Keuchhusten-Impfung

Schutzwirkung verpufft mit den Jahren

Pertussis ist für Säuglinge lebensbedrohlich, bestätigt eine US-Studie. Sie zeigt außerdem: Der Impfschutz nimmt deutlich schneller ab als bisher angenommen.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Keuchhusten trotz Impfung: Das ist nach ein paar Jahren möglich.

Keuchhusten trotz Impfung: Das ist nach ein paar Jahren möglich.

© Jani Bryson / iStock.com

ATLANTA. Wie gut werden Kinder im ersten Lebensjahr durch die Pertussis-Impfungen geschützt? Um diese Frage zu klären, haben Forscher der US-Seuchenbehörde CDC die Daten von 45.404 Säuglingen mit Pertussis aus den Jahren 1991 bis 2008 analysiert (Pediatrics 2015; online 4. Mai).

258 der Kinder waren an der Krankheit gestorben. Alle Todesfälle traten bei Kindern im Alter unter 34 Lebenswochen auf.

Zwei Drittel der Kinder starben im Alter unter sechs Wochen, in dem eine Impfung noch nicht möglich ist. Die Pertussis-Impfserie beginnt in den USA nach der sechsten Woche, in Deutschland im Alter von zwei Monaten.

Aus den Daten wurde die Schutzwirkung von mindestens einer Impfdosis bei Kindern im Alter über sechs Wochen ermittelt. Gegen tödliche Verläufe ergab sich ein Impfschutz von 72 Prozent (odds ratio 0,28), gegen Hospitalisierung von 31 Prozent (OR 0,69) und gegen Pneumonie von 20 Prozent (OR 0,80).

Wegen der möglichen schweren Pertussis-Komplikationen im ersten Lebensjahr empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine sogenannte Kokon-Strategie: Alle Kontaktpersonen der Säuglinge - Eltern, Geschwister, Großeltern, Babysitter - sollten gegen Pertussis geimpft sein.

Langzeitschutz fehlt

Dass dabei der Impfschutz der gängigen azellulären Vakzinen schnell nachlässt, belegen immer wieder Keuchhusten-Ausbrüche bei älteren Kindern und Jugendlichen.

US-Forscher haben jetzt aus der Analyse eines solchen Ausbruchs die Dauer des Schutzes ermittelt (Pediatrics 2015; online 4. Mai).

Unter den erkrankten Jugendlichen einer Epidemie 2012 im US-Staat Washington waren 450 komplett geimpfte Zwölf- bis 19-Jährige gewesen (fünf Impfdosen als Basis und ein Booster als Jugendlicher).

Diese wurden in der Studie mit 1246 vollständig geimpften Kontrollpersonen verglichen.

Ergebnis: Insgesamt lag der Impfschutz bei knapp 64 Prozent. Am höchsten war der Schutz im ersten Jahr nach der Impfung, nämlich bei 73 Prozent.

Nach zwei bis vier Jahren sank die Schutzwirkung dann auf 34 Prozent.

Der fehlende Langzeitschutz begünstigt Pertussis bei Jugendlichen, so die Forscher.

Nach den Daten ist es zudem fraglich, ob die beiden empfohlenen Pertussis-Booster (mit 5 bis 6 und mit 9 bis 17 Jahren) nach der Grundimmunisierung in Deutschland ausreichen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Keuchhusten-Impfstrategie gescheitert

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 20.05.201510:30 Uhr

Pertussis-Impfschutz bei Erwachsenen immer noch lückenhaft

In den ersten Jahren meiner hausärztlichen Tätigkeit als langjährig weitergebildeter Facharzt für Allgemeinmedizin war ich vollkommen überrascht, wie viele meiner Patientinnen und Patienten Zeichen einer pertussiformen Bronchitis aufwiesen. Ab 1992, in Zeiten o h n e Laborbudgets, haben wir bei hartnäckig länger bestehenden unproduktiven Hustenattacken regelmäßig auch eine Pertussis-Serologie veranlasst. Und waren völlig überrascht, wie häufig bei Erwachsenen eine frische Bordetella-pertussis-Infektion detektiert werden konnte.

Robert-Koch-Institut(RKI) bzw. Ständige Impfkommission(STIKO) haben auf diese Situation am 28.4.2000 reagiert:
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2000/Ausgabenlinks/17_00.pdf?__blob=publicationFile
"1. Frage: Warum hat die STIKO ab 1. Januar 2000 die bisherige Alters-Begrenzung (bis zum vollendeten 5. Lebensjahr) für die Pertussis-Schutzimpfung aufgehoben und empfiehlt jetzt das Nachholen bzw. die Vervollständigung der Impfung für alle Kinder und Jugendlichen bis zum 18.
Lebensjahr? Antwort: Das Nachholen der Pertussis-Impfung ist eine entscheidende Maßnahme zur Reduktion der großen Zahl von Empfänglichen besonders in den alten Bundesländern, wo die Impfung erst seit 1991 wieder generell empfohlen wurde."

Im Bundesgesundheitsblatt ?2013?·?56:845–857 - DOI?10.1007/s00103-013-1693-6
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 - wurde die Notwendigkeit regelmäßiger Pertussis-Boosterungen von C.?Poethko-Müller? und R.? Schmitz empirisch untermauert: "Impfstatus von Erwachsenen in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) -
Zusammenfassung: In Deutschland werden Impfquoten nicht über ein Impfregister erfasst. Die bevölkerungsrepräsentative Studie zur Gesundheit
Erwachsener in Deutschland (DEGS1) ist ein Baustein für das Monitoring der Durchimpfung. Zur Erhebung der Impfdaten wurden Impfpässe und Befragungsdaten genutzt. Der Tetanus- und Diphtherie-Impfstatus Erwachsener ist besser als vor 10?Jahren im „Bundes-Gesundheitssurvey 1998“, dennoch haben immer noch 28,6% der Bevölkerung in
den letzten 10?Jahren keine Tetanusimpfung und 42,9% keine Diphtherieimpfung erhalten. Insbesondere bei Älteren, bei Erwachsenen
mit niedrigem sozioökonomischem Status und in Westdeutschland bestehen Impflücken. Nur 11,8% der Frauen und 9,4% der Männer in Westdeutschland haben innerhalb der letzten 10?Jahre eine Impfung gegen Pertussis erhalten; die Durchimpfung ist in Ostdeutschland doppeltso hoch. Die seit 2009 bestehende Empfehlung, mit der nächstanstehenden
Tetanusimpfung gleichzeitig gegen Pertussis zu impfen, lässt jedoch einen
Anstieg der Durchimpfung erwarten. Im Vergleich zu den jährlichen Impfraten gegen Influenza ist der Anteil jemals gegen Influenza geimpfter Erwachsener höher. Allerdings liegt bei Frauen und Männern im Alter über 60?Jahren selbst die Lebenszeitprävalenz deutlich unter der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen jährlichen Impfrate von 75%."
http://edoc.rki.de/oa/articles/reb7vPK7TXrvs/PDF/28zSzwwnYZBs.pdfn

Höchste Zeit, nach nunmehr 16 Jahren die seit 2009 bestehende STIKO-Empfehlung umzusetzen und mit DPT-Pertussis oder DT-Pertussis (z. B. Boostrix®, COVAXiS® oder Repevax®, Boostrix®-Polio) Erwachsene alle 10 Jahre aufzufrischen. Dies dient auch als Kokon-Strategie zum Schutz von Impfmüden, Impfverweigerern und Menschen mit endogener/exogener Immunsuppression.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Michael Traub 20.05.201508:16 Uhr

Frage der Impfkomplikationen und der Spätfolgen im Erwachsenenalter

Ohne Frage eine verdienstvolle Arbeit über eine absolut impfwürdige
Erkrankunkung. Trotzdem wären Angaben über die aufgetretenen Impfkomplikationen gerade, wenn die Schutzwirkung nicht optimal ist,
umso wichtiger. Auch die Vermutung, daß schwere Pertussis-Verläufe im Erwachsenenalter eine Folge der Impfung sind, gehört zu dieser Problematik:
der fehlende Impfschutz begünstigt nämlich nicht nur Pertussis bei
Jugendlichen - so die Forscher -, sondern führt eben möglicherweise auch
im Erwachsenenalter zu durchaus längeren und komplikationsreicheren
Verläufen.

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