Interview zum Tag der Organspende
„Das A und O für mehr Organspenden sind bessere Strukturen“
Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther hat für die Entscheidungsregelung bei der Organspende gekämpft. Im Interview sagt die Ärztin, was sie sich von der Reform erhofft und warum Spanien ein Vorbild ist.
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Die Grünen-Politikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther im Bundestag.
© Bernd von Jutrczenka / dpa / picture alliance
Ärzte Zeitung: Von Januar bis Ende April 2020 sind bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gut zwei Millionen neue Spenderausweise bestellt worden. Klingt gut, aber bestellte Ausweise sind noch keine ausgefüllten Ausweise?
Dr. Kirsten Kappert-Gonther: Stimmt. Aber wer aktiv einen Spenderausweis bestellt, hat offenbar die Absicht, seinen Wunsch zu hinterlegen. Selbst wenn nicht jeder, sondern nur jeder zweite bestellte Ausweis ausgefüllt würde: Ein Anstieg der Nachfrage um mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist sehr erfreulich.
Und wer keinen Ausweis ausfüllt?
Kappert-Gonther: Der hat vielleicht mit Angehörigen oder Freunden über seine oder ihre Wünsche geredet, die im Fall der Fälle darüber Auskunft geben könnten. Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass sich immer mehr Menschen mit Organspende-Fragen beschäftigen.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther
- Aktuelle Position: Sprecherin für Drogenpolitik und Gesundheitsförderung sowie Obfrau im Gesundheitsausschuss
- Werdegang: Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Ärzte betonen, die Organspende-Zahl sei gar nicht so aussagekräftig. Wichtiger sei, dass die Kliniken jede Möglichkeit der Organspende erkennen und dann auch melden. Passiert das ausreichend?
Kappert-Gonther: Es ist richtig, dass das A und O zur Erhöhung der realisierten Organspenden bessere Strukturen in den Kliniken sind. Wir können aktuell noch nicht sagen, inwieweit das schon umfassend geschieht, aber die Weichen sind gestellt.
Vor einem Jahr ist das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Strukturen bei der Organspende in Kraft getreten. Damit werden auch Abläufe in Entnahmekrankenhäusern gestärkt. Sie können mehr Zeit und Ressourcen auf die Erkennung und Meldung von Spendern verwenden. Verbesserungen dieser Art haben in Ländern wie Spanien maßgeblich dazu beigetragen, dass mehr Organspenden stattfinden.
Anfang 2021 tritt das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft in Kraft. Am Entwurf haben Sie maßgeblich mitgewirkt. Was erhoffen Sie sich konkret davon?
Kappert-Gonther: Regelmäßige Ansprache durch den Hausarzt, Informationen zur Organspende während der Fahrstunde, Info-Angebote beim Pass-Abholen: Die Organspende wird in unseren Leben präsenter werden. Die Leidenschaft und das Engagement, mit der wir in Parlament und Gesellschaft darüber debattiert haben, wie sich die Organspendezahl erhöhen lässt, brauchen wir jetzt dafür, damit die Organspende weiter auf der Agenda bleibt. Damit mehr Menschen sich dafür entschließen und damit mehr Leben gerettet werden können.