Bakterien einfach aufgespießt
Nagelbrett schützt Implantat vor Keimen
Forscher haben eine Oberfläche entwickelt, die das Infektionsrisiko nach Einsatz von Implantaten senken soll. Inspiriert wurden sie von der Natur.
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Keime im Visier: Mit einer Art Nagelbrett wollen Forscher Bakterien und Viren den Garaus machen.
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Bochum. Ein Team der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat einen Weg gefunden, die Anheftung von Bakterien an Implantate wie künstliche Gelenke zu verhindern: Sie lassen nanometerkleine Säulen auf der Oberfläche wachsen, die wie ein Nagelbrett dazu führen, dass die Bakterien zerreißen, berichtet die RUB. Keime, die zu widerstandsfähig dafür sind, rücken sie mit Silberionen zu Leibe.
Inspiriert wurden die Forscher durch eine auf den Flügeln bestimmter Zikaden vorkommende Struktur mit antibakteriellen Eigenschaften: Die Flügel sind über und über mit winzigen Säulen aus wachsartigem Material besetzt, die nur rund 200 Nanometer klein sind und zur Beschädigung der Bakterienzellwand führen. „Bis dahin dachte man, Bakterien könnten in der Natur hauptsächlich über chemische Prozesse eliminiert werden“, wird Professor Manfred Köller, Leiter der Abteilung Chirurgische Forschung am RUB-Klinikum Bergmannsheil in der Mitteilung der Ruhr-Uni zitiert.
Nanosäulen aus Titanatomen
Mit einer sogenannte Sputteranlage gelang es, die Nanosäulenstruktur der Zikaden fast identisch aus Metall zu generieren. Doktorandin Nadine Ziegler nutzte dazu ein besonderes Sputter-Verfahren namens Glancing Angle Deposition, kurz GLAD. „Dabei werden einzelne Titanatome durch ein Plasma aus einem Stück reinen Titans herausgelöst und in Richtung des Trägermaterials beschleunigt. Sie treffen schräg von der Seite auf“, erklärt sie. So entsteht eine Landschaft charakteristischer Nanosäulen aus Titanatomen. Tests mit E. coli zeigten, dass die Erreger sich auf so beschichteten Oberflächen nicht vermehren konnten.
Andere Arten von Bakterien mit dickerer Zellwand wie Staphylokokken zeigten sich allerdings unbeeindruckt. Um sie an der Anheftung zu hindern, entwickelten die Forscher eine Beschichtung der Nanosäulen mit noch viel kleineren Nanoflecken aus Silber und Platin. Die Anwesenheit des edleren Platins sorgt dafür, dass das Silber vermehrt korrodiert, sodass Silberionen freigesetzt werden. Diese wiederum schaden den Bakterien. „Dadurch, dass das Silber durch die Korrosion binnen dreier Tage verschwindet, haben wir ein selbstlimitierendes System, das in der ersten heiklen Phase nach der Operation eine Infektion verhindern soll“, fasst Köller zusammen.
Weitere Untersuchungen geplant
Den körpereigenen Zellen schaden die Nanosäulen nicht, heißt es im „Rubin“, dem Wissenschaftsmagazin der RUB. Im Gegenteil: In ersten Experimenten sieht es so aus, als würden die Säulen bestimmte Blutzellen stimulieren und so die Heilung zusätzlich anregen. „Weitere Untersuchungen müssen jetzt zeigen, ob das Ganze auch unter den Bedingungen eines klinischen Einsatzes funktioniert“, so Köller. (eb)