Schweinegrippe: Extrem schnell und wenig pathogen

Das Schweinegrippe-Virus (H1N1/2009) war ein extrem schnelles Virus. Binnen kurzer Zeit hat es sich über alle Kontinente verbreitet. Das Gute am Virus: Es war nur gering pathogen.

Von Michael Hubert Veröffentlicht:
Warnschilder zu Beginn der Schweinegrippe-Pandemie am Frankfurter Flughafen.

Warnschilder zu Beginn der Schweinegrippe-Pandemie am Frankfurter Flughafen.

© dpa

BERLIN. In relativ kurzer Zeit hat sich das neue H1N1-Virus 2009 über die Welt ausgebreitet. Diese hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit ist eine der Besonderheiten des Schweinegrippe-Virus.

Dass sich seine Pathogenität als nur gering herausgestellt hat, bezeichneten die Experten bei der internationalen Konferenz "Controversies in Vaccination in Adults" als Glück.

In den USA wurde die Zahl der von Schweinegrippe Betroffenen auf 60 Millionen geschätzt, 12.000 Menschen starben durch das Virus, was einer Sterberate von 0,02 Prozent entspricht.

In Deutschland seien 150.000 durch H1N1/2009 Erkrankte und 186 Gestorbene registriert worden - was einer Sterberate von rund 0,13 Prozent entspricht.

"Der Austausch nur zweier Aminosäuren hätte zu einem hoch pathogenen Influenza-Virus führen können", mahnte Professor Tom Schaberg aus Rothenburg an der Wümme.

Der Pneumologe erinnerte in Berlin daran, dass die Betten auf deutschen Intensivstationen in der Regel belegt seien: "Auf ein Intensivbett kommen 90 Patienten pro Jahr mit einer mittleren Verweildauer von vier Tagen."

Und während der Schweinegrippezeit waren die knapp 50 Plätze für die extrakorporale Membranoxigenierung (ECMO) über mehrere Wochen ausgebucht.

"Hier gab es keine Kapazitäten, um mehr Patienten versorgen zu können", sagte Schaberg bei der Veranstaltung, zu der das Unternehmen GlaxoSmithKline eingeladen hatte.

Schaberg wies auf einen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen der Schweinegrippe-Pandemie und einer saisonalen Influenzasaison hin: "Normalerweise sind 80 Prozent der Grippetoten 65 Jahre oder älter."

In den USA hingegen seien 90 Prozent der durch H1N1/2009 Gestorbenen jünger als 65 Jahre gewesen. Und in Deutschland habe das mittlere Alter der Erkrankten und der Hospitalisierten bei 15 Jahren gelegen.

Der vermutete Grund für diese Altersverteilung: Die vor 1950/1960 Geborenen könnten noch neutralisierende Antikörper gegen die Nachfolger des Virus der Spanischen Grippe haben. Das Virus sei eng verwandt mit dem Schweinegrippe-Virus.

Schwere Erkrankungsverläufe einer Schweinegrippe waren vor allem durch Pneumonien bedingt, sagte Schaberg. So habe die Pneumonierate bei allen Schweinegrippe-Kranken bei etwa 1 Prozent gelegen. Bei denjenigen, die ins Krankenhaus mussten, lag die Rate bei 15 Prozent, und fast 90 Prozent der Gestorbenen hatten eine Pneumonie.

"Was wäre gewesen, wenn das Virus tatsächlich pathogener gewesen wäre?", fragte Schaberg. Drei große Fragezeichen standen dazu auf seiner Folie.

Mehrere unmittelbare Konsequenzen leitete Schaberg aus der vergangenen Pandemie ab: Erstens müsse die Schwere der Erkrankungen in die Pandemiedefinition der WHO aufgenommen werden. Gleichzeitig müsse das Monitoring der Erkrankungsverläufe verbessert werden.

Drittens müssten die Risikogruppen zeitnäher definiert werden und viertens bräuchte es künftig auch neue Impfkonzepte. Denn bisher vergingen von Beginn der Phase 4 bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes rund sechs Monate.

Schaberg schlug hierzu das Konzept einer präpandemischen Impfung vor. Welches Antigen hierzu im Falle der Schweinegrippe geeignet gewesen wäre, ließ er jedoch offen.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 10.02.201117:04 Uhr

Schweine-Pandemie

Mißtraue jedem Epidemiologen,Infektiologen und erst recht Pandemiologen, der ein Viruspartikel (v = 0 m/anno) wörtlich zu einem "extrem schnellen Virus" erklärt, das sich "binnen kurzem" weltweit (aktiv) verbreitet hat, vielleicht sogar "ausbricht" oder "überspringt"! Auch soll der (böswillige) Austausch von nur zwei Aminosäuren das Schweinegrippe-Virus zu einem "hoch pathogenen" Partikel machen. Dabei wissen wir doch alle längst, daß es hier nur um Aktiva von Krisengewinnlern gehen kann. Warum müssen eigentlich grippeverdächtige Patienten, die keine Lungenentzüngung haben, hospitalisiert werden, und verbeiben nicht in häuslicher Quarantäne unter intensiver und kostengünstiger Beobachtung und Behandlung des Hausarztes? Professor Schaberg fragte orakelhaft dreimal "Was wäre gewesen, wenn das Virus (Partikel) pathogener gewesen wäre?" Dabei ist doch seit L. Pasteur bekannt, daß Viruspassagen, insbesodere bei artfremder Übertragung i.d.R. pathogenetisch abgeschwächt (attenuiert) oder sogar eliminiert werden. Dies geschieht -trotz der nachgesagten "Bösartigkeit" des vermeintlichen Infektionserregers- durch Reparaturenzyme der involvierten Zellen, weil auch dort Mutationen an RNS- oder DNS- Partikeln nur nach Zufälligkeiten im Rahmen der Replikation passieren. Da Influenza- Erkrankungen -wie die meisten Virusinfektionen- nicht virämisch verlaufen, stellt sich auch die Frage nach dem Zweck von parenteralen Impfungen? Sollten nicht die Impfstoff-Forscher (Molekularbiologen) und Hersteller endlich respiratorische Krankheiten preventiv am Zielort angreifen und auch auf natürlichem Wege impfen lassen. In diesem Falle per Aerosolen aus (mittels PCR) isolierten und vermehrten H1- und N1- Antigenen im Bereich der oberen Atemwege um die notwendigen Schleimhaut-IgA rechtzeitig zu stimulieren und der Virus-Invasion vorzeubeugen? Dabei könnten wir sowohl auf Verstärker (Al-Hydroyd) wie auch auf Fremdprotein (Hühnereiweiß) im Impfstoff verzichten. Oder wollen wir zur Belebung der Impfmüdigkeit nach schlichter seropositiver Reaktion einen gesunden Probanten zum Schweinegrippe-Kranken erklären, nur weil er wiederholt in Schweineställen durchgeatmet hat oder des öfteren Mett von einem ferkelgrippekranken Schlachttier gegessen hat? H1N1-Virus ist nämlich seit langer Zeit schon als Erreger der Ferkelgrippe bekannt und kann in etwa 90 Prozent aller Schweinekoben, die überbelegt sind, kein virus- inaktivierendes Tageslicht haben und dazu noch starke Ammoniak-Ausdünstungen von der Gülle unterliegen, festgestellt werden. Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, FTA i.R. aus Rostock

Dr. Thomas Georg Schätzler 09.02.201116:45 Uhr

Schweinegrippe-Virus (H1N1) Infektionen - Eine Realsatire!

Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man einen fröhlichen Dreisatz daraus machen:
USA Ende 2010 knapp 311 Mio. Einwohner - 60 Mio. H1N1 Erkrankte geschätzt.
Deutschland 82 Mio. Einwohner in 2010 - 150.000 H1N1 Erkrankte geschätzt.

Dann waren in den USA gut 19% der Bevölkerung erkrankt, in Deutschland hingegen nur 0,18%! Etwa ein Hundertstel im Vergleich zu den USA? Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann definitiv nicht stimmen. Nun könnten Profi-Epidemiologen einwenden, mit möglichst hohen Erkrankungszahlen kann man die Sterblichkeitsrate beschönigen:

Sterberate in den USA 0,02 %, in Deutschland 0,13 %, also 6,5-fach höher!

Irgendjemand bindet uns hier einen gewaltigen Bären auf. Und ich glaube, es ist ein Grizzlybär. Denn wie wurden die H1N1 Erkrankungszahlen in den USA geschätzt? Der "Morbidity and Mortality Weekly Report“ (MMWR 2011; 60 (2): 1) der „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) berichtete von rund 220.000 Erwachsenen und 44.000 Kindern und Jugendlichen bzw. deren Eltern. Diese wurden nach Influenza-ähnlichen Erkrankungen (influenza-like illness, ILI) - mit Fieber und Husten oder Halsschmerzen telefonisch (!) befragt. Und konnten mit dieser durchaus verbreiteten Symptomtrias die eindeutige Diagnose einer H1N1-Infektion vermelden. Was blieb Ihnen denn auch anderes übrig, sonst wären die CDC-Interviewer womöglich verärgert gewesen.

Bei uns in Deutschland geht das wesentlich genauer:
Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI), welche die "gefühlte" Rate der Häufigkeit akuter respiratorischer Erkrankung und den davon gemessenen Anteil von Influenzainfektionen spezifiziert, evaluiert und ggf. korrigiert, bezieht sich auf offizielle ärztliche "Meldepraxen". Diese berichten online ihre Raten akuter respiratorischer Infektionen (ARI) an das Robert-Koch-Institut (RKI). Dieses generiert aus ärztlichen Beobachtungs- und Erfahrungsdaten eine Flächenstatistik geschätzter Influenza- und sonstiger Atemwegserkrankungshäufigkeiten.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen, Dr. med. T. G. Schätzler, FAfAM DO

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