Sexuell übertragbare Infektionen
Neuer Höchststand von Syphilis-Infektionen in Deutschland
Das Robert Koch-Institut meldet einen Höchststand der Syphilis-Infektionen für das Jahr 2019. Zu entnehmen ist dem Bericht auch: In Deutschland ist Syphilis vorrangig Männersache.
Veröffentlicht:Berlin. Für das Jahr 2019 wurden 7889 Syphilis-Infektionen an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet und damit so viele wie noch nie seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001. Damit setzt sich der seit 2010 beobachtete Anstieg von Syphilis-Fällen in Deutschland weiter fort. Der Anstieg von 7,2 Prozent (531 Fälle) hat damit auch die leicht rückläufige Entwicklung der Fallzahlen im Jahr davor beendet. Das teilt das RKI mit (Epid Bull 49/2020; online 3. Dezember).
Geografische Verteilung
Ballungszentren haben wie auch in den Vorjahren besonders hohe Inzidenzen, Infektionen wurden aber auch in relevanter Zahl aus ländlicheren Regionen gemeldet. Bundesweit lag die Inzidenz mit 9,5 pro 100.000 Einwohnern über dem Median der fünf Vorjahre (8,7). Die mit Abstand höchsten Inzidenzen gibt es in Berlin (39,7 pro 100.000 Einwohner) und Hamburg (24,5), die niedrigsten Werte in Mecklenburg-Vorpommern (4,3) und Brandenburg (4,1)
Von relevanten Anstiegen der Syphilis-Inzidenz berichtet das RKI in Dresden (plus 90 Prozent), Bochum (plus 64 Prozent), Leipzig (plus 44 Prozent), Wiesbaden (plus 43 Prozent) und Wuppertal (plus 41 Prozent).
Größtenteils Männersache
Der Anteil von Infektionen bei Frauen liegt bei 5,8 Prozent und damit in etwa auf dem gleichen Niveau wie in den Vorjahren. Bei Männern liegt die Inzidenz mit 18,1 Fällen pro 100.000 um das 16-fach höher als bei Frauen (1,1).
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Meldungen bei Männern im Vergleich zum Jahr 2018 um 7,4 Prozent (512 Fälle) und erreicht damit ebenfalls einen neuen Höchststand. Bei Frauen gibt es einen leichten Anstieg von 2,5 Prozent (elf Fälle).
Betroffene waren im Median 40 Jahre alt. Die höchste Inzidenz gibt es unter Männern im Alter von 30 bis 39 Jahren (38,8).
Bei den Meldungen mit Informationen zum Infektionsweg waren 86 Prozent der Patienten (5304) Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), 14,1 Prozent (870) Menschen mit heterosexuellem Transmissionsweg. Auch gab es drei Meldungen (0,05 Prozent) von konnataler Syphilis. Auch dieser Wert blieb im Vergleich zum Vorjahr unverändert.
Damit stieg der Anteil der Fälle leicht, die vermutlich über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen wurden (plus neun Prozent). Der Anteil der Meldungen mit heterosexuellem Transmissionsweg blieb in etwa gleich. Kontakt zu einem Sexarbeiter beziehungsweise Ausübung von Sexarbeit waren für 0,5 Prozent (29 Meldungen) beziehungsweise 0,6 Prozent (33 Meldungen) verantwortlich, auch dieser Wert blieb im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich.
Syphilis wird oft früh entdeckt
Syphilis verläuft ja typischerweise in drei Stadien: Ein sogenannter Primäraffekt (ein meist schmerzloses Geschwür an der Eintrittsstelle) bildet sich wenige Tage bis Wochen nach der Infektion. Im Sekundärstadium macht sich die Erkrankung durch Allgemeinsymptome und Hauterscheinungen bemerkbar und im Tertiärstadium (Jahre nach der Erstinfektion) kann es zur Schädigung des Gehirns und der Blutgefäße kommen. Symptomfreie Phasen werden als Latenz bezeichnet. Infektiös sind Personen im Primär- und Sekundärstadium sowie während der frühen Latenz.
Von den Meldungen, bei denen das Erkrankungsstadium bestimmt werden konnte, handelte es sich zu 27 Prozent um ein Primärstadium und zu 27 Prozent um ein latentes Stadium. 16 Prozent wurden im Sekundärstadium, zwei Prozent im Tertiärstadium gemeldet. Bei den restlichen Meldungen lagen keine Informationen zum Erkrankungsstadium vor.
Von den Meldungen, bei denen Informationen zum Primäraffekt und dessen Lokalisation enthalten waren, gab es in 70 Prozent der Fälle eine genitale, in 16 Prozent eine anale und in 14 Prozent eine orale Lokalisation.
Über die Hälfte Erstinfektionen
Syphilis kann ja durch Antibiotika geheilt werden, eine Reinfektion ist jedoch möglich. Bei 55 Prozent der Meldungen aus dem Jahr 2019 handelte es sich um eine Erstinfektion, zu 39 Prozent um eine Reinfektion, beim Rest lagen keine Informationen vor. Bei einem Drittel der Fälle lag eine HIV-Koinfektion vor, für MSM lag dieser Wert mit 44 Prozent deutlich höher.
Wie steht es um das Infektionsgeschehen in Deutschland im internationalen Vergleich? Die aktuelle epidemiologische Lage ähnelt der Situation in anderen westeuropäischen Staaten. Auch hier kam es zu andauernden Anstiegen von Syphilis-Fällen in den letzten Jahren, mit MSM als hauptbetroffene Gruppe.
Hinweise sind außerdem zu sehen auf ein relevantes Syphilis-Infektionsgeschehen bei HIV-positiven MSM, das durch geeignete Präventionsmaßnahmen und Diagnostik-Angebote adressiert werden sollte. Zum anderen spricht dieser hohe Anteil von HIV-Koinfektionen aber auch dafür, dass die hierfür existierenden Empfehlungen wie etwa regelmäßige Screening-Angebote auf sexuell übertragbare Infektionen (STI) für HIV-positive MSM auch Wirkung zeigen. Gleiches gilt für sexuell aktivere MSM auch ohne HIV-Koinfektion.
Auffällig ist des Weiteren, dass MSM unabhängig vom HIV-Status deutlich früher mit Syphilis diagnostiziert werden als heterosexuelle Männer und besonders Frauen. Das deutet auf eine für MSM insgesamt bessere Umsetzung von Diagnostik-Angeboten hin. Es bleibt zu beobachten, ob es mit weiterer Verbreitung der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in Deutschland zu einer veränderten epidemiologischen Dynamik der Syphilis in Deutschland kommt.