Studie

Salzige Kost macht nicht durstig, aber hungrig

Von salzigem Essen muss man mehr trinken? Diese Binsenweisheit ist nun widerlegt. Zwei neue Studien zeigen genau das Gegenteil.

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Salz verstärkt nur kurzfristig den Durst.

Salz verstärkt nur kurzfristig den Durst.

© ClarkandCompany / Getty Images / iStock

BERLIN. Wie Salz im Essen das Trinkverhalten beeinflusst, wurde nie in einer Langzeitstudie überprüft. Bekannt war bisher lediglich, dass mehr Salz in der Nahrung die Produktion von Urin stimuliert. Diese zusätzliche Flüssigkeit stammt aus Getränken – so die These.

Weit gefehlt!, sagt nun ein Forschungsteam. Wissenschaftler u. a. vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Charité, dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) und der Vanderbilt University überprüften die alte Weisheit während einer simulierten Marsmission, und stellen ihre Ergebnisse nun im "Journal of Clinical Investigation" vor (doi.org/10.1172/JCI88530).

Dr. Natalia Rakova von der Charité in Berlin und dem MDC führte mit ihrem Team zwei unabhängige Studien an zehn männliche Freiwilligen durch. Die Probanden waren über einen Zeitraum von entweder 105 oder 205 Tagen in einer Raumschiff-Attrappe eingeschlossen. Alle Teilnehmer hatten absolut identische Speisepläne. Im Laufe der Wochen veränderte das Forschungsteam dann stufenweise den Salzgehalt in der Nahrung.

Das Experiment bestätigte: Kurzfristig verstärkt Salz den Durst. Mehr Salz im Essen führt auch zu einer höheren Salzkonzentration im Harn und einer höheren Gesamtmenge Urin – das war nicht überraschend. Doch die größere Menge Flüssigkeit stammte nicht aus Getränken. Die Probanden tranken sogar insgesamt weniger, wenn sie mehr Salz zu sich nahmen. Das Salz löste in den Nieren einen Wasserspar-Mechanismus aus.

Bisher galt, dass die Natrium- und Chlorid-Ionen, aus denen Salz besteht, an Wassermoleküle binden und diese in den Harn ziehen. Stattdessen zeigten die neuen Ergebnisse, dass das Salz im Harn bleibt, während das Wasser in die Niere und Körper zurücktransportiert wird.

Versuche an Mäusen zeigten dann, dass die Substanz Harnstoff (Urea) daran beteiligt sein könnte. Mit Hilfe von Harnstoff entsorgen Muskeln und Leber Stickstoff. In der Niere der Mäuse sammelte sich Harnstoff, dort wirkte es der Wasser-bindenden Kraft von Natrium und Chlorid entgegen. Doch die Synthese von Harnstoff kostet viel Energie. Mäuse, denen salzigere Nahrung verabreicht wurde, hatten größeren Hunger, tranken aber nicht mehr. Auch die menschlichen "Kosmonauten", die salziges Essen bekamen, klagten über Hunger.

Mehr als bloßer Abfall

Die neuen Erkenntnisse lassen die Rolle des Harnstoffs in neuem Licht erscheinen. "Harnstoff ist nicht nur ein Abfallprodukt, wie wir bisher angenommen hatten", sagt Prof. Friedrich C. Luft, von der Charité und dem MDC. "Stattdessen erweist er sich als ein sehr wichtiger Osmolyt – das ist eine Verbindung, die Wasser an sich bindet und so hilft, es zu transportieren." Harnstoff halte das Wasser im Körper, wenn Salz ausgeschieden werde. So werde das Wasser zurückgehalten, das sonst durch das Salz in den Urin hineingetragen würde. (eb)

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