Leitfaden
Planung für den COVID-19-Notfall
Ein Leitfaden für ambulant tätige Ärzte zur Vorausplanung von COVID-19-Notfällen ist jetzt von mehreren Fachgesellschaften veröffentlicht worden.
Veröffentlicht:Neu-Isenburg. Sechs medizinische Fachgesellschaften haben im Rahmen der COVID-19-Pandemie einen Leitfaden für ambulant tätige Ärzte zur Verfügung gestellt. Er soll dabei helfen, bei schwerer COVID-19-Erkrankung die richtige und vom Patienten gewünschte Therapie einzuleiten.
Erreicht werden soll damit, dass nur diejenigen Patienten ins Krankenhaus eingewiesen werden, die dies ausdrücklich wünschen und bei denen eine Intensivtherapie realistische Erfolgsaussichten habe, heißt es in dem Papier unter Federführung der DiV-BVP (Deutsche interprofessionelle Vereinigung – Behandlung im Voraus planen), gemeinsam mit der DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin) sowie pneumologischer, palliativmedizinischer und intensivmedizinischer Fachgesellschaften. Formulare zur Dokumentation hat die DiV-BVP zur Verfügung gestellt.
Patientenverfügungen oft nicht hilfreich
Hintergrund ist die Tatsache, dass nicht jeder COVID-19-Patient von einer Einweisung ins Krankenhaus profitieren würde und nicht jeder Mensch mit einer maximalen Intensivtherapie einverstanden wäre. Unter dem großen Handlungsdruck notfallmedizinischen Handelns lassen sich diese Fragen meist nicht sicher klären, Patientenverfügungen erweisen sich regelmäßig als nicht hilfreich.
Die Fachgesellschaften sprechen sich deshalb für einen „qualifizierten Klärungsprozess im Sinne gemeinsamer Entscheidungsfindung“ aus. Eine Priorisierung (Triage) wegen knapper intensivmedizinischer Ressourcen in überlasteten Krankenhäusern müsse bereits im ambulanten Bereich vermieden werden.
Drei Dinge gilt es daher besonders in Risikogruppen zu erledigen:
- das Therapieziel klären,
- die Prognose einschätzen,
- den Patientenwillen ermitteln.
Das Therapieziel kann „Heilung/ Lebenserhaltung“ lauten oder die (ausschließliche) Leidenslinderung beinhalten. Zusätzlich muss geklärt werden, ob einzelne Maßnahmen ausgeschlossen werden sollen, zum Beispiel eine Reanimation, eine invasive Beatmung oder gar jegliche stationäre Behandlung.
Besteht zumindest minimale Aussicht auf Erfolg?
Behandlungsmaßnahmen in Bezug auf COVID-19 seien prinzipiell nur dann indiziert und vertretbar, wenn zumindest minimale Aussicht auf Erfolg bestehe, heißt es in dem Leitfaden. Beim Therapieziel „Lebenserhaltung“ biete die Krankenhauseinweisung bessere Überlebenschancen als der Verbleib im ambulanten Setting.
Empfohlen wird die Einschätzung des Morbiditätsrisikos mit dem Score qSOFA (quick Sequential (Sepsis-Related) Organ Failure-Assessment):
- Verwirrtheit oder Bewusstseinstrübung,
- eine Atemfrequenz von 22/min oder mehr und
- ein systolischer Blutdruck von unter 100 mmHg
werden mit jeweils einem Punkt bewertet. Schon bei 2 Punkten ist das Mortalitätsrisiko drei Mal so hoch wie bei 0 oder 1 Punkt, bei 3 Punkten ist die Mortalität 14-fach erhöht.
Zusätzlich zum qSOFA soll die periphere Sauerstoffsättigung bestimmt werden: der akute Abfall auf unter 92 Prozent bei Lungengesunden sowie auf unter 90 Prozent bei pulmonaler Komorbidität (jeweils in Raumluft) verschlechtern die Prognose deutlich. „Sind 3 dieser insgesamt 4 Parameter (qSOFA plus sO2) positiv, ist mit einem intensivmedizinischen Behandlungsbedarf zu rechnen.“
„Einheitliche Dokumentation ist wünschenswert“
Besteht eine medizinische Indikation für lebensrettende Maßnahmen, muss dies vom Patienten auch gewollt, besprochen, festgelegt und dokumentiert sein. Zunächst kann die vorliegende Patientenverfügung überprüft werden und geklärt werden, ob die dort gemachten Festlegungen noch dem aktuellen Willen entsprechen. Geklärt werden soll weiterhin, ob der Patient im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung, in der er selbst nicht mehr einwilligungsfähig ist, bestimmte Optionen ausschließen möchte. Dies soll im Gespräch mit dem Patienten, möglichst gemeinsam mit einem rechtlichen Vertreter, dokumentiert werden sowie bei nicht einwilligungsfähigen Patienten mit dem Vorsorgebevollmächtigten oder Betreuer. Die Dokumentation soll in der „Ärztlichen Anordnung für den Notfall“ (ÄNo) erfolgen.
„Eine bundesweit einheitliche Dokumentation ist aus Gründen der Akzeptanz gerade in der Notfallmedizin dringend wünschenswert“, fordern die beteiligten Fachgesellschaften.
Empfohlen werden die Formulare der DiV-BVP unter div-bvp.de .