Chinesische Studie

Neues G4-Influenzavirus – übertragbar vom Schwein auf Menschen

Ein neues Influenzavirus kann offenbar vom Schwein auf den Menschen übertragen werden und diese infizieren. Ob sich daraus allerdings eine weitere Pandemie entwickeln kann, bleibt abzuwarten.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Ein neues Influenzavirus vom G4-Genotyp enthält genetisches Material des Schweinegrippevirus H1N1 aus 2009, von Vogelgrippeviren sowie von einem nordamerikanischen H1N1-Stamm.

Ein neues Influenzavirus vom G4-Genotyp enthält genetisches Material des Schweinegrippevirus H1N1 aus 2009, von Vogelgrippeviren sowie von einem nordamerikanischen H1N1-Stamm.

© MP / stock.adobe.com

Peking. Chinesische Wissenschaftler berichten über ein neues Influenzavirus, das sich in Schweinepopulationen durchgesetzt und bereits Menschen infiziert hat. Damit bestehe erhöhte Gefahr für ein neues Pandemievirus, so Honglei Sun von der China Agricultural University in Peking und Kollegen in der Online-Ausgabe von PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) vom 29. Juni.

Weil Hausschweine intermediäre Wirte für Influenzaviren sind und aufgrund ihrer Kontakte zu Menschen, Vögeln und anderen Tieren als „Mischbehälter“ gelten, in denen für den Menschen potenziell gefährliche Virusmutationen stattfinden können, unterliegen sie in China einer Surveillance. Sun und Mitarbeiter haben dabei einen aus drei Viruslinien reassortierten Genotyp gefunden. Er enthält genetisches Material des Schweinegrippevirus H1N1 aus 2009, von Vogelgrippeviren sowie von einem nordamerikanischen H1N1-Stamm. Bezeichnet wird das Influenza-A-Virus als „Genotyp G4 reassortant Eurasian avian-like (EA) H1N1“. Dieser G4-Genotyp habe sich in chinesischen Schweinepopulationen seit 2016 durchgesetzt, schreiben die Veterinärmediziner. China verfügt über die größte Hausschwein-Population der Welt. In zehn chinesischen Provinzen ist das Virus inzwischen dominant.

Erhöhte G4-Seroprävalenz bei Schweinefabrik-Arbeitern

„Bedenklich ist, dass Schweinefabrik-Arbeiter eine erhöhte G4-Seroprävalenz aufweisen“, heißt es in dem Bericht. 35 von 338 getesteten Arbeitern (10,4 Prozent) seien positiv für G4 EA H1N1, unter jungen Arbeitern (18 bis 35 Jahre alt) sogar 20,5 Prozent. Das weist auf eine bereits erhöhte Infektanfälligkeit von Menschen hin. Und dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Virus weiter an den Menschen anpasst, so dass es theoretisch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.

Ob dies tatsächlich passieren wird, sei keineswegs ausgemacht, so Virologe und Influenza-Forscher Professor Robert Webster aus Memphis, Tennessee, gegenüber dem Wissenschaftsmagazin „Science“. „Wir können nicht wissen, ob eine Pandemie daraus entstehen kann, bis sie da ist.“ Und den Biologen Professor Edward C. Holmes von der University of Sydney, Australien, zitiert die Zeitschrift mit den Worten: „Diese Situation muss auf jeden Fall genau überwacht werden.“

Genetischer Selektionsvorteil in Schweinen?

EA H1N1-Viren zirkulieren seit Jahrzehnten in asiatischen und europäischen Schweinepopulationen. So sei von 2011 bis 2013 ein G1-Genotyp prädominant gewesen, erläutern Sun und Mitarbeiter in ihrer Publikation. Seit 2014 würden G4- und G5-Genotypen nach und nach die EA H1N1-Genotypen ersetzen und bei Schweinen mit respiratorischen Symptomen stieg die Rate isolierter G4-Genotypen Jahr für Jahr stark an. Das weise darauf hin, dass diese Influenzaviren einen genetischen Selektionsvorteil in Schweinen aufweisen. Damit werden sie zu einem zunehmenden Problem in Mastbetrieben, womit unausweichlich auch Menschen mit dem Virus konfrontiert sind.

In China sind bislang fünf EA-ähnliche Schweinegrippefälle beschrieben worden, darunter waren drei Kleinkinder und zwei Patienten mit einem G4-ähnlichen EA H1N1-Virus, die engen Kontakt zu Schweinen hatten. Nach Auffassung der chinesischen Wissenschaftler weise das G4-Virus alle Kennzeichen für eine Adaptation an den Menschen auf. Damit erhöhe sich das Risiko für eine Influenza-Pandemie.

Mehr zum Thema

Aufarbeitung

Sachsen setzt Enquete-Kommission zu Corona ein

Ausland

Ruanda erklärt Marburgvirus-Ausbruch für beendet

G-BA-Beschluss

Start für Qualitätssicherung bei Sepsis in Kliniken

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Dr. Peter Schimmelpfennig 01.07.202009:35 Uhr

Der Virennachwuchs geht nicht aus. Schweinegrippe??? Hatten wir schon mal, oder?
Eine Beschäftigung mit den großen relevanten Volkskrankheiten wäre so langsam mal wieder angebracht. Da könnten wir x-mal mehr Menschen helfen. Wenn schon Beschäfitung mit Infektionskrankheiten, dann sollten die Forschungsbemühungen im HIV- und Tuberkulosebereich intensiviert werden.

Sonderberichte zum Thema
Abb.1: Antikörper-Wirkstoff-Konjugat

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [14, 15]

Nicht kleinzelliges Lungenkarzinom

Effektive Zweitlinienoptionen weiterhin dringend benötigt

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Wirkmechanismus eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugats (ADC) am Beispiel von Trastuzumab deruxtecan

© Springer Medizin Verlag GmbH, (modifiziert nach [10]; original licensed under CC BY 4.0; https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Fortschritte bei allen Komponenten

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Wirkmechanismus eines Antikörper-Wirkstoff-Konjugats

© Springer Medizin Verlag GmbH (modifiziert nach [6]; original licensed under CC BY 4.0; https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Nicht kleinzelliges Lungenkarzinom

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate in der Therapie des nicht kleinzelligen Lungenkarzinoms

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg, und der Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Praxisabgabe mit Hindernissen

Warum Kollege Gieseking nicht zum Ruhestand kommt

Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025