Gegen Infarkt impfen
Pneumologen wollen mit Grippeimpfung vor Herzleiden schützen
Die Grippeimpfung schützt wahrscheinlich auch vor Herzinfarkten. Sollte die Indikation deswegen viel breiter gestellt werden? Dafür plädieren Pneumologen kurz vor dem DGP-Kongress.
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Sechsmal so hoch war das Herzinfarktrisiko infolge einer Grippeerkrankung.
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BERLIN. Vor wenigen Wochen machten Public Health-Experten aus Kanada Schlagzeilen mit einer Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Erkrankungen an Grippe und dem Auftreten von Herzinfarkten.
In den ersten sieben Tagen nach einer per Labortest bestätigten Grippediagnose war das Risiko, wegen eines Herzinfarkts ins Krankenhaus zu müssen, sechsmal so hoch wie in Vergleichszeiträumen ohne zeitlichen Zusammenhang mit einer Grippediagnose. (N Engl J Med 2018; 378: 345)
Heißt das im Umkehrschluss, dass eine Influenzaimpfung auch vor Herzinfarkten schützen kann? Dafür spreche einiges, sagte Professor Mathias Pletz vom Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene an der Universität Jena bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) im Vorfeld des DGP-Kongresses vom 14. bis 17. März in Dresden
Studien bestätigen positive Auswirkungen
So war die Herzinfarktinzidenz in mehreren randomisierten Studien zur Grippeimpfung im Impfarm niedriger als im Kontrollarm. Schon vor fünf Jahren hat eine Metaanalyse den Nutzen der Impfung für ein Kollektiv von über 6700 Probanden aus sechs randomisierten Studien konkret beziffert: 2,9 Prozent der geimpften Probanden, aber 4,7 Prozent der Probanden in den Kontrollgruppen, erlitten innerhalb eines Jahres einen Herzinfarkt. (JAMA 2013; 310: 1711)
Für Skeptiker in Sachen genereller Influenzaimpfung hatte Pletz in Berlin noch ein weiteres Argument im Gepäck: Eine generelle Influenzaimpfung führe zu einer messbaren Verringerung der Antibiotikaverordnung – und trage damit sozusagen im Nebeneffekt dazu bei, dass ein anderes wichtiges Public Health-Ziel erreicht werde.
Auch das lässt sich präzise beziffern, und zwar anhand der kanadischen Region Ontario, wo der gesamten Bevölkerung schon seit dem Jahr 2000 eine Influenzaimpfung angeboten wird.
Mithilfe von Modellrechnungen haben Wissenschaftler abgeschätzt, welcher Anteil der Antibiotikaverordnungen in der Region mit Grippeerkrankungen und deren Folgen in Zusammenhang stand. Sie kamen auf 2,7 Prozent vor Einführung des generellen Impfangebots und auf 1,1 Prozent in der Zeit danach, ein Minus um 60 Prozent (Clin Infect Dis 2009; 49: 750).
Impfung für jeden sinnvoll?
Diese Verringerung der wurde erreicht, obwohl der Anteil derer, die sich impfen ließen, nur von 18 Prozent auf 38 Prozent der Bevölkerung stieg. Es reicht also schon, wenn nur ein Teil der Anspruchsberechtigten mitmacht.
Pletz plädierte nicht zuletzt vor diesem Hintergrund für eine Ausweitung der Impfempfehlung: "Aus meiner persönlichen Sicht macht die Influenzaimpfung für jeden Sinn. Einige Krankenkassen bezahlen das auch."