COSMO-Studie
Cornelia Betsch und der Blick in die deutsche Corona-Seele
Wohl kaum jemand kennt die deutschen Corona-Befindlichkeiten besser als Cornelia Betsch. Die Erfurter Professorin berät seit Kurzem auch die Bundesregierung – und hat einige Verbesserungsvorschläge.
Veröffentlicht:Erfurt. Talkshows? Nein, da sei sie eher zurückhaltend. Zweimal war sie bei Anne Will, andere habe sie mehrmals abgesagt. Und das, obwohl Cornelia Betsch seit zwei Jahren so tief in die Corona-Seele der Deutschen blickt, wie kaum jemand anderes.
„Ich hätte das auch anders entscheiden können. Anfragen gab es viele“, sagt die Erfurter Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation der Deutschen Presse-Agentur. Aber sie wolle nah an den Daten kommunizieren – und sich nicht mit ihrer persönlichen Meinung in den Vordergrund stellen.
Hatten Virologen oder Modellierer in der Corona-Krise vor allem die Eigenschaften des Virus im Blick, kennt Betsch die Sorgen, Ängste und Wünsche der Bevölkerung. Seit März 2020 fragt sie gemeinsam mit ihrem Team in der COSMO-Studie („Covid-19 Snapshot Monitoring“) nach den Corona-Befindlichkeiten in Deutschland.
Zuletzt ist die 43-Jährige in den Expertenrat der Bundesregierung zu Corona berufen worden. Am 1. April soll sie den Deutschen Psychologie Preis 2021 empfangen. Die Verleihung war zuvor verschoben worden – wegen Corona.
„Narrativ des milden Verlaufs“
Wie nehmen die Menschen ihr persönliches Infektionsrisiko wahr? Wie stehen sie zu Impfungen? Wie hoch ist ihr Vertrauen in politische Entscheidungsträger? Regelmäßig wurden in der COSMO-Studie 1000 zufällig ausgewählte Menschen zu diesen und anderen Themen befragt. Was am Anfang als eine Studie mit fünf Erhebungen ausgelegt war, ging im März 2022 in die 61. und vorerst letzte Runde. „Wir machen seit zwei Jahren Tag und Nacht fast nichts anderes“, fasst Betsch die Pandemie-Zeit zusammen.
Aktuell zeichne sich trotz Rekord-Infektionszahlen bei vielen Menschen Entspannung bei Corona ab, sagt Betsch auf Basis der aktuellen Erhebung. Die Menschen gingen zwar angesichts hoher Zahlen eher davon aus, sich zu infizieren. Sie hätten davor aber weniger Angst. „Wir sehen eindeutig, dass sich das Narrativ des milden Verlaufs durchsetzt.“
Dazu kämen die politischen Lockerungsdebatten der vergangenen Wochen, die zur gefühlten Entspannung beitrügen. Was aktuelle Corona-Debatten in Deutschland angeht, leitet Betsch, die sich seit Jahren wissenschaftlich mit Impfentscheidungen befasst, mehrere Botschaften aus den Erhebungen ab.
Zum Einen habe die freiwillige Impfbereitschaft in Deutschland mittlerweile einen Deckel erreicht. Brauche es höhere Impfquoten, komme die Politik um eine allgemeine Pflicht kaum herum. Das werde auch immer wieder in den offenen Antworten in der Studie gefordert.
„Den Herbst jetzt gut vorbereiten“
„So eine Impfpflicht kommt aus psychologischer Sicht nicht ohne Kosten. Einige Menschen haben Angst vor der Impfung, das macht aus dieser Entscheidung etwas psychologisch Heißes.“ Sie müsse also gut kommuniziert werden. Vorstellbar sei, nun ein Gesetz für die Impfpflicht zu verabschieden und ein Impfregister oder einen ähnlichen Mechanismus aufzusetzen – es aber erst dann „scharf“ zu stellen, wenn es benötigt wird.
„Die Leute erwarten jetzt, dass der Herbst gut vorbereitet wird“, sagt sie weiter. Passiere das nicht und komme es etwa wieder zu Schulschließungen, gehe politisches Vertrauen weiter verloren. Das drohe auch dann, wenn Lockerungen zu schnell vonstatten gehen.
Die große Mehrheit habe das Gefühl, dass das Virus eine gewisse Gefahr darstellt, vor der es sich zu schützen gilt. „Und das funktioniert in der Meinung der meisten am besten durch Regulierung – nicht mit Empfehlungen.“ Laufe etwa die Maskenpflicht aus, gehe sie davon aus, dass schon bald nur noch wenige Masken im öffentlichen Raum zu sehen sind.
Generell rate sie der Politik, sich nicht zu sehr von einer Minderheit hinreißen zu lassen. Der Anteil der Menschen, der die Corona-Maßnahmen übertrieben findet, sei in den Erhebungen nie unter 15 Prozent gefallen, sondern habe eher bei 20 bis 30 Prozent gelegen – auch im Sommer, als wenige Einschränkungen galten. „Es gibt einen gewissen Satz Menschen, denen kann man es nie recht machen. Und das müssen sich auch Politiker viel bewusster machen.“
Schläge auf dem Campus angedroht
Auch Betsch hat das schon erfahren müssen: Sie und ihre Mitarbeiter hätten Drohmails erhalten, teils seien ihnen Schläge auf dem Campus angedroht worden. Im Vergleich zu anderen Corona-Experten habe sie aber einen etwas leichteren Stand: „Wir sind ja auch ein bisschen für die Leute da und transportieren deren Meinung.“
Wichtig sei, es den Menschen, die sich an Regeln halten wollen, möglichst leicht zu machen. Dazu gehöre, die Regelungen nicht zerfleddern zu lassen. „Man kann mit Kommunikation nicht alles reparieren, was schlecht gemacht ist.“
Seit Dezember kann die Erfurterin selbst im Expertenrat der Bundesregierung daran mitarbeiten, wie es besser gehen könnte: Dort erarbeitet sie gemeinsam mit etlichen anderen Pandemie-Experten wie etwa dem Virologen Christian Drosten Handlungsempfehlungen. „Gegen diese Stellungnahmen wird diese Regierung sich irgendwann auch mal messen lassen müssen“, sagt sie. (dpa)