COVID-Patienten
Sachsen fürchtet erneute Überlastung seiner Kliniken
Niedrige Impfquote, hohe Inzidenzen und wieder viele Corona-Patienten in den Krankenhäusern: Ärzte schlagen Alarm im Freistaat Sachsen. Währenddessen verabschiedet die Landesregierung eine neue Corona-Schutzverordnung.
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Sachsens Impfzentren wurden Ende September geschlossen. Jetzt plädieren Ärzte für eine Wiederinbetriebnahme.
© Jan Woitas/picture alliance
Dresden. Die sächsischen Kliniken stehen wahrscheinlich schon Mitte November vor einer ähnlichen Situation der Überlastung mit COVID-Patienten wie zum vergangenen Jahreswechsel. „Im Dezember 2020 hatten wir rund 60 Patienten zur Behandlung in andere Bundesländer ausfliegen müssen“, erinnerte der medizinische Vorstand des Universitätsklinikums Dresden, Professor Michael Albrecht, bei einer von der Staatskanzlei ausgerichteten Online-Konferenz.
„Wir sind auf dem besten Weg zur Überlastung der Kliniken“, sagte der Vorsitzende der Sächsischen Impfkommission (SIKO), Dr. Thomas Grünewald. „Wir müssen jetzt handeln und wollen nicht erst die Särge rausfahren müssen.“ Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) machte deutlich, dass es in Sachsen aktuell einen Unterschied zur Situation vor genau einem Jahr bei der Belegung der Kliniken und den Inzidenzen gibt: Anfang November 2020 waren deutlich weniger Betten mit COVID-Patienten belegt als derzeit und die Sieben-Tage-Inzidenzen fielen niedriger aus. „Und damals hatten wir noch keine Impfungen.“
Abgewanderte Pflegekräfte
Wie schon bei den ersten drei Wellen der Corona-Pandemie haben die beiden Universitätsklinika Dresden und Leipzig sowie das Klinikum Chemnitz als die drei Maximalversorger des Freistaats auch jetzt in der vierten Welle vom Sozialministerium den Auftrag erhalten, die Belegung der Kliniken in den Regionen Chemnitz, Dresden und Leipzig zu steuern.
„Allerdings tun wir uns jetzt viel schwerer, mit der gleichen Patientenzahl wie im Herbst und Winter 2020 klarzukommen“, sagte Albrecht. „Wir haben seit Februar eine hohe Abwanderung aus der Pflege und aktuell einen hohen Krankenstand.“ SIKO-Chef Grünewald, auch Leiter der Klinik für Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum Chemnitz, sprach sogar von einem „signifikanten Exodus bei den Pflegekräften und im ambulanten Bereich“. Außerdem, ergänzte er, „werden wir dieses Jahr im Unterschied zu 2020 auch eine Epidemie bei der Influenza erleben“.
„Beschämende“ Corona-Impfquote
Er bemängelte zudem, dass „wir in Sachsen beschämend schlecht bei der Corona-Impfquote sind“. Sozialministerin Petra Köpping (SPD) wies darauf hin, dass die Quote der vollständig Geimpften in Sachsen um etwa 20 Prozent niedriger als etwa in Hamburg oder Bremen ausfalle. „Wir brauchen eine Impfquote von 87 oder 88 Prozent“, sagte Grünewald, „davon sind wir Lichtjahre entfernt.“ Momentan beträgt die Quote der komplett Geimpften in Sachsen 56,7 Prozent – Schlusslicht im Vergleich der Bundesländer.
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Der medizinische Vorstand des Universitätsklinikums Leipzig, Professor Christoph Josten, sagte, er sei sich „nicht sicher, ob wir die Menschen, die sich bisher nicht haben impfen lassen, noch erreichen“ könnten. Sein Dresdner Kollege Albrecht teilte diese Ansicht: „Ich habe Skepsis, ob wir mit Aufklärung die Impfquote noch steigern können.“
Die SIKO empfiehlt seit Anfang November für alle Menschen ab 18 Jahren im Freistaat die Auffrischungsimpfung und begründet dies unter anderem mit einer hohen Anzahl von Impfdurchbrüchen in allen Altersgruppen zwischen 20 und 90 Jahren. „Wir kommen aber bei den Booster-Impfungen kaum voran“, so Grünewald. Er verlangte deshalb, wie auch Albrecht und Josten, von der Staatsregierung deutlich strengere Regelungen als bisher. Unter anderem 2G statt wie bisher 3G und eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken etwa in Bussen und Bahnen.
Plädoyer für Impfzentren
Dem folgte die Landesregierung am Dienstag mit einer neuen Corona-Schutzverordnung, die von kommendem Montag an gelten soll. Sie sieht für die Innengastronomie, bei Veranstaltungen und in Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie in Clubs und Bars die 2G-Regel sowie eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken im öffentlichen Nahverkehr vor.
Die drei Mediziner Albrecht, Grünewald und Josten sprachen sich außerdem dafür aus, Impfzentren wieder zu öffnen. Sozialministerin Köpping entgegnete, Sachsen habe bislang 270 Millionen Euro für Impfzentren ausgegeben und die Auslastung habe zuletzt „bei 20 Prozent und weniger“ gelegen. Die letzten Impfzentren waren Ende September geschlossen worden. „Wenn man Impfzentren aufmacht und niemand kommt, nützt das nichts“, sagte Köpping.