Umfrage zeigt
Ärzte rechnen mit mehr Zwei-Klassen-Medizin
Die medizinische Versorgung wird sich verschlechtern - davon ist die Mehrheit der Ärzte in Deutschland überzeugt. Eine Umfrage zeigt auch: Die meisten Mediziner sehen ihre Therapiefreiheit in Gefahr.
Veröffentlicht:BERLIN. Arztpraxen sind Seismometer für den demografischen Wandel und den aufkommenden Ärztemangel. Darauf macht eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aufmerksam.
Mehr als drei Viertel der Hausärzte notierten, dass die Zahl älterer Patienten in ihrer Praxis zunehme, berichtete Institutschefin Professor Renate Köcher am Dienstag bei der Vorstellung des MLP-Reports in Berlin. Als besonders betroffen bezeichneten sich dabei Ärzte in bevölkerungsarmen Gebieten.
Fast die Hälfte der Ärzte in Städten und Regionen mit weniger als 100.000 Einwohnern ist zudem überzeugt, dass schon heute zu wenige Ärzte für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stehen.
Insgesamt beurteilen die niedergelassenen Ärzte und ihre Kollegen in den Kliniken das Gesundheitssystem jedoch unverändert positiv. 90 Prozent geben den Leistungen ihrer Zunft und den Strukturen des Gesundheitssystems die Note gut bis sehr gut. In der Bevölkerung ist die Zustimmung ebenfalls hoch, aber mit 80 Prozent etwas geringer.
Das sei ein Beleg dafür, "dass sich Ärzte immer um eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten bemühen, ganz gleich, welchen Versichertenstatus sie haben", kommentierte der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery, dieses Umfrageergebnis.
Verschlechterung der Standards erwartet
Dass aber die Versorgungsqualität ihr hohes Niveau hält, zweifelt eine deutliche Mehrheit der befragten 323 Haus- und Fachärzte sowie 217 Krankenhausärzte an.
Schon für die nächsten zehn Jahre sagen 64 Prozent eine Verschlechterung der Standards voraus. Grund ist vor allem eine erwartete Verschärfung der Personalsituation an den Krankenhäusern.
Unter den Ärzten in den Kliniken herrscht überwiegend die Meinung, in den Krankenhäusern dominierten bereits heute wirtschaftliche Aspekte gegenüber dem medizinisch Sinnvollen.
Erstmals sorgen sich mehr Krankenhausärzte (79 Prozent) als Niedergelassene (74 Prozent) darum, nicht mehr frei nach therapeutischen Gesichtspunkten entscheiden zu können. Drei Viertel der Ärzte sieht die Zwei-Klassen-Medizin heraufziehen.
Das korreliert mit den subjektiven Eindrücken von Patienten. Zwei Fünftel der 2088 Befragten gaben an, schon einmal das Gefühl verspürt zu haben, ihnen werde eine Therapie vorenthalten.
Die Niederlassung bleibt attraktiv. 66 Prozent der Klinikärzte seien überzeugt, in der Praxis ließen sich Beruf und Familie besser als in KLiniken vereinbaren, so MLP-Chef Dr. Uwe Schroeder-Wildberg.
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