmbH Mono PEI.H.11673.01.1 14.03.2013 PharmNet
Parallelimport - Wird derzeit nicht in Deutschland vermarktet“ (Zitat Ende)

httpswww.pei.deDEarzneimittelimpfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschenmasernmasern-node.html

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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